Das Aussehen der Engel
Wenn man heute Menschen fragt, wie Engel aussehen, kommt wahrscheinlich die Antwort: Engel sind nackte Kinder mit Flügeln. So kennt man sie ja von Bildern, Postern, Papierblocks etc. (vgl. hierzu auch Kap. 2). Oder man hat sich im Fernsehen gebildet. Dann könnte die Antwort auch lauten: Engel sind weiße Gestalten mit Flügeln oder einfach nur Menschen wie du und ich.
Ein Blick in die Bibel zeigt, dass das Aussehen der Engel gar nicht so eindeutig ist. So wird von vielen Gestalten berichtet, in denen die Engel in Erscheinung und Aktion treten. Je nach Aufgabe nehmen sie unterschiedliche Gestalten an.
Das Buch Tobit berichtet, dass der Erzengel Raphael in der Gestalt eines Mannes sich dem Tobias zu erkennen gab und ihn auf dessen Reise begleitete (vgl. Tob 5). Im Feuerofen erschien ein Engel als Jüngling (vgl. Dan 3). Ganz anders sehen wiederum die Paradiesengel aus. Sie stehen vor dem Eingang des Paradieses mit einem Flammenschwert in der Hand (vgl. Gen 3, 24). Die Geheime Offenbarung schildert das Aussehen der Engel so: «Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen.» (Offb 4, 6.8).
Jesaja beschreibt die Gestalt der Engel folgendermaßen: «Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße, und mit zwei flogen sie.» (Jes 6, 2). Am Anfang des Ezechielbuches werden die Engel so beschreiben: «Mitten darin erschien etwas wie vier Lebewesen. Und das war ihre Gestalt: Sie sahen aus wie Menschen. Jedes der Lebewesen hatte vier Gesichter und vier Flügel. Ihre Beine waren gerade und ihre Füße wie die Füße eines Stieres; sie glänzten wie glatte und blinkende Bronze. Unter den Flügeln an ihren vier Seiten hatten sie Menschenhände. [Auch Gesichter und Flügel hatten die vier.] Ihre Flügel berührten einander. Die Lebewesen änderten beim Gehen ihre Richtung nicht: Jedes ging in die Richtung, in die eines seiner Gesichter wies. (Ez 1, 5-9).
Ein Grund, warum Engel in verschiedenen Gestalten erscheinen, ist, dass die Menschen, denen sie begegnen, nicht erschreckt werden sollen. Dieses außergewöhnliche Aussehen, von dem Jesaja, Ezechiel und die Offenbarung berichten, hat seinen Grund darin, dass damit über die Natur der Engel Näheres ausgesagt werden soll. (vgl. Kap. 7).
Die Natur der Engel
Augustinus sagt über den Engel: «Engel» bezeichnet das Amt, nicht die Natur. Fragst du nach seiner Natur, so ist er ein Geist; fragst du nach dem Amt, so ist er ein Engel: seinem Wesen nach ist er ein Geist, seinem Handeln nach ein Engel» (Zit. n. KKK 329). Augustinus sagt also über Engel, dass ihre Natur geistig ist. Demnach besitzen sie keine Körper.
Dasselbe sagen das 4. Laterankonzil, das I. und II. Vaticanum über die Engel. Gott ist der Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Er schuf in seiner allmächtigen Kraft vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht (vgl. Kap. 3). Es gibt demnach eine Unterscheidung zwischen der geistigen und körperlichen Schöpfung.
Wenn Engel zur geistigen Schöpfung gehören, dann sind sie rein geistig und ohne Stofflichkeit, d.h. ohne Materie (Immaterialität). Im Hebräerbrief heißt es: «Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?» (Hebr 1, 14).
Engel sind unsterblich
Wenn sie Geister sind und körperlos, dann können sie auch nicht sterben. Sie sind unsterblich. Dies bezeugt Jesus selbst, als er auf die hinterlistige Frage der Sadduzäer, mit welchem Mann eine siebenfache Witwe am Tag der Auferstehung verheiratet sei, unter anderem antwortet: «Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind.» (Lk 20, 36). An andere Stelle äußert sich Jesus folgendermaßen: «Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.» (Mt 18, 10). Auch hier sagt Jesus deutlich, dass die Engel unsterblich sind.
Die Gestalt der Engel ist ihre Bedeutung
Wie schon angedeutet, haben die Gestalten der Engel, wie sie in der Bibel dargestellt werden, eine besondere Bedeutung. So schreibt Thomas von Aquin, ausgehend von Ez 1, 13, über die Engel, dass sie Erkenntnis und Wollen besitzen. In dem Feuer, sieht er ein Symbol für die Erkenntnis und in den Blitzen ein Symbol für das Wollen. Die Erkenntnis ist die Grundlage des Wollens. Denn wer nichts erkennt, kann auch nichts wollen. Wer nur Sinnenhaftes kennt, will auch nur Sinnenhaftes. Wenn man ein Musikstück nicht kennt, dann will man es auch nicht hören. Nur das, was einem bekannt ist, ist einem erstrebenswert. Wobei noch zu klären ist, in wieweit es auch gut ist, was ich für erstrebenswert halte.
Der Wille und die Erkenntnis
Da die Engel nicht durch die Materialität (Körperlichkeit), daraus folgernd durch die Sinnenhaftigkeit, gehindert sind, haben sie eine größere Gotteserkenntnis als der Mensch. Da sie eine größere Erkenntnis haben, haben sie auch einen stärkeren Willen.
Die Engel haben klarste Erkenntnis. So brauchen sie bei Entscheidungen nichts zu beraten und zu überlegen. Zielsicher treffen sie ihre Entscheidungen. Aufgrund dieser klaren Erkenntnis hat auch ihr Wille keine Gegenströmungen. Sie können nicht anders, als das für Gut erkannte auch zu wollen. Da sie keine Gegenströmung bei ihrem Wollen haben, besitzen sie, im Gegensatz zu uns Menschen, keine Willensfreiheit.
Mit diesem ungeheuren Willen ist eine ungeheure Macht verbunden. So wird im ersten Makkabäerbuch berichtet:
«Damals, als die Leute des Königs von Assur über dich gelästert hatten, kam dein Engel und erschlug hundertfünfundachtzigtausend von ihnen.» (1 Makk 7, 41).
Dieser Wille der Engel ist aber an den Willen Gottes gebunden. Der Wille und die Macht der Engel können sich niemals über den Willen Gottes und seiner Macht erheben. Sie hätten sich wohl von Gott abwenden können, wie der Teufel und seine Genossen (vgl. Kap. 9.1), aber mächtiger als Gott können sie nicht sein und werden, weil sie seine Geschöpfe sind.
In der Offenbarung wird über das Aussehen der Engel berichtet: «Jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen.» (Offb 4, 8). Die Engel sind innen voller Augen. Dies ist ein Symbol für die Selbsterkenntnis der Engel. Sie haben ihre Eigenpersönlichkeit in der ganzen Tiefe klar vor Augen. So sind sie in der glücklichen Lage, nie einen Psychoanalytiker zu Rate zu ziehen zu müssen. Da sie kein Unterbewusstsein haben, brauchen sie auch niemanden, der Komplikationen im Unterbewusstsein erhellen müsste.
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