Viele Menschen – einigen davon bin ich schon persönlich begegnet – halten die eheliche Gemeinschaft nur für ein Produkt der Evolution; die Ehe diene der Aufzucht von Nachkommenschaft und der Erhaltung der Art. Dass der Hochzeit eine Zeit der Auswahl und der Werbung vorangehe, stelle nur sicher, dass von den „egoistischen Genen“ nur die zur Vermehrung zugelassen werden, die attraktiv verpackt sind; nicht umsonst weisen die Vertreter dieser Ansicht darauf hin, dass wir meistens das als „schön“ empfinden, was auf Wohlstand, Reichtum, körperliche Gesundheit und Gebärfreudigkeit hinweist…
Viele Ähnlichkeiten zwischen menschlichem und tierischen Verhalten bei der Brunft, der Paarung, der Brut und der Aufzucht von Nachkommen illustrieren diese Ansicht: Der Mensch sei nichts anders als ein Produkt der Evolution und eine gute „Gen-Reproduktions-Maschine“.
Das ist zwar materialistisch – aber natürlich auch korrekt. Teilweise.
Eheleute lassen uns den Himmel spüren
Wer die Welt, die Menschen und die Liebe materialistisch sieht, hat tatsächlich recht. In einer bestimmten Hinsicht. Wir sind ja auch aus Materie gebaut und haben eine nicht zu unterschätzende materielle Komponente in uns. Aber wir sind – im Gegensatz zu den Tieren – nicht nur Materie, sondern haben auch Geist. Dieser Geist in uns macht uns Gott-fähig – und gleichzeitig Liebe-fähig.
Aber der Geist ist in uns geschwächt und manchmal nicht ausreichend in der Lage, sich über die materiellen Gesetzlichkeiten zu erheben und sie gleichzeitig zu gestalten. Wir verlieren immer wieder den Kontakt Verbindung zu Gott – und unsere Fähigkeit, wahrhaft zu lieben.
Deshalb gibt es die Sakramente im allgemeinen, und deshalb gibt es das Sakrament der Ehe im Speziellen: Mit Gottes Hilfe, mit Seiner Gnade knüpft Gott nicht nur eine Beziehung zu unserer gebrochenen Existenz, sondern stärkt, heilt und erhebt uns. Die Liebe Gottes – vermittelt durch den Ehepartner – gibt uns die Kraft, uns aufzuschwingen – und zu geistigen und liebenden Höhenflügen zu gelangen, die sich ein Evolutionist niemals erklären kann. Das Wichtigste dabei ist, uns zu gott-ähnlicher Liebe zu führen.
Mann und Frau – und Frau und Mann – reichen an die Gottheit ‚ran
In der Schöpfungsgeschichte heißt es: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich… Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1, 26f) Nicht der Mann ist das Abbild Gottes (und auch nicht die Frau) – sondern erst als Mann und Frau sind beide IHM ähnlich. In ihrer unbedingten Liebe und Sorge füreinander werden die Menschen wie Gott sie haben wollte.
Es mag für viele Menschen enttäuschend sein, dass Gott sich ihnen nicht in Glanz und Glorie offenbart und sie durch seine überwältigende Erscheinung zum Glauben führt. Aber Gott hat einen anderen Weg gewählt: Er nimmt uns Menschen in den Dienst; auch in den Dienst, IHN selbst zu erfahren. Dieses „in-Dienst-nehmen“ geschieht für alle Menschen in der Taufe, in der wir zum „Allgemeinen Priestertum“ berufen und befähigt werden.
Aber wir können uns in diesem Dienst selbst überbieten; indem wir beschließen, zum Realsymbol für die Liebe Gottes zu werden. Indem wir Priester werden – oder heiraten. Im Gegensatz zu den Eingangssakramenten stärken diese beiden „Standessakramente“ nicht nur die persönliche Gottesbeziehung der Empfänger, sondern versetzen diese vor allem in die Lage, andere zu stärken. Wie der Priester (aus Liebe zu den Menschen) bemüht ist, seiner Gemeinde in den Himmel zu helfen, nehmen die Eheleute genau diesen Dienst – wiederum aus Liebe – füreinander an.
Die „Standessakramente“ verleihen die dazu nötige Gnade. Durch diese Sakramente sind Priester und Eheleute nun „im Stande“, einander die Liebe Gottes zu schenken.
Ehe und Priestertum
Die Ehe und das Priestertum sind also nicht zwei entgegengesetzte Berufungen, wie mancher glaubt, der sich zwischen beiden entscheiden muss. Beide sind überraschend identisch: In beiden Berufungen geht es um eine Liebesbeziehung, die dem Geliebten den Himmel schenken will. Nur ist in der Ehe der (oder die) Geliebte eine einzelne Person – während der Priester sich wie Jesus Christus der „göttlichen Braut“, also der Kirche vermählt – die nunmal aus vielen Personen besteht. (Aber dieser Unterschied ist geringer, als man glaubt; eine Gemeinde zu lieben ist genauso eine Herausforderung mit Höhen und Tiefen, wie die Liebe zum immer auch unvollkommenen Ehepartner).
Daher erklärt sich auch der Zölibat des Priesters, der seinen Leib in den Dienst der göttlichen Liebesvermittlung an die Gemeinde stellt (in Segen, Predigt, Gottesdienst und Sakramentenspendung), während der Verheiratete seinen Leib ebenfalls hingibt – aber zur Vermittlung der Liebe an den einen, geliebten und liebesbedürftigen Ehepartner.
Ehe und Beichte – Ehe und Kommunion
„Liebe geht durch den Magen“ heißt es; aber was, wenn das Essen nicht schmeckt…? Die Größe der Liebe zeigt sich vor allem im Verzeihen; vor allem darin, den Geliebten auch in seinen Lieblosigkeiten anzunehmen; aber auch in der Bereitschaft, die eigenen Defizite mit der Hilfe des liebenden Partners aufzufüllen und – darauf vertrauend – einen Neubeginn zu versuchen… nicht nur einmal, immer wieder.
Darin zeigt sich, dass das Leben des „Christen im Allgemeinen“ nicht sonderlich unterscheidet vom Leben als „Verheirateter im Besonderen“.
Vielleicht übt sich der eine in der Beichte auf dieses „Wachsen durch Vergebung“ ein, um dann Reue und Vergebung in der Ehe leben zu können. Vielleicht geht der Weg aber auch über die wunderbare Erfahrung in der Ehe („Sie hat mir verziehen! Ich fasse es nicht!“) hin zur Beichte („Dann wird auch Gott mir verzeihen!“).
Warum Sex heilig ist
Das Gleiche gilt – manche mögen über diese Paralelle den Kopf schütteln – für das „Eins-werden-miteinander“ in der Ehe und das „Eins-werden-mit-Gott“ in der Kommunion. Wobei ich hier im ehelichen Eins-werden nicht nur die körperlich-sexuelle Komponente meine. Vielmehr werden Eheleute auch in einer viel tieferen Weise „ein Fleisch“, indem sie Regungen und Befindlichkeiten des anderen schon spüren, ehe sie geäußert werden; indem Abstimmung und Übereinkunft zustande kommt, die keiner Worte mehr bedarf; indem man sich „blind versteht“. Nichts anderes soll auch durch die Feier der Eucharistie und durch die Kommunion mit Gott geschehen: Ein Verstehen, das alles Erklären übersteigt.
Nicht umsonst legt die Kirche großen Wert darauf, dass nach Möglichkeit jede Eheschließung im Zusammenhang mit einer Eucharistiefeier geschlossen wird. Vielleicht ist die gelebte Ehe nur möglich durch die gefeierte Eucharistie – und jedes Fest der ehelichen Liebe gelebte Kommunion?
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