Das Heilige im Allerweltsartikel
Ich bin in Kleve geboren und aufgewachsen – ganz in der Nähe von Kevelaer, einem der großen Wallfahrtsorte in Deutschland. Obwohl ein anderer Wallfahrtsort – nämlich Altötting – bekannter ist und mehr Pilger verzeichnet, ist mir Kevelaer immer noch besonders lieb. Nicht nur wegen des Heimatbezugs, sondern auch wegen einer Besonderheit, die ihn zu einem schon fast eucharistischen Ort macht. Obwohl Kevelaer ein Marienwallfahrtsort ist, gibt es einen wunderbaren Bezug zur Eucharistie: Wir verehren dort eine unsichtbare, größere Wirklichkeit in einem Pfennigsartikel.
Das einmalige Gnadenbild in Kevelaer
In Kevelaer wird ein unscheinbares Heiligenbildchen verehrt, das ein Soldat von einer Wallfahrt nach Luxemburg mitbrachte und in Kevelaer (das damals, 1643, noch nicht einmal ein Dorf war) gegen ein Stück Brot eintauschte. Der Händler Hendrik Bußmann, der diesen Tausch vollzog, zögerte zunächst, denn ein Stück Brot war deutlich mehr wert als dieses Bildchen, gedruckt auf minderwertigem Papier, ohne besonderen künstlerischem Wert oder Seltenheitsanspruch. Aber auf Geheiß der Mutter Gottes gab er dann doch das Brot heraus und erhielt ein Bildchen, das zum Zentrum der Wallfahrt in Kevelaer wurde: Zum Gnadenbild.
Hinter die Dinge schauen
Damit verbindet Kevelaer etwas mit der Eucharistie, das sehr heilsam für jede Beziehung ist. Für die Beziehung zu Gott, aber auch jede Liebesbeziehung zwischen den Menschen. Denn wer einen anderen Menschen liebt, liebt letztlich dessen Seele. Natürlich mag der Körper auch eine gewisse Anziehungskraft ausüben; aber Liebe schaut schließlich hinter die sichtbare Oberfläche und entwickelt ein Gespür für die unsichtbare Wirklichkeit. Wahre Liebe wird auch manchmal als «Seelenverwandtschaft» bezeichnet. Genau darum geht es: Dass sich die Seele der Liebenden finden und verbinden.
Das kann nur der, der sich nicht vom Augenschein täuschen lässt. Das lernt jeder, der sich auf den Weg nach Kevelaer macht und nach allen Anstrengungen schließlich vor einem Gnadenbild betet, das weltlich gesehen nichts wert ist. Und doch eine Wirklichkeit vermittelt, die unbezahlbar ist.
…so auch in der Eucharistie
Das gilt auch für die Eucharistie. Die Hostie, die in jeder Eucharistie verwandelt wird, hat materiell fast keinen Wert. Von allen Materialien, die im Gottesdienst verwendet werden, ist sie der wertloseste. Jede Kerze, jede Löffel voll Weihrauch, sogar ein Schluck Wein haben materiell einen deutlich höheren Wert. Und doch erwählt sich Jesus das Zeichen des Brotes, dem sogar noch die Hefe fehlt.
Vor diesem Zeichen beugen wir die Knie; davor verbeugt sich die sichtbare und die unsichtbare Welt. Gott möchte partout verhindern, das wir denken, wir würden etwas weltlich Wertvolles verehren; er legt allergrößten Wert darauf, dass wir den Augen des Körpers nicht trauen, sondern eine geistige Wahrnehmung entwickeln, die das Unsichtbare spürt.
Glaubt mir: Wer regelmäßig in der Messfeier seine Knie beugt, sich vor der gewandelten Hostie verneigt und in dem unscheinbaren Brot Gott erkennt, der läuft niemals Gefahr, in irgendeiner Liebesbeziehung die Seele des Geliebten aus dem Blick zu verlieren. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Das Wesentliche sieht nur der, der liebt.
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