Angeblich – so hört man immer wieder – ist der Gehorsam in der katholischen Kirche ein innerstes Prinzip, während die protestantische Kirche als Hort der Freiheit und Selbstbestimmung gilt. Daran ist schon richtig, dass in der katholischen Kirche der Gehorsam eine wichtige Rolle spielt. Es gibt sogar verschiedene Gehorsamsstufen: vom Glaubensgehorsam über den religiösen und disziplinären Gehorsam bis zum Gehorsamsversprechen der Priester und dem Gelübde von Ordensleuten. Vor allem der Glaubensgehorsam bereitet heutigen Menschen und Theologen Bauchschmerzen, denn er gelte grundsätzlich, absolut und unbedingt. Er ist Thema dieser Katechese.
Denn ein absoluter Gehorsam scheint nicht nur im Widerspruch zur modernen Gesellschaft zu stehen, sondern wäre über alle Zeiten hinweg unvereinbar mit der Freiheit des Menschen und der Unabhängigkeit des Gewissens. Darf ein Mensch überhaupt unbedingt gehorsam sein?
Eine spannende Frage.
Dieser Artikel ist eine Kurzfassung einer längeren Katechese der Karl-Leisner-Jugend, die Du hier findest.
Der Glaubensgehorsam
Die katholische Kirche unterscheidet zwischen dem Glaubensgehorsam, dem religiösen und disziplinären Gehorsam. Der Glaubensgehorsam bezieht sich dabei auf die Offenbarung und das darin enthaltene Glaubensgut, also letztlich auf Gott selbst. Von diesem Gehorsam heißt es, dass er unbedingt gilt und absolut verpflichtet.
In der katholischen Kirche werden letztverbindliche Glaubensaussagen vom ordentlichem Lehramt verkündet, das ist entweder ein Konzil (in Einheit mit dem Papst) oder der Papst selbst – unter der Voraussetzung, dass beide in der Absicht sprechen, eine Glaubenswahrheit endgültig zu formulieren. Erst dann reden wir von einem Dogma.
Auf- und absteigende Erkenntnis
Auch wenn es uns vielleicht überrascht, ist die Anwendung von Glaubens- und religiösem Gehorsam auch in der Erkenntnis der Naturwissenschaften üblich. Natürlich wird dabei nicht von Gehorsam gesprochen (und schon gar nicht von religiösem Gehorsam), dennoch geschieht in der wissenschaftlichen Methode nichts anderes.
In jeder Wissenschaft und vor allem in der Naturwissenschaft wird als erstes die Wirklichkeit wahrgenommen und Überlegungen angestellt, wie sie wohl funktionieren könne. Daraus entstehen naturwissenschaftlichen Theorien, die dann überprüft werden, indem Experimente durchgeführt werden (oder, je nach Wissenschaftsgebiet, Beobachtungen, Erhebungen oder Analysen). Die so gewonnenen Daten bestätigen oder widerlegen die zuvor gemachten Theorien, so dass diese verfeinert oder verallgemeinert werden können.
Gehorsam den Daten gegenüber
Die Daten, die dabei erhoben werden, müssen sorgfältig geprüft werden, ebenso die Bedingungen, unter denen sie gewonnen wurden. Fehlerhafte Voraussetzungen, Verunreinigungen und Verfälschungen etc. müssen eliminiert werden. Werden dann die Daten durch verschiedene Versuchsanordnungen wiederholt bestätigt, sind diese verbindlich. Für jeden ernstzunehmenden Wissenschaftler absolut verbindlich. Das ist klingt wie Gehorsam, nicht wahr? Es ist aber schlicht Realismus.
Eigentlich ist es keiner Erwähnung wert: Ein Blick in die Realität zeigt, dass die Wirklichkeit auf eine bestimmte Art und Weise existiert – und eben nicht auf eine andere Art und Weise. Das zu entdecken beschneidet weder den Forscher, den Theoretiker noch uns alle in unserer Freiheit. Dass ein Proton nunmal positiv geladen ist oder Elefanten die einzigen Säugetiere sind, die nicht springen können, ist definitiv keine Einschränkung unsrer Freiheit (noch nicht einmal eine Einschränkung der Elefanten).
Warum ich dieses Offensichtliche erwähne? Nun, es gibt Theologen (dazu gehört zum Beispiel Magnus Striet), die meinen, wenn Gott sich offenbart und diese Offenbarung dann auch noch eindeutig erkennbar ist, hätte Gott dem Menschen die Freiheit genommen oder sie doch zumindest eingeschränkt.
Das ist natürlich Unsinn: Es mag sein, dass ein bestimmtes Klientel enttäuscht ist, dass Gott die Liebe ist. Vielleicht hätten sie lieber einen Rache-Gott. Aber ihre Freiheit, diesen Gott zu mögen oder nicht, wird dadurch nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Ich kann meine Freiheit nur dann voll entfalten und auf die Realität reagieren, wenn ich diese Realität kenne. Einen Gott, von dem ich nicht sicher weiß, wie er ist und noch nicht einmal, ob es ihn gibt, kann ich weder ablehnen noch anbeten.
Wer bereits die Realität als Einschränkung seiner Freiheit betrachtet, der hat tatsächlich ein Problem. Vielleicht hilft da ein Psychotherapeut.
Naturwissenschaftliche Erkenntnis
Die erste und aufwändigste Pflicht eines Wissenschaftlers ist die Sicherung der Daten. Aber selbst, wenn die Daten unter allen möglich Gesichtspunkten und Voraussetzungen reproduziert wurden, können diese selbstverständlich noch unterschiedlich interpretiert werden. Selbst mit eindeutigen Daten bleibt eine große Freiheit der Wissenschaft. Es gilt daher, dass absolute Gewissenhaftigkeit, Treue und unvoreingenommener Realismus bei der Gewinnung von Daten eine maximale Freiheit in der Theoriebildung erlauben.
Dieses nenne ich «aufsteigende Erkenntnis», da ausgehend von der Wahrnehmung der Wirklichkeit, die der Prüfstein jeder Theorie ist, ein Wissenschaftsgebäude errichtet wird. Ohne Rücksicht auf die Daten mag ein Gebäude zwar attraktiv, schön und wohnlich sein, es hat aber kein Fundament.
Geistige Erkenntnis
Eine absteigende Erkenntnis geht davon aus, dass es eine geistige Wirklichkeit gibt, die ich anhand von Beobachtungen durch materieller Art erkennen kann. Die Beobachtungen führe ich aber nicht auf eine aufsteigende Kausalkette mit Ursprung in den Elementarteilchen zurück, sondern gehen davon aus, dass geistige Wirklichkeiten absteigend in der beobachtbaren Realität (zum Beispiel von Mitmenschen) wirken – und als solche von uns klar erkannt werden können. Letztlich finden sich diese Spuren der Geistigkeit auch in den Dingen wieder, vor allem, wenn sie Erzeugnis von geistigen Wesen sind. Das gilt für Bücher, Partituren oder CD-Aufnahmen, Briefe, Schmuckstücke und Kleidungen bis hin zur Architektur.
Wie so viele andere Nebenthemen, die in dieser Katechese angesprochen werden, muss eine nähere Beleuchtung dieses Sachverhaltes hier leider unterbleiben. Wichtig ist für uns, dass es in beiden Methoden klare Ergebnisse gibt.
Glaubensgehorsam ist Realismus
Glaubensgehorsam in der materiellen Welt
Ein Materialist glaubt, ein Realist zu sein, worauf er stolz ist. Vermutlich ist er auch stolz darauf, einer der wenigen Realisten in einer von Fake-News über angebliche geistige Realitäten durchsetzten Welt zu sein. Er ist davon überzeugt, dass er in allem, was er als sicher und gewiss ansieht, auf Beobachtungen und Messungen verweisen kann. Das ist der Grund, auf dem er steht.
Natürlich spinnt er um diese Daten auch Theorien, von denen er (wenn er ein guter Wissenschaftler ist) zugibt, dass sie nicht ganz so sicher sind und vielleicht bald durch eine bessere Theorie ersetzt werden kann.
Auch wenn ein Materialist, der zugleich Anhänger einer bestimmten Physik ist (zum Beispiel der Super-Stringtheorie), das Wort Gehorsam nicht in den Mund nehmen würde (geschweige denn Glaubensgehorsam), ist er ganz und gar abhängig von den Daten, die Auskunft über die Realität geben. Selbst, wenn er als Stringtheoretiker bestimmte Daten erwartet, wird er sich den tatsächlichen Messungen ergeben müssen. Sonst wäre er kein Realist und kein Wissenschaftler.
Wenn jemand gesicherte Messungen leugnen würde, obwohl er keinen hinreichenden Grund für die Falschheit der Messungen angeben kann, außer dass die Daten nicht zu seiner Theorie passen -, dann würde unser lieber Materialist diesem Ignoranten den Realismus absprechen und ihn als quasi-religiösen Spinner aus der Wissenschaftsgemeinde ausschließen.
Damit wäre ich ganz und gar einverstanden.
Glaubensgehorsam in der geistigen Welt
Auch, wenn der Materialist das nicht wahrhaben will, verhält sich ein Dualist ganz genauso (ein Dualist ist jemand, der neben den materiellen Dingen dieser Welt auch den Geist als einen Bestandteil der Wirklichkeit akzeptiert). Das, was wir wahrnehmen, ist der Grund, auf dem wir stehen. Und unsere Wahrnehmungen von Geistigkeit sind sicherer, als Atheisten das allgemein glauben. Wir wissen gut, was Menschen gesagt haben, wir verstehen Gebrauchsanweisungen, Preisschilder und Verträge, Auskünfte über zu fahrende Routen; wir deuten Straßenschilder, lesen Romane, begreifen musikalische Werke und schauen wie selbstverständlich Kinofilme, in denen künstliche (geistige) Welten erschaffen werden. Wir verstehen Selbstaussagen von Menschen, die sich als «müde», «40 Jahre alt» oder «Niederländer» bezeichnen.
Mit «Wahrnehmung der geistigen Wirklichkeit» meine ich nicht nur, dass wir uns sicher sind, dass ein Mensch eine Augenbraue bewegt hat, sondern dass wir ohne großes Nachdenken ein Gesicht als „wütend“, „lachend“ oder „desinteressiert“ erkennen. Das können auch schon Säuglinge.
An die Wahrnehmung der geistigen Wirklichkeit schließt sich allerdings oft ein Rätseln an, warum oder wozu jemand so ist, wie er ist. Darin sind wir nicht nur mehr oder weniger unsicher, sondern auch oft fehlbar. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft können wir allerdings den Mitmenschen (in den meisten Fällen) um eine Auskunft bitten – und auf eine Selbstoffenbarung desjenigen hoffen, den wir zu ergründen suchen. Das kann ein Physiker nicht. Elementarteilchen reden nicht über das, was sie bewegt.
Bei der geistigen Erkenntnis, die auf der Selbstauskunft eines Menschen beruht, gibt es dagegen die Schwierigkeit, dass Menschen oft selbst nicht wissen, wie es ihnen wirklich geht, warum, weshalb und wozu sie etwas tatsächlich tun oder sagen – und was sie für tief verborgene Sehnsüchte haben.
Glaubensgehorsam in einer Offenbarungsreligion
Jetzt können wir besser verstehen, was mit Glaubensgehorsam im Kontext der christlichen Religion gemeint ist: nichts anderes als Realismus. Unter der Voraussetzung, dass Gott existiert, sich selbst offenbart und dabei weder täuscht noch getäuscht werden kann, ist Seine Offenbarung die Grundlage, auf der wir stehen. Sie ist kein Appell, der von uns Gehorsam verlangt, sondern Mitteilung der Wirklichkeit. Wie die Daten in der Physik, die wir nicht ignorieren oder verändern können, ohne uns aus der Wissenschaftsgemeinde herauszukatapultieren.
Somit würde ich den absoluten Glaubensgehorsam aus der Reihe der eingangs genannten Gehorsamsstufen herauslösen und nicht von Gehorsam, sondern Realismus sprechen. Ein Realismus darf absolut sein; ein Gehorsam sollte es nach Möglichkeit nicht.
Aber selbst ein absoluter Realismus behindert nicht die Freiheit des Menschen. Denn die Realität erwartet vom Menschen eine Zustimmung in Freiheit genauso wie eine nachgeordnete Autorität. Und jede Freiheit erfährt ihre Bedeutung erst dann, wenn sie sich frei bindet.
Keiner muss Christ sein. Da sind und bleiben wir vollkommen frei in unserer Entscheidung. Aber wer Christ ist, ist es deshalb, weil er die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus als wahr erkennt und annimmt. Eine Aussage über Gott, über sein Wesen oder seine Absicht (»Das Heil aller Menschen zu wirken») ist also keine Anweisung, der wir gehorchen müssen, sondern eine Aussage, die Realität vermittelt.
Natürlich können wir versuchen, die Selbstaussagen Gottes besser und tiefer zu verstehen. Wir können Theorien entwerfen, um in Gottes Handeln Prinzipien zu entdecken; Begriffe entwickeln, abgleichen und wieder verwerfen. Aber damit sind wir – wie der Physiker – nicht im Bereich der «Wahrnehmung der Wirklichkeit», sondern in der bunten Welt der Thesen, Hypothesen und Theorien. In der Religion nennen wir dieses Nachdenken über die Offenbarung «Theologie», und diese Welt ist tatsächlich bunt. Man schaue sich nur an den theologischen Fakultäten um – oder werfe einen Blick auf ein Bücherregal mit theologischer Fachliteratur.
Die Selbstaussagen Gottes – Seine Offenbarung – ist der Theologie aber vorgelagert. Die Theologie macht nicht die Offenbarung, genauso wenig wie eine physikalische Theorie Daten hervorbringt. Die Offenbarung ist der Grund, auf dem die Theologie aufbaut. Aufgrund der Selbstoffenbarung Gottes können wir alle überhaupt erst Christ sein.
Lasst mich diese Aussage noch etwas konkretisieren: «Der Grund, auf dem wir stehen, ist diese Selbstaussage Gottes, die Offenbarung, die bewahrt wird im Leben der Kirche (der Getauften und Gefirmten) und in den wichtigsten Punkten markiert wird durch das ordentliche Lehramt, also dem Papst (wenn er feierlich ein Dogma verkündet) oder einem Konzil (wenn es das gleiche vorhat und in Einheit mit dem Papst steht).» – Damit haben wir den Grund beschrieben, auf dem wir Katholiken stehen.
Offenbarungs-Daten erheben
Wenn also der Papst verkündet, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, dann markiert er einen Teil der Offenbarung (man sagt auch: Er verkündet ein Dogma). Das ist keine Theologie, die der Papst betreibt, sondern eine Vorgabe für die Theologie. So, wie der Ausgang eines Experimentes für eine Physiker einen Teil der physikalischen Realität markiert. Diese Realität war schon vorher da (selbstverständlich erzeugen Experimente keine Naturgesetze, sondern machen sie sichtbar!). Genauso ist das mit den Aussagen des ordentlichen Lehramtes: Es erfindet nichts, der Papst denkt sich nicht etwas aus. Das Konzil von Nicäa verkündet die Gottheit Christi, weil das wesentlicher Bestandteil der Offenbarung ist – und nicht aus politischen, theologischen oder finanziellen Gründen.
Der manchmal geäußerte Vorschlag, das Amt der Bischöfe solle durch qualifizierte Theologen begleitet werden (manchmal wird sogar von ersetzen gesprochen), ist durchaus zu vergleichen mit dem Wunsch mancher Physiker, die Erhebung von Daten soll zukünftig von Theoretikern kontrolliert werden – oder gar ganz deren Vorhersagen überlassen werden. Das würde viele Widersprüche aufheben, denn die Theoretiker wissen besser, welche Daten zu ihren Theorien passen würde. Und sie haben sehr konkrete Erwartungen. – Das wäre aber die Auflösung der Physik, ebenso wie die Ersetzung oder Kontrolle der Bischöfe durch die Theologen die Auflösung der Offenbarung wäre.
Der alte Spruch «Roma locuta, causa finita!» («Rom hat gesprochen, damit ist der Streit beendet!») wurde zwar für Fragen der Disziplin oder Absprachen zu Einheit der Kirche geprägt (zum Beispiel, wann das Osterfest gefeiert werden soll). Aber der Dienst des römischen Lehramtes an der Einheit der Kirche hat tatsächlich eine konzentriertere Aufgabe: Seine eigentliche theologische Bedeutung hat dieser Spruch in Bezug auf das Glaubensgut. Rom entscheidet nicht wie ein Politiker oder Theologe, sondern spricht lediglich aus, was zuvor schon Bestandteil der Offenbarung war.
Das wird besonders deutlich bei der ersten großen Streitfrage in der Kirche und dem abschließenden Apostelkonzil (48 n. Chr.). Die Frage, ob die Griechen (also die Nichtjuden) sich zusätzlich zur Taufe auch noch beschneiden lassen mussten (wie es bei den getauften Juden ja auch der Fall war), entzweite nicht nur die Gemeinden, sondern auch die Theologen der damaligen Zeit, darunter auch Paulus. Der Streit wurde aber weder per Abstimmung noch per politischer Praktikabilität entschieden. Es wurde auch nicht gefragt, was für die Vermehrung der Christen wohl sinnvoller wäre.
Vielmehr wurde diese Frage den Aposteln in Jerusalem vorgelegt, weil diese zwei entscheidende Voraussetzungen hatten: Sie kannten Jesus und wussten daher, was in dessen Intention gelegen hatte (was also seinem Willen entsprach). Es ging also um die Frage, was dem Wesen Gottes – Seiner Realität – gemäß ist. Der zweite Grund, weshalb die Apostel für die Klärung in Frage kamen, war der Beistand des Heiligen Geistes, der ihnen in dieser Hinsicht zugesagt worden ist.
Wobei diese beiden entscheidenden Voraussetzungen eigentlich das gleiche meinen: Der Heilige Geist lehrt ja nichts anderes, als was Jesus verkündete. Und Jesus offenbarte nichts anderes, als was Gott ist. Eine erste, beispielgebende Markierung der Realität der Offenbarung durch das Lehramt!
Damit ist auch die Aufgabe der Bischöfe (inklusive des Papstes) deutlich: Sie sind «Seher der Offenbarung» und damit «Sprecher des Evangeliums». Man könnte auch Verkünder sagen. Das ist ihre Aufgabe, die sie nicht delegieren oder abgeben können. Letztlich ist diese Aufgabe das, wozu ein Bischof Bischof ist.
Ein Beispiel: «Kein Recht, Frauen zu Priestern zu weihen»
Wenn Papst Johannes Paul II. definierte, dass «die Kirche kein Recht hat, Frauen zu Priestern zu weihen», dann ist das keine Anordnung, der man Gehorsam schulden könnte, sondern eine Aussage über die Realität der Offenbarung. Diese Markierung der Offenbarung kann man ignorieren, genauso wie ein Physiker ein Experiment und dessen klaren Ausgang ignorieren kann. Aber dann ist man eben nicht mehr Teil der Realisten, sondern erliegt dem eigenen Wunschdenken.
Die Aussage der Vertreter der Forderung der Frauenweihe erklären zwar, dass nicht die Spendung der Priesterweihe an Frauen begründungspflichtig ist, sondern deren Verbot. Sie verkennen allerdings, dass die unfehlbare Aussage des Papstes in dieser Frage keine begründungspflichtige Anordnung ist, sondern eine Aussage des ordentlichen Lehramtes. Das ordentliche Lehramt liefert aber nur Informationen über die geistige Wirklichkeit der Offenbarung, genauso wie ein naturwissenschaftliches Experiment oder eine Beobachtung Informationen über die materielle Wirklichkeit liefert. Kein Biologe verlangt von einem Forscher, der beobachtet, dass Koalabären außer Eukalyptussprossen keine andere Nahrung zu sich nehmen, dass er dieses unglaubliche Verhalten gefälligst erklären müsse. Selbst, wenn der Forscher nicht weiß, warum ein Koala das tut, weiß er, was er beobachtet hat.
Besonders skurril ist der Hinweis einiger Kritiker dieser Markierung, sie seien durch diese Festlegung der Kirche nicht überzeugt. Dabei hat das Lehramt gar keinen theologischen oder biblischen Argumentationsgang vorgelegt. Die Festlegung durch Johannes Paul II. ist kein logischer Schluss aus einer vorangegangenen Gedankenkette, sondern eine Markierung der Offenbarung, aus der man dann anschließend theologische Schlüsse ziehen kann. Der Papst wollte damit niemanden überzeugen, sondern lediglich die Wirklichkeit unterstreichen.
Wie kommt der Papst zu dieser Erkenntnis? Vor allem im Schauen auf die Offenbarung, die sich aber nicht allein in der Bibel findet, sondern im Leben der ganzen Kirche. Das heißt, sowohl der Schrift, der Kirchenväter, der Heiligen und Theologen durch alle Zeit hindurch, als auch im Blick auf die gesamte Weltkirche in ihren unterschiedlichsten Zuwendungen in den verschiedenen Kulturen, gesellschaftlichen Schichten und Spiritualitäten. Es ist ein Schauen, geleitet durch den Heiligen Geist. Kein Schlussfolgern – zumindest nicht nur.
Denn natürlich gibt es auch theologische Gründe, biblische Hinweise und spirituelle Ausdeutungen des Priestertums und der Theologie der Geschlechter, die eine solche Dogmatisierung erhellen. Es ist aber nicht entscheidend, wie schlüssig sie erscheinen. Mit der dogmatisch-festlegenden Formulierung, die Kirche habe das Recht zur Weihe von Frauen zu Priestern nicht, ist eine Tatsache markiert worden.
So mögen auch naturwissenschaftliche Versuchsergebnisse durch die Geschichte der Wissenschaft nahe liegen, gute Gründe für ein bestimmtes Ergebnis sprechen und frühere Versuche in eine bestimmte Richtung deuten – in dem Augenblick, in dem die neuesten Daten gesichert vorliegen, ist es egal, wie schlüssig die Theorien waren. Die Daten sprechen jetzt für sich.
Niemand ist dazu verpflichtet, der Wirklichkeit Folge zu leisten. Jeder kann gerne ein Träumer, Phantast, Märchenerzähler oder Prophet in eigener Sache sein. Wer aber nach der Realität fragt – der Wirklichkeit und Wahrheit -, der wird dankbar auf jede Markierung durch das Lehramt der Kirche schauen.
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