Was eine christliche Ehe ausmacht, lässt sich relativ präszise in den vier Wesenseigenschaften der Ehe darstellen. Diese Eigenschaften sind Bestandteil des Eheversprechens, dass sich die Eheleute geben.
Dem voraus liegen allerdings notwendige Voraussetzungen, die nicht versprochen werden, sondern erfüllt sein müssen. Und wiederum sind es ziemlich genau vier:
Freiheit – Ehrlichkeit – Vorbehaltlosigkeit – Reife
Wir sind schnell versucht, diese vier notwendigen Voraussetzungen kurz zu überprüfen – und dann nickend abzuhaken. Frei..? Klar, keiner zwingt uns. Ehrlich sind wir sowieso und alt genug auch…
In den praktischen Vorbemerkungen zur Ehe haben wir die rechtliche Seite dieser notwendigen Voraussetzungen beleuchtet, aber darin erschöpft sich eine Ehe nicht – sie ist immer mehr als eine Rechtsform. Das gilt auch für die Freiheit, die Ehrlichkeit, die Vorbehaltlosigkeit und die Reife: Damit sind Anforderungen umschrieben, die jeden Tag einen neuen Ansporn zur Heiligkeit der Ehe geben.
Freiheit
Dass eine Ehe nicht unter Zwang geschlossen werden darf, erscheint uns als eine Selbstverständlichkeit – und deshalb sehen wir auch mit einem inneren Grausen auf die Ehe der Vergangenheit, die von Königen und Adeligen aus politischen Gründen geschlossen oder von Eltern für ihre Kinder arrangiert wurden.
Eine solche Bestimmung steht im Gegensatz zu sogenannten Zwangs-Ehen, bei denen äußerer Zwang ausgeübt wird – und auch im Gegensatz zu reinen Vernunft-Ehen, zumindest solchen, bei denen sich Ehepartner selbst unter einen inneren Zwang stellen. Die Freiwilligkeit der Eheschließung war immer Bestandteil der katholischen Ehe-Auffassung, auch wenn es in der Kirchen- und der Weltgeschichte gerade unter Adeligen und Königshäusern die politisch motivierten Ehen gegeben hat. Wie zu Anfang schon gesagt: Es ist eine Sache, ein Ideal zu haben – und eine ganz andere Sache, sich auch daran zu halten.
Das heißt aber nicht, dass jede arrangierte Ehe ins Unglück führen musste; auch in vielen aus Vernunftgründen geschlossenen Ehen haben sich die Eheleute lieben gelernt. Zwar sollten wir – auch bei arrangierten Ehen in anderen (z.B. türkischen oder indischen) Kulturkreisen – darauf hinwirken, dass die Eheleute das letzte Wort haben – und dieses möglichst frei und selbstbestimmt gesprochen werden sollte.
Aber sind wir wirklich freier, wenn wir eine Ehe schließen, deren Ehepartner wir uns selbst gewählt haben? Manchmal haben wir uns selbst unter einen viel größeren Druck gestellt: Die Ehe muss glücklich sein, der Ehepartner repräsentativ, die Eheschließung standesgemäß. Die bekannte Torschlusspanik (wenn ich den nicht heirate, krieg ich keinen mehr ab…!) schränkt unsere Freiheit genauso ein wie eine falsche Rücksichtnahme (ich kann sie jetzt nicht mehr zurückweisen – das würde sie nicht verkraften). Aber auch die Festlegung des Zeitpunkts der Eheschließung nur aufgrund der Überlegung, wann sich ein Brautpaar die teuren Feierlichkeiten leisten kann, ist ein Zeichen von Unfreiheit.
Eine junge Frau erzählte mir, die klassischen ersten drei Kriterien einer Frau für die Wahl des richtigen Ehepartner seien: „Wie wirke ich an seiner Seite?“ – „Passt mein Vorname zu seinem Nachnamen?“ – „Wie werden unsere Kinder aussehen?“ – Alles natürlich Nebensächlichkeiten. Aber wer kann sich wirklich von diesen oder ähnlichen Gedanken freisprechen? Wieviele jungen Leute schließen kategorisch aus, eine Beziehung einzugehen, in der der Mann kleiner ist als die Frau…!
In Wirklichkeit ist die notwendige Freiheit immer bedroht (vor allem durch das Abfinden mit den sogenannten „Sachzwängen“ und der schleichenden Alltags-Routine – und nicht erst bei arrangierten Ehen oder Vätern, die mit geladenem Revolver hinter den Brautleuten stehen) und muss sich neu erkämpft oder zumindest bewahrt werden. Vor der Ehe gilt es, sich zwar mit äußeren Rahmenbedingungen (die Auswahl der in Frage kommende Männer und Frauen ist naturgemäß begrenzt) zu arrangieren, dabei aber die innere Freiheit nicht zu verlieren – und Verstand und Herz nicht zu verwechseln.
Nach der Eheschließung sind wir aber immer noch gefordert, unseren Ehepartner nicht nur „gezwungenermaßen“ an unserer Seite zu akzeptieren, sondern unser Herz immer wieder dahin zu bewegen, das Versprechen „Ich will Dich lieben alle Tage meines Leben“ einzulösen.
Bedingungslosigkeit
Eine Ehe darf zudem nicht bedingungsweise geschlossen werden; weder eine Bedingung, die in der Zukunft liegt („Ich heirate Dich nur, wenn Du nicht so wirst, wie Deine Mutter“); noch eine Bedingung, die in der Vergangenheit liegt („Ich heirate Dich nur, wenn Du wirklich der Hoferbe bist…“). Aber diese Bedingungslosigkeit schleicht sich – genauso wie die innere Freiheit – im Laufe eines Ehealltags ebenfalls gerne davon… „Wenn Du nicht lernst, Deine Socken wegzuräumen, wird das nichts mit uns!“ – „Wenn Du nicht endlich lernst, Deine Geld unter Kontrolle zu halten, bin ich weg…“ und so weiter…
Bedingungslos zu heiraten ist genauso eine Herausforderung, wie bedingungslos zu lieben. Das zeigt auch folgendes Gedankenspiel:
Sie: „Würdest Du mich auch lieben, wenn ich eine andere Haarfarbe hätte?“
Er: „Klar, ich würde Dich auch dann lieben.“
Sie: „Würdest Du mich auch lieben, wenn ich älter bin, eine andere Figur habe und meine Haut runzlig ist?“
Er. „Ja, auch dann würde ich Dich lieben.“
Sie: „Würdest Du mich auch dann lieben, wenn eine andere Sprache sprechen würde, aus einem anderen Land käme und ein anderes Temperament habe?“
Er: „Ja, ich würde Dich auch dann wirklich lieben.“
Sie: „Würdest Du mich auch lieben, wenn ich einen anderen Charakter hätte und andere Vorlieben?“
Er: „Ja, sogar dann noch würde ich Dich lieben.“
Sie: „Dann liebst Du mich nicht.“
Denn wir lieben eine konkrete Person und natürlich auch die Eigenschaften an ihr. Wenn sich diese Eigenschaften alle (!) ändern – dann ist es auch nicht mehr die eine, konkrete Person. Wenn es mir egal ist, welche Eigenschaften mein Geliebter hat, dann liebe ich ihn auch nicht.
Bedingungslose Liebe kann gar nicht bedeuten, jemanden mit jeder erdenklichen Eigenschaft zu lieben – aber auch nicht, jemanden nur aufgrund von wenigen Eigenschaften zu lieben. Wenn Liebe aufgekündigt wird, weil sich eine Person im Laufe der Zeit ändert, dann hat es wohl an Bedingungslosigkeit gefehlt.
So bleibt auch diese «notwendige Voraussetzung» eine Herausforderung: Die Balance zu halten, sich der ganz konkreten Person mit ihren ganz konkreten Eigenschaften zu versprechen – und dem Partner in Liebe zugetan bleiben, wenn sich im Laufe der Zeit eine nach der anderen Eigenschaft ändert.
Ehrlichkeit
„Versprechen Sie, den Partner über alle Umstände zu informieren, die geeignet sind, das eheliche Leben schwer zu stören?“ – Mal wieder juristisches Denken und juristische Sprache… Und hier liegt es auf der Hand, dass die Ehrlichkeit nicht auf den Augenblick der Eheschließung beschränkt bleiben kann. Wobei niemand verpflichtet ist, dem Ehepartner wirklich ALLES zu sagen – auf eine solche absolute Offenheit hat kein Mensch ein Recht – sondern nur Gott.
Gefordert ist die Ehrlichkeit in Bezug auf all das, was „geeignet ist, das eheliche Leben schwer zu stören.“ Und – wenn es eben geht – auch darüber hinaus in Bezug auf alles, was das eheliche Leben betrifft. Wo genau die Grenze gezogen werden muss zwischen „Liebling, ich muss Dir etwas sagen…“ und „Ach, damit will ich sie (ihn) lieber nicht belasten.“, bleibt in der Verantwortung des Einzelnen – und wiederum eine lebenslange Herausforderung. Nur drei Tips an dieser Stelle:
- Jede Ehe muss es aushalten, dass der Ehepartner Geheimnisse hat oder nicht über alles Reden will. Aber das darf niemals durch Unehrlichkeit oder Lügen kaschiert werden. – Schweigen? Ja, das muss erlaubt sein. Lügen? Nein, niemals. Also, zum Beispiel: Falls es eine bisher noch nicht erwähnte Jugendliebe gegeben hat, und der Ehepartner danach fragt, darf man antworten: „Darüber möchte ich lieber nicht reden“. Das mag für den in der Unwissenheit verbleibenden Partner nicht einfach sein – aber er sollte das respektieren. Wer dagegen lügt und sagt: „Nein, da war nichts“ beruhigt momentan zwar die Beziehung zum Partner, zerstört sie aber von innen her. Lügen sind ein Gift, das immer wirkt – wenn auch manchmal erst nach Jahren.
- Im Zweifelsfall ist Offenheit die bessere Wahl.
- Stelle den Frieden nicht über die Wahrheit
Das Mindestalter – oder: Reife
Klar, wenn man ein wenig darüber nachdenkt, geht es nicht um das Alter. Die Anzahl der Jahre, die ein Mensch hier auf der Erde verbracht hat, ist nicht immer aussagekräftig über seine Fähigkeit, eine Ehe einzugehen. Durch die Festlegung eines Mindestalters soll verhindert werden, dass Menschen im Zustand der „Unreife“ heiraten.
In Deutschland ist das staatliche Mindestalter 18 – jedoch kann in Ausnahmefällen einer der beiden Ehepartner auch minderjährig sein – jedoch mindestens 16 Jahre. Für die kirchliche Eheschließung gilt, dass der Mann mindestens 16 und die Frau mindestens 14 Jahre alt sein muss – es sei denn, der Staat schreibt, wie in Deutschland, ein höheres Mindestalter vor.
Dabei ist umgekehrt die Erreichung des Mindestalters noch keine Garantie für die erforderliche Reife. Viele Ehen werden in kirchlichen Prozessen annulliert, weil einer der beiden Brautleute nachweislich nicht die erforderliche Reife für eine Ehe oder die Eheentscheidung hatte…
Aber wann sind wir wirklich „reif“ für die Ehe? Wenn wir alle Erfahrungen gemacht haben – alle möglichen Ehepartner begutachtet und alle Krisen überstanden haben? Letztlich bleibt jede Ehe ein Wagnis, dass zwar abgewogen werden sollte. aber immer vertrauensvoll angegangen werden muss.
- Vertrauen auf die Dir eigenen Kräfte: Du wirst es schaffen! Du wirst Krisen meistern; Du wirst verzeihen und neu anfangen; Du wirst auch dann noch lieben, wo andere aufgegeben haben.
- Vertrauen zum Ehepartner: Er ist gut; er ist liebenswert! Er ist in der Lage, sein Versprechen zu halten und darüber hinaus zu wachsen.
- Vertrauen auf Gott: Er wird Euch dann tragen, wenn Eure Kräfte nicht mehr reichen. Er ist der treue Gott und der Gott Eurer Liebe. Er will nichts anderes, als Euer Glück.
Schließlich bleibt auch hier die Frage nach der nötigen Reife ein Mittelweg zwischen „gut überlegt“ und „voller Vertrauen“.
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