Schon bei der Frage – »Was unterscheidet den Menschen eigentlich vom Tier?« – kommen wir nach gründlichem Nachdenken nicht darum herum, neben dem Körper des Menschen noch ein geistiges Prinzip anzunehmen. Denn alle unsere körperlichen Merkmale unterscheiden uns von den Tieren nur insoweit, als sich auch einzelne Tierarten voneinander unterscheiden. Rein biologisch gesehen sind wir nicht mehr als nur eine unter unzähligen anderen Säugetier-Gattungen. Selbst wenn wir annehmen, dass wir intelligenter oder anpassungsfähiger sind als alle anderen Tierarten und sich dadurch erst unsere Kultur und Gesellschaftsform entwickeln konnte, lässt sich daraus nicht einmal annähernd so etwas wie eine »Würde« des Menschen ableiten. Außerdem sind wir gar nicht einmal soviel intelligenter; bestimmte andere Tierarten (wie z.B. der Buckelwal) übertreffen uns in speziellen Intelligenzleistungen allemal.
Nein, der grundsätzliche Unterschied zum Tier kann nicht in dem liegen, was wir biologischerseits hervorbringen, leisten oder an Fertigkeiten besitzen. Vielmehr muss der Mensch eine Eigentümlichkeit haben, die ihn dazu in die Lage versetzt, Moral zu erkennen (bis hin zum Jurastudium), Sprache zu entwickeln (bis hin zum Shakespearschen Drama) und Technik anzuwenden (wie zum Beispiel ein Handy oder eine Raumstation). Und diese Eigentümlichkeit ist nicht materieller Art.
Wenn aus der Offensichtlichkeit, dass der Mensch dem Tier zumeist überlegen ist (und in diesem Sinne ist die rein evolutionäre Intelligenz ja auch eine körperliche Eigenschaft), schon folgen würde, dass der Mensch deshalb auch Tiere töten darf, dann wäre das die pure Anwendung des »Gesetzes des Stärkeren« (für Freunde von unverständlichen Fremdwörtern: auch Trasymachisches Gesetz). Die Frage von Tierschützern, Vegetariern und Veganerinnen, warum der Mensch unter seinesgleichen die Anwendung des Gesetzes des Stärkeren als Verbrechen, Tieren gegenüber als hingegen rational vertretbares Prinzip ansieht, ist berechtigt. »Woher nimmt sich der Mensch die Arroganz, sich so über die Tiere zu erheben? Mit welchem Recht tut er dies?«
Einer meiner Schüler bemerkte konsequenterweise: Wenn die jeweils größere Intelligenz ausreiche, um Macht und Gewalt zu rechtfertigen, dann wäre es ja auch berechtigt, wenn Aliens, die nunmal deutlich intelligenter als wir Menschen seien, uns wie Tiere behandeln, töten und gegebenenfalls verspeisen würden.
Natürlich können wir (wie es zum Beispiel Peter Singer tut) auf das Vorhandensein bestimmter Merkmale schauen: Tiere haben zwar Pläne (zum Bau eines Nestes), aber keine Hoffnungen und Zukunftsträume, die wir durch einen Tod zerstören. Oberstes Prinzip der Moral sei die Leidfreiheit und somit auch das Respektieren von Zukunftsfähigkeit. Einem Menschen können wir seine Zukunft rauben – einer Ameise nicht, weil sie gar keine Vorstellung von Zukunft hat.
Das bedeutet allerdings auch, dass wir mit dieser Begründung nicht nur Embryonen, sondern auch Neugeborene, Komapatienten, geistig mehrfach Schwerbehinderte und demente Personen auf eine Stufe mit Tieren stellen müssten – ein Problem, das Peter Singer zwar nicht übersieht, aber aus christlicher Sicht wenig akzeptabel löst.
Dieser anthropologischen Sicht und der daraus folgenden Moral (die im allgemeinen «Präferenz-Utilitarismus» genannt wird) können wir nur darum eine schlüssige Antwort geben, wenn wir eine nicht-materiellen Komponente – die Seele – als das unterscheidende Wesensmerkmal annehmen. Wichtig: Wir erfinden die Seele nicht, um unser (scheinbar bestialisches) Verhalten den Tieren gegenüber zu rechtfertigen; vielmehr fragen wir nach dem Grund, weshalb der Mensch in der Lage ist, über sich selbst hinaus zu denken und auch moralisches Leid zu empfinden. Letztlich ist die Behauptung, der Mensch sei mehr als nur eine körperliche Existenz, keine bloße Vermutung, sondern eine offensichtliche Erkenntnis.
Weitere Artikel zum christlichen Menschenbild
- Warum wurde Jesus – als er Mensch wurde – ein Mann?
- Der Leib im katholischen Menschenbild
- Was ist das: Seele?
- Die Seele des Menschen – eine Denknotwendigkeit
- Die menschliche Leib-Seele-Einheit: Wer kommt denn auf sowas?!
- Das christliche Menschenbild – Was ist das?
- Haben Tiere eine Seele?
- Das Leben nach dem Tod
Weitere Artikel zur katholischen Glaubenswelt
- Aufsteigender und absteigender Segen:
Den Kern der neuen Regelung verstehen - Freiheit vs. Gehorsam: Wie erkenne ich selbst und frei, was wahr und wirklich ist?
- Wie kann es sein, dass Ostern den Tod überwunden hat? Es sterben doch immer noch Menschen!
- Fides quae und fides qua – zwei ganz verschiedene Begriffe von Glauben
- «Ist die Idealisierung des Priesteramtes nicht eine Überforderung für alle Priester?»
- «Es gibt soviele Priester, die verkümmern. Das muss aufhören!» – Zölibat und Priesteramt
- Muss die «Priesterliche Lebensform» sowohl in Bezug auf Männer als auch auf Frauen gedacht werden?
- Die Realität des Unsichtbaren verändert alles
- Das Unsichtbare gibt es in echt!
- Die Schutzengel
- Wieviele Engel gibt es?
- Was wir so alles über Engel wissen
- Was für Aufgaben haben die Engel?
- Der Glaube an Engel – Pro und Contra
- Darf man Maria anbeten? Die Katholiken tun das!
- Maria im Leben der Kirche: ihre Feste und Gebete
- Maria – Miterlöserin?
- Die Himmelfahrt Mariens – Das Dogma der Leibverliebtheit
- Maria, die unbefleckt Empfangene – Das große Missverständnis
- Maria – Mutter und «Jungfrau»?!
- Hat Maria als Mädchen ein Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt?
- Maria in der Bibel: Was wir über die Mutter Jesu wissen
- Maria – die Prophetin für unsere Zeit
- Warum erscheint Maria?
Weitere Artikel zum Glauben
- Bibelstellen richtig verstehen:
Die Rückkehr der unreinen Geister (Mt 12,43-45) - Aufsteigender und absteigender Segen:
Den Kern der neuen Regelung verstehen - Klarstellung
zur Erklärung »Fiducia supplicans« - Ist «das Blut Christi trinken» nicht ein Widerspruch zum Blutverbot der Juden?
- Die Erzählung vom Abreißen der Ähren (Mt 12,1-8) richtig verstehen
- Wann wurde Jesus geboren?
- Fides quae und fides qua – zwei ganz verschiedene Begriffe von Glauben
- Gleichnisse deuten: Die klugen und törichten Jungfrauen – Mt 25,1-13
- Gleichnisse deuten: Das fehlende Hochzeitsgewand – Mt 22,1-14
- Der Mensch ist ein Schatz! – Das Gleichnis vom «Schatz im Acker und der Perle» ist kein moralischer Aufruf, sondern großartiger Zuspruch – Mt 13,44-46
- Verdrehte Auslegung: «Der barmherzige Samariter» – Lk 10,25-37
- Das verkehrte Pfingsten – oder: Wohin der Heilige Geist wirklich führt
- Wen meinen wir, wenn wir das «Vaterunser» beten?
- Was heißt «Geheiligt werde dein Name» im Vaterunser?
- Was meinen wir mit «Dein Reich komme, dein Wille geschehe» im Vaterunser?
- Die Bitte um das tägliche Brot im Vaterunser – eine Fehlübersetzung?
- Vergib uns unsere Schuld: Die fünfte Vaterunser-Bitte
- Führt Gott in Versuchung? – Die schwierigste Bitte im Vaterunser
- Wie endet das Vaterunser? – Vom Bösen, dem Embolismus und der Doxologie
- Warum wurde Jesus – als er Mensch wurde – ein Mann?
- Die Rolle der Frau Sperlich in der katholischen Kirche heute
- «Ist die Fähigkeit, Priester zu werden, von den Y-Chromosomen abhängig?»
- «Ist die Idealisierung des Priesteramtes nicht eine Überforderung für alle Priester?»
- «Es gibt soviele Priester, die verkümmern. Das muss aufhören!» – Zölibat und Priesteramt
Unsere neuesten Artikel
- Bibelstellen richtig verstehen:
Die Rückkehr der unreinen Geister (Mt 12,43-45) - Was ist wichtiger: Gottesdienst oder Seelsorge?
- Warum knien sich Katholiken in der Messe hin?
- Aufsteigender und absteigender Segen:
Den Kern der neuen Regelung verstehen - Klarstellung
zur Erklärung »Fiducia supplicans« - Das Predigtverbot für Laien:
Vom Sinn der Predigt in der Messfeier - Warum Kevelaer ein «eucharistischer» Wallfahrtsort ist
- «Keiner will eine deutsche Nationalkirche!»
Wenn sich WOLLEN und TUN widersprechen… - Freiheit vs. Gehorsam: Wie erkenne ich selbst und frei, was wahr und wirklich ist?
- Wie kann es sein, dass Ostern den Tod überwunden hat? Es sterben doch immer noch Menschen!
- Ist «das Blut Christi trinken» nicht ein Widerspruch zum Blutverbot der Juden?
- Die Erzählung vom Abreißen der Ähren (Mt 12,1-8) richtig verstehen
- Das Amt des Bischofs
Geteilte Macht oder verweigerter Dienst? - Die Feier der Trauung – mit vielen Hinweisen und allen Texten
- Die katholische Trauung – Ein Pfarrer erklärt, was möglich und sinnvoll ist
- Weihnachtsfilme haben eine Botschaft – Welchen hast du dieses Jahr geschaut?