In einigen Artikeln dieser Seite haben wir uns mit manchmal fehlgeleitete Deutung von Gleichnissen beschäftigt. Allerdings müssen wir zugeben, dass die Deutung von Gleichnissen nicht immer einfach ist – dazu gehört gelegentlich Spezialwissen aus der Zeit Jesu über Bräuche und Kultur. So auch beim Gleichnis vom Hochzeitsmahl, in der ein falsch gekleideter Gast eine herber Überraschung erlebt.
Gleichnisse deuten ist nicht einfach
Bereits die Jünger zur Zeit Jesu fanden es schon schwierig, eine Gleichnisrede als solche zu erkennen (»Warum begreift ihr denn nicht, dass ich nicht von Brot gesprochen habe, als ich zu euch sagte: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer? Da verstanden sie, dass er nicht gemeint hatte, sie sollten sich vor dem Sauerteig hüten, mit dem man Brot backt, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer.« [Mt 16,11]).
Darüber hinaus ist es für uns moderne Menschen noch einmal zusätzlich schwierig, ein Gleichnis korrekt zu deuten, dass sich auf für uns unbekannte Bräuche oder landwirtschaftliche Techniken bezieht.
Das gilt zum Beispiel für die Eigenschaft von Pflanzen: Wer weiß denn schon, wie winzig das Samenkorn des Senfstrauches wirklich ist und wie ein ausgewachsener Senfbaum (bzw. -strauch) aussieht? (Mk 4,30-32) – Kennen wir die Pflanze, die mit »Unkraut« gemeint ist und die sich in ihrem frühen Stadium nicht von Weizen unterscheidet? (Mt 13,24-40)
Vor allem macht sich unser Unwissen negativ bemerkbar, wenn es sich um soziale oder kulturelle Bräuche – wie z.B. die Hochzeitsbräuche – der damaligen Zeit handelt. Sowohl für die korrekte Deutung des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen (Mt 25,1-13) als auch für das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14) wird deutlich, wie sehr wir dieses Wissen benötigen:
Das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl: Matthäus 22,1-14
Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete. Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen. Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Mein Mahl ist fertig, die Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit! Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden, wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um. Da wurde der König zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren es nicht wert (eingeladen zu werden). Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein. Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen. Als sie sich gesetzt hatten und der König eintrat, um sich die Gäste anzusehen, bemerkte er unter ihnen einen Mann, der kein Hochzeitsgewand anhatte. Er sagte zu ihm: Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen? Darauf wusste der Mann nichts zu sagen. Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen. Denn viele sind gerufen, aber nur wenige auserwählt.
Verstörende Härte – ist Gott ein Pendant?
In diesem Gleichnis verstört vor allem der Schluss: Wenn nun schon alle Gäste aus ihrem Alltag heraus zur Hochzeit geladen wurden, wie kann man dann erwarten, dass diese sich auch noch entsprechend kleideten?
Nun, für die Zuhörer Jesu war die Antwort klar, weil ihnen die jüdischen Hochzeitsbräuche bekannt waren, uns aber diese Information fehlt:
Die fehlende Information
Zu jeder Hochzeit wurden die Gewänder gestellt, die meist in einem einfachen, poncho-artigen Überwurf bestanden. Solche Hochzeitsgewänder waren oft im Dorfbesitz und standen allen Feiernden zur Verfügung; sie wurden einfach über das Alltagsgewand getragen und sorgten so für eine Aufhebung der Standesunterschiede innerhalb des Dorfes oder der Gesellschaft.
Das Nicht-tragen-Wollen eines Hochzeitsgewandes ist also ein bewusster Affront gegen das Brautpaar und nicht etwa durch die persönliche Armut zu entschuldigen. Das wird im Gleichnis noch einmal hervorgehoben, als der unpassend gekleidete Gast auf die Frage: «Mein Freund, wie konntest du hier ohne Hochzeitsgewand erscheinen?» keine Antwort wusste. Auf einem ganz einfachen Grund: Weil es dafür keine Entschuldigung gab.
Nebenbei: Hier hat auch das priesterliche Messgewand seinen Ursprung; die Kasel ist als festlicher Überwurf ein Hochzeitsgewand, das über der Alltagskleidung getragen wird. Die Messfeier ist also bereits eine Andeutung des himmlischen Hochzeitsmahles!
Gott hat schon alles vorbereitet!
Die Aussage des Gleichnisses ist also nicht, dass man sich zu Lebzeiten genügend Guthaben zusammenspart, um im Jenseits ein passendes Kleid zu erwerben, sondern dass alles, was für den Eintritt ins das himmlische Hochzeitsmahl nötig ist, von Gott geschenkt wird. Wir sollten nur bereit sein, es auch anzunehmen.
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