Engel – Allgegenwärtig
«Schnaps, dass war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort!» wer kennt diesen Karnevalsschlager nicht? Aber das ist nicht das einzige Lied, in dem die Engel besungen werden. Von Rock bis Pop, von Klassik bis Hiphop; Engel werden immer wieder gerne besungen. Man denke nur an das Lied der Kelly Family: »Angel». Und in der Kunst begegnen uns Engel. Wer kennt sie nicht, die Putten. Man könnte die Reihe noch fortsetzen.
Auch in jeder hl. Messe kommen die Engel vor. Denn in jeder hl. Messe sind nicht nur die Gläubigen anwesend, sondern auch die Verstorbenen, Heiligen und Engel. Die Engel werden an mehreren Stellen genannt.
Ein erster Ort ist das Schuldbekenntnis («Darum bitte ich …. alle Engel und Heiligen…»). Dann ist das Gloria zu nennen. Im Gloria werden die Engel zwar nicht ausdrücklich genannt, doch geht der Anfang des Glorias auf den Gesang der Engel bei der Geburt Jesu Christi zurück (vgl. Lk 2, 13f.). Zum Ende der Präfation des zweiten Hochgebetes betet der Priester: « … Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit». Darauf folgt das Sanctus, welches ein Lobgesang der Engel ist (vgl. Jes 6, 2ff). Im ersten Hochgebet bittet der Priester nach der Wandlung den allmächtigen Gott: «Dein heiliger Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine göttliche Herrlichkeit».
Selbst Menschen werden als Engel bezeichnet. So nennt sich ein immer wieder verwendetes Kompliment: «Du bist wie ein Engel». Oder denken wir an den Engel von Kalkutta, Mutter Teresa.
Wenn man die Augen offen hält, wird man immer wieder auf das Wort Engel stoßen. Und bei genauem Hinsehen fällt auf, dass die Bedeutung von Engel unterschiedlich verwendet wird. Je nachdem wer das Wort benutzt, meint etwas anderes.
So kann die berechtigte Frage aufkommen: «Wie steht es denn jetzt um die Engel? Gibt es sie, oder sind sie nur eine Art Gespenster, eine Einbildung der Menschen? Oder sind sie gar Menschen?» Es ist die Frage nach der Existenz der Engel.
Existieren überhaupt Engel?
Eine Situation wie die folgende ist heute, in einem doch ach so «aufgeklärten Zeitalter», keine Seltenheit:
Während einer Zugfahrt saß in einem Abteil ein Vater mit seinen beiden Söhnen. Damit es nicht so langweilig war, spielten die drei dieses Spiel: mit dem letzten Buchstaben eines Wortes musste ein neues Wort gebildet werden. Als der Vater nun mit einem «e» ein neues Wort bilden musste, äußerte er das Wort Engel. Sofort kam Protest des dreijährigen Sohnes. Engel gäbe es doch gar nicht. Darauf sagte der Vater: «Das Wort ,Engel‘ gäbe es schon; aber Engel existieren überhaupt nicht. Da hast du recht, mein Sohn.» (wahre Begebenheit)
Dass die Existenz der Engel geleugnet wird, ist nicht erst ein Erscheinungsbild unserer Zeit:
Schon zur Zeit Jesu gab es eine Gruppe, die nicht nur die Existenz von Engeln geleugnet haben, sondern auch die Auferstehung bezweifelten. Es ist die Gruppe der Sadduzäer. Wir leben heute in einer Zeit, in der der Glaube nicht mehr viel zählt. Oft gewinnt man den Eindruck, dass man ohne Glauben besser durch das Leben kommt. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn in einer Zeit der Verdunstung des Glaubens immer weniger Menschen an Engel glauben, obwohl der Glaube an Engel in der Esoterik eine Renaissance erlebt. Doch die heutige Misere hat ihre Anfänge nicht in unserem Jahrhundert.
Martin Luther
Die Wurzeln des Schwindens des Glaubens an die Engelwelt reichen bis Luther zurück. In den Jahren 1531 und 1533 hielt Luther seine berühmten Engelpredigten. In diesen Predigten wandte er sich gegen die übertriebene Verehrung des Erzengels Michaels, und meinte, dass es sich um Abgötterei hielt. Man könne die Engel nicht leichtsinnig an die stelle Gottes setzten. Schon 1528 schrieb Luther in der Wunderpostille, dass man die Engel nicht anbeten und nicht auf sie vertrauen soll. Dennoch muss man sich davor hüten, Luther nachzusagen, er habe nicht an die Engel geglaubt. Er lehnt zwar die Engelverehrung als Abgötterei ab; dennoch sah er ihre geistige Realität.
Galileo Galilei
Einen weiteren Grund liefert Galileo Galilei (1564-1642). Der Grund für die Leugnung der Engel liegt nicht in seiner Entdeckung, dass sich die Erde um die Sonne dreht, sondern vielmehr darin, dass er die Naturwissenschaft aus der Theologie herauslöste. Er machte die Erfahrung zur Grundlage der Naturwissenschaft und setzte die Naturwissenschaft über die Theologie. Dieses führte zu einem arroganten Hochmut der Naturwissenschaftler. Sie meinten, nur das, was gemessen werden kann, ist zu glauben. Und das ist heute bei vielen anderen Naturwissenschaftler nicht anders. Wenn sie in ihr Laboratorium gehen, hängen sie ihren Glauben und ihr Gewissen an den Nagel, wenn sie dieses noch haben.
Die Philosophie
Die Philosophie trug ihrerseits dazu bei, dass es durch ihre Denkansätze, wie Empirismus, Idealismus, Rationalismus und Kritizismus (Kant) und Humanismus (Schleiermacher), zu einem Abbruch mit der Tradition kam.
Engel wurden zu einer religiösen Bildersprache. Die Engel wurden nicht mehr als reale Geschöpfe angesehen und somit ihre Existenz geleugnet. Denn in einer «modernen Welt» kann es nur nüchtern und entmythologisiert zugehen. In diesem Zusammenhang schreibt der evangelische Theologe Rudolf Bultmann (1884-1976), dass man nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testamentes glauben kann. So werden die Engel als «metaphysische Fledermäuse» deklassiert. Die protestantische Aufklärung hat dem frommen Umgang mit den Engeln ein Ende gesetzt.
Heutige Ansichten
Auch der Chor der liberalen Denker schließt sich diesem Tenor an. Für sie werden die Engel lediglich mehr oder weniger als poetische Zutat zum Glauben oder abgesunkene Bilderwelt, als abgesunkenes Kulturgut geduldet. Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens werden die Engel etwas spöttisch als eine herumstehende Dienerschaft oder als Sängerchor in der Umgebung Gottes angesehen. Engel sind die bleichen Erben der olympischen Götter. Engel, dass sind die wackeren Kampf- und Wandergenossen im Alten Testament.
In der Kunst
Deutlich wird die Säkularisierung des Engelbildes in der Kunst. Im 2. – 10. Jh. fehlen die Engel in keiner Glaubensdarstellung. Hier sei nur an die Ikonen erinnert (vgl. Ikone von der «immerwährenden Hilfe»). Sie werden entweder mit einem Nimbus oder mit Flügeln dargestellt. Es gibt aber auch Darstellungen, bei denen sie mit beidem ausgestattet sind. Im 13. Jh. tritt eine Änderung bei der Darstellung von Engeln ein. So werden sie als musizierende Engel gemalt, besonders in Szenen aus dem Leben Mariens. Im 15. Jh. gibt es wieder eine neue Ansicht. Die Engel werden als Kinder abgebildet. So findet man auf den Darstellungen fast ausschließlich Kinderengel. In der Renaissance werden diese Kinderengel durch antikisierte Putten ersetzt. Seit dem 16. Jh. gibt es Engelbilder als Kinder und/oder mit Flügeln.
In der Kunst wird auch die Meinung vertreten, dass man ebenso wenig einen Himmel ohne Engel darstellen kann, wie einen Frühling ohne Blumen. Wenn in der heutigen Zeit überhaupt noch Engel gemalt werden, dann werden sie als menschliche Wesen mit zwei Flügeln dargestellt oder aber als Putten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Verlust des Engelbildes in der Reformation seinen Beginn nahm und über die Renaissance, Aufklärung bis in die heutige Zeit weiter um sich griff. Was heute noch schlimmer ist als die Leugnung der Engel, ist die sich ausbreitende Gleichgültigkeit. Es ist egal, ob es Engel oder Gott gibt; Hauptsache ich habe mein Vergnügen, meinen Kick im Leben.
Engel sind eine Glaubenswahrheit
Die deutschen Bischöfe schreiben in dem Erwachsenenkatechismus, dass «ein ernsthaftes Sprechen über die Engel ist auch deshalb schwierig, weil wir dabei an Grenzen der menschlichen Aussagemöglichkeiten geraten» (KEK S. 109). Ein ernsthaftes Sprechen über Engel ist deshalb schwierig, weil die Engelwelt ein Bereich ist, der mit der Naturwissenschaft nicht beweisbar ist. Die Naturwissenschaft stößt an die Grenze ihre Möglichkeiten und zeigt damit auf, wie begrenzt ihr Horizont ist.
Die Kirche hat sich immer zu der Existenz der Engel bekannt. Auf dem 4. Laterankonzil (1215) stellt die Kirche in einer Definition gegen die Albigenser und Katharer klar, dass der dreifaltige Gott «der Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, des Geistigen und des Körperlichen (ist): er schuf in seiner allmächtigen Kraft vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht» (DS 800).
Auf dem I. Vaticanum (1870/71) wurde diese Aussage noch einmal bekräftigt: «(Gott hat) aus völlig freiem Entschluss vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht» (DS 3002).
Papst Pius XII. nimmt 1950 in seiner Enzyklika «Humani generis» Stellung zu den neuen theologischen Tendenzen und stellt klar, dass die Engel persönliche Geschöpfe seien und sich die Materie wesenhaft vom Geist unterscheide. Alles andere widerstreitet freilich den Erklärungen des I Vaticanums. (vgl. DS 3890 u. 3891)
Auch das II. Vaticanum bekennt sich zu der Existenz von Engel. So heißt es in Artikel 49 der Konstitution über die Kirche: «Bis also der Herr kommt in seiner Majestät und alle Engel mit ihm». Und in Artikel 50 derselben Konstitution bekennen die Konzilsväter: «Dass aber die Apostel und Märtyrer Christi, die mit ihrem Blut das höchste Zeugnis des Glaubens und der Liebe gegeben hatten, in Christus in besonderer Weise mit uns verbunden seien, hat die Kirche immer geglaubt, sie hat sie zugleich mit der seligen Jungfrau Maria und den heiligen Engel mit besonderer Andacht verehrt.»
Der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) bekräftigt diese Glaubenswahrheit: «Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich Engel genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung» (KKK 328).
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