Zu den größten populären Irrtümern über den katholischen Glauben gehört eine eher philosophische Aussage: »Nach katholischer Ansicht haben Tiere keine Seele.«

Woher dieses hartnäckige Gerücht wirklich stammt, bleibt rätselhaft. Gerade seit dem aufkommenden Materialismus (seit der französischen Aufklärung) hat die katholische Theologie und Philosophie gegen alle modernen Anfeindungen daran festgehalten, dass es eine Seele gibt. Gerade das Festhalten an der Gleichsetzung von Leben und immaterieller Seele wurde von den modernen Philosophen, Biologen und Naturwissenschaftler bestritten.

Und doch wirft man nicht den Naturwissenschaftlern, sondern den Theologen (vor allem den katholischen) vor, sie würden den Tieren eine Seele absprechen und sie wie Dinge werten. – Nun, vielleicht lässt es sich dadurch erklären, dass es im christlichen Menschenbild einen wesentlichen Unterschied zwischen Tier und Mensch gibt. Der liegt aber nicht darin begründet, dass nur der Mensch eine Seele hätte – sondern darin, dass Tiere (und übrigens auch Pflanzen) eine andere Seele haben als Menschen.

Alles Lebendige hat eine Seele.

Aristoteles

Ob es eine Seele grundsätzlich gibt oder nicht, gehört zwar zu den Fundamenten, auf denen die meisten Religionen aufbauen. Aber dieses Fundament wurde von den Philosophen gelegt. Aristoteles hat den bis heute auch im Christentum anerkannten Gedanken grundgelegt, dass alles Lebendige sich nur durch die Existenz einer immateriellen Seele erklären lasse. Weder die Behauptung von der Existenz Gottes, noch die von der Freiheit des Menschen oder von der Existenz der Seele ist Gegenstand der Offenbarung, sondern Frucht philosophischer Überlegung.

Vor allem katholische Theologen haben im gesamten Mittelalter die philosophischen Erkenntnisse der vorangegangenen Philosophen (allen voran Aristoteles) geprüft, übernommen und weiterentwickelt. Aber sie haben sich in dieser Frage eher als Philosophen verstanden – nicht als Theologen oder Bibelinterpreten.

Aus der Erkenntnis über das Wesen des Lebendigen gehört seit Aristoteles die »analogia entis«. Diese grundlegende Ähnlichkeit allen Seins (deshalb analogia) hat immer auch beinhaltet, dass alles Lebendige nur insofern lebt, insofern es eine seelische Komponente hat: So haben Pflanzen eine Seele (die anima vegetativa), die Tiere ebenfalls (eine anima sensitiva) und schließlich auch der Mensch (der eine anima rationalis sein eigen nennt). Nur für die letztgenannte anima rationalis gilt, dass sie unsterblich ist und Träger der Individualität; aber ebenso sicher ist, dass Tiere selbstverständlich ebenfalls eine Seele besitzen.

Nachzulesen ist dies z.B. bei Aristoteles in seiner Metaphysik oder im 3. Buch über die Seele (De anima), das sich seinerseits wieder auf Anaxagoras stützt; desweiteren bei allen mittelalterlichen Aristoteles-Rezipienten, allen voran Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Duns Scotus.

Hierüber gibt es übrigens sogar eine Dogmatisierung; obwohl zu einem Dogma normalerweise nur Glaubensaussagen erhoben werden, keine philosophischen Prinzipien. Aber auch wenn die Lehre von der immateriellen Seele ihren Ursprung in der Philosophie hat, ist sie notwendige Voraussetzung für jede religiöse Wahrheit und deshalb sogar in der höchsten Verbindlichkeitsstufe (»de fide«) dogmatisiert.

Interessant ist, dass manche Atheisten behaupten, sie würden mit der grundsätzlichen Leugnung der Existenz einer Seele die Tiere (im Gegensatz zur katholischen Kirche) aufwerten, weil es ohne eine Seele zwischen Tieren und Menschen keinen gravierenden Unterschied mehr gäbe. Der Mensch sei lediglich ein höher entwickeltes Tier, während die Kirche das Tier deutlich gegenüber dem Menschen abwerte. — Das Gegenteil ist der Fall: Wird das Konzept der Seele sowohl für den Menschen als auch fürs Tier gestrichen, wird nicht das Tier aufgewertet, sondern der Mensch abgewertet. Wahre Atheisten sind also nur scheinbar größere Tierfreunde; in Wirklichkeit leugnen sie damit die »unantastbare Würde des Menschen«, die darin besteht, sich moralisch verhalten zu können – und rauben dem Menschen somit auch die Pflicht zum Tierschutz.

Interessant ist vielleicht auch – nebenbei bemerkt -, dass die in der katholischen Kirche anerkannte Philosophie den Tieren zwar keine unsterbliche Seele zuerkennt, die katholische Theologie aber auch eine Erlösung und Vollendung der gesamten Schöpfung (inkl. Pflanzen und Tiere) für möglich hält (vgl. z. B. Röm 8,21). Während die Seele des Menschen aufgrund der ihrer geistigen Beschaffenheit unsterblich ist, gilt das nicht für die Tier- und Pflanzenseele; aber das heißt nicht, dass Gott sie nicht doch im Sein erhalten wird und Anteil an Leben im Jenseits gibt. Gott mag seine Geschöpfe!

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Schlagwörter: , Last modified: 8. Mai 2020