Auf dem Synodalen Weg hat ein Pfarrer aus dem Bistum Münster auf die unglücklichen Priester verwiesen: „Ich kenne Priester, die sind in ihrer Einsamkeit verkümmert. Sie sind Priester geblieben, aber als unglückliche Menschen. Ich kenne Priester, die einen bestimmten Bereich abspalten und etwas heimlich leben, wozu sie nicht öffentlich stehen wollen… Ich erlebe, dass das ein sehr breites Spektrum ist, und denke, dass tatsächlich die Berufung zum Priestertum und die Berufung zum Zölibat zwei sauber zu unterscheidende Sachen sind.“ (Pfr. Meinolf Winzeler)

Ist es nicht korrekt, dass die Berufung zum Priester und die Berufung zum Zölibat zwei ganz unterschiedliche Dinge sind?!

Priesteramt und Zölibat sind sehr wohl zu unterscheiden – aber nicht zu trennen

So, wie es Priester gibt, die in Ihrer Berufung verkümmern und psychische Auffälligkeiten entwickeln, gibt es auch Eheleute, die in Ihrer Ehe unglücklich werden, eine Einsamkeit zu Zweit entwickeln und psychische Probleme bekommen. Das auslösende Umfeld kann aber auch der Arbeitsplatz, die Schule, das Milieu sein.

Der Schluss «Berufung zum Priestertum und Berufung zum Zölibat sind zu unterscheiden»  folgt zwar nicht aus dieser Erkenntnis, ist aber dennoch sinnvoll.

So ist es kirchliche Tradition, Priesteramtskandidaten aus denen zu berufen, die auch eine Berufung zum Zölibat verspüren.

Einzelschicksale und Gruppen von Personen

Aus Einzelschicksalen auf eine ganze Personengruppe zu schließen, ist selten logisch korrekt und führt oft zu Diskriminierungen (so sind die Muslime keineswegs alle islamistisch, ebensowenig unterdrücken alle Araber ihre Frauen oder neigen bildungsferne Schichten zum Drogenkonsum), vor allem, wenn daraus eine Kausalität konstruiert wird («Personen sind islamistisch, weil sie Muslime sind», «Männer unterdrücken Frauen, weil sie Araber sind», «Menschen sind drogenabhängig, weil sie zuwenig Bildung besitzen», «Priester sind einsam, weil sie zölibatär leben»).

Führt Zölibat zur Einsamkeit?

Nun führt es hier nicht weiter, Einzelschicksale von einsamen Priestern mit Gegenbeispielen zu kontrastieren, in denen glückliche Priesterberufung und deren erfülltes Leben dargestellt wird. Vielmehr muss der unterstellte Mechanismus «Zölibat führt zur Einsamkeit» betrachtet werden. Warum werden Menschen einsam? – Sicherlich nicht allein aufgrund ihres Beziehungsstatus; vielmehr spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle (Beziehungsfähigkeit, Resilienz, sozialer Support, Wohnsituation, familiäre Einbindung, gesellschaftliche Akzeptanz, psychische und physische Gesundheit, Alter).

Viele Menschen haben eine Berufung zur Ehelosigkeit – auch ohne Priesteramt!

Der Aufforderung, die Berufung zum Priestertum von der Berufung zum Zölibat zu unterscheiden, ist allerdings zuzustimmen. Die Berufung zur Ehelosigkeit ist keineswegs an die Berufung zum Priesteramt gekoppelt: Zahlreiche zölibatär lebende Christen in Männer- und Frauenklöstern, als Einsiedler, in sozialen Berufen, als Missionare, Katecheten oder in der räumlichen Nähe zu Familien, die sie unterstützen, finden auch ohne das Priesteramt eine Erfüllung in ihrer Ehelosigkeit. Immer ist eine gewählte Ehelosigkeit aber einem Ziel zugeordnet: Dem Dienst an den Menschen, der Hingabe an Gott, der Widmung einer Berufung.

Gerade, weil die Berufung zur Ehelosigkeit eine reelle Option für weitaus mehr Menschen ist, als allgemein angenommen wird, ist es eine schöne Geste, diesen Menschen ein Ziel anzubieten, um dessentwillen sie die Ehelosigkeit leben können: Zum Beispiel den Dienst des Priesters an der Gemeinde. Dadurch kann die offene Berufung zum Zölibat in einer ausgerichtete Berufung zum priesterlichen Amt eingegossen werden.

Woher kommt dann die Einsamkeit?

Erst, wenn diese Offenheit für die Ehelosigkeit nicht ihre Erfüllung in einem lohnenswertem Ziel der Hingabe (im Dienst an den Menschen oder an Gott) findet, ergibt sich Einsamkeit als systemische Konsequenz. Das geschieht zum Beispiel, wenn die priesterliche Aufgabe , Christus als Bräutigam in der Gemeinde zu repräsentieren, auf eine soziale Funktion reduziert wird, für die die Ehelosigkeit weder erforderlich noch förderlich ist.

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