Der Gegensatz zwischen dem Himmelhoch-Jauchzen auf Palmsonntag und dem „Kreuzige ihn!“ auf Karfreitag findet sich nicht nur im Evangelium, sondern auch in unserem Leben wieder. Wie oft stürzen wir von einem Hochgefühl in ein tiefes Loch: Gerade noch frisch verliebt und dann plötzlich im Stich gelassen; gerade noch voller Freude bei der Taufe eines neuen Erdenbürgers und dann wenig später bei der Beerdigung; gerade noch zufrieden über das Erreichte, und dann, ohne Vorwarnung, stehen wir mit leeren Händen da.
Vom Jubelgesang zur traurigen Stille, vom «Hosianna» zum «Kreuzige ihn» – die Heilige Woche, die mit dem heutigen Palmsonntag beginnt, ist ein Wechselbad der Gefühle. Jubel – Angst – Trauer – Osterjubel. Wie im richtigen Leben.
Unser eigenes Leben ist doch auch ständig hin- und hergerissen zwischen Tod – Geburt – Freude – Leid – Feierlichkeiten und Trauer. Wo ist da der rote Faden, wo ist da der Sinn?
Die Ereignisse, die uns hin- und herreißen, bringen uns nur dann aus dem Gleichgewicht, wenn wir keinen Stand haben. Wenn wir uns selbst nicht treu bleiben können, weil wir nicht wissen, wer wir sind.
Jesus konnte durch alle Höhen und Tiefen gehen, weil er wusste, wer er war: Nicht der König, der allen Prunk und Reichtum dieser Welt versammelt, nicht der selbstherrliche Richter, der Judas vernichtet, bevor er ihn verraten konnte, nicht der verurteilte Verbrecher, der ans Kreuz gehängt wurde und auch nicht der vernichtete Tote, der ins Grab des Vergessen gelegt wurde.
Alles dieses war er nicht.
Er war in allem Geschehen immer der Gleiche: Der geliebte Sohn des himmlischen Vaters. Darin blieb er sich treu.
Wenn auch in ihrem Leben die Mächte des Schicksals wüten: Nichts kann Sie von der Liebe Gottes trennen. Sie sind und bleiben die geliebten Kinder des Vaters. Darin können Sie sich immer treu bleiben. Amen.
Menschen, die solch ein Wechselbad der Gefühle ausgesetzt sind, verlieren manchmal den Halt, den Boden unter den Füssen. Und manche verlieren vielleicht sogar noch mehr: Den Glauben an das Gute; die Freude am Leben; die Hoffnung darauf, dass alles wieder gut wird. Wie soll man sich noch über etwas freuen, wenn jede Freude immer nur von so kurzer Dauer ist? Jedes Leben gefährdet? Jeder Erfolg nur vorübergehend?
Es tut dann gut, sich zu erheben. Mein Leben in Ruhe zu betrachten, Abstand gewinnen. Sich aus den Zwängen der nächsten Notwendigkeit zu befreien und sich eine Auszeit zu nehmen. Dann bekommen wir vielleicht wieder die größeren Zusammenhänge in den Blick.
Wer den Jubel am Palmsonntag mit dem Verflucht! des Karfreitags sieht, kann den Glauben an die Güte Gottes und an die Menschheit verlieren. Aber wenn wir den größeren Rahmen sehen, bekommen wir auch den Ostersonntag mit in den Blick: Es gibt eine Auferstehung. Jesus bleibt nicht dort, wohin ihn die Menschen verbannen wollten.
Und auch die Menschenmenge löst sich auf: Es schälen sich Freunde Jesu heraus, die erkennen, was sie getan haben. Es gibt immer mehr von denen, die sich zu dem bekennen, den sie verscharren wollten.
Auch wir müssen erst noch geschält werden; geschrubbt und gereinigt durch ein Wechselbad der Gefühle. Es muss in uns noch viel Porzellan zerschlagen werden, bevor wir den Blick frei bekommen auf das ganz große Geheimnis:
Dass Jesus immer, zu jeder Stunde, der König unseres Lebens ist. Dass er mitleidet, uns mitnimmt auf seinen Weg, der von Palmsonntag nur über den Karfreitag nach Ostern führt.
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