Auf die Frage, wer Jesus denn gewesen ist, kann man sehr unterschiedliche Antworten erhalten: ein Prophet; ein Lehrer der Weisheit – ein Philosoph; ein Psychologe und Arzt; ein Prediger mit hypnotischer Ausstrahlung; ein Bote Gottes; »Der neue Mann« und noch vieles mehr. Vorausgesetzt, dass die Evangelien einigermaßen korrekt überliefern, was Jesus alles gepredigt und getan hat, müsste die Antwort auf die Frage am besten dadurch zu klären sein, dass wir uns seine Botschaft einmal näher anschauen.
Ein Schlüssel zum Auffinden der eigentlichen Botschaft Jesu liegt allerdings nicht in den Evangelien – sondern in der Apostelgeschichte. Und zwar in der Predigt des Petrus am Pfingsttag.
»Die Sache Jesu braucht Begeisterte« – oder »Die Nachfolge Jesu«
Natürlich hatte Jesus eine Botschaft an uns. Aber verblüffenderweise spielte sie für die Apostel – schon wenige Tage nach seiner Himmelfahrt – keine so große Rolle mehr. Am Pfingsttag traten die Apostel zum ersten Mal in die Öffentlichkeit und Petrus hielt seine – von Lukas niedergeschriebene – Pfingstpredigt.
Nun hätte man erwarten können, dass Petrus – ganz in seinen Auftrag versunken, die Botschaft Jesu weiterzugeben – Teile der Bergpredigt wiederholt, von den Wundern Jesu berichtet oder die schönsten Gleichnisse Jesu zum Besten gibt. Aber – Fehlanzeige. Petrus predigt seitenweise – aber er gibt nicht die Botschaft Jesu weiter, sondern er verkündigt Jesus. (Wer möchte, mag die Predigt des Petrus nachlesen: Apg 2, 14-36).
Nun könnte man Petrus als Verräter an der »Sache Jesu« bezeichnen – und lieber zurückkehren zu dem, was in den Evangelien steht. Das Dumme ist allerdings, dass der, der die Predigt des Petrus niedergeschrieben und für die Nachwelt erhalten hat, der gleiche ist, der auch die Predigt Jesu aufgeschrieben hat: Lukas. Offensichtlich sah Lukas in der Pfingstpredigt keinen Widerspruch und keinen Verrat, sondern die legitime Zusammenfassung dessen, was er selbst im Evangelium aufgeschrieben hat.
Kann es sein, dass die Botschaft Jesu – also die Botschaft der Evangelien – Jesus selbst gewesen ist?
Die Botschaft und sein Überbringer
Für uns Christen, die immer wieder in den Gottesdiensten Abschnitte der Evangelien hören, ist das ein ungewohnter Gedanke. Denn die Inhalte der Bergpredigt, der Wunder und der Gleichnisse sind uns wohlvertraut und wir kämen nicht auf den Gedanken, die eigentliche Botschaft irgendwo anders zu suchen.
Ein Rabbi jedoch, der aus der jüdischen Distanz zum christlichen Glauben das Neue Testament liest und es mit der überlieferten Lehre von Thora und Talmud vergleicht, hat es dagegen in einem fiktiven Dialog so formuliert: Auf die Frage, ob Jesus das Gleiche gelehrt hat wie die Propheten und Chassidim, antwortet der Rabbi: »Nicht genau, aber ungefähr« – »Was hat er weggelassen?« – »Nichts« – »Was hat er dann hinzugefügt?« – »Sich selbst« – »Oh!« (aus: Rabbi Jakob Neusner »Ein Rabbi spricht mit Jesus«).
Es stimmt tatsächlich: Das Evangelium ist nicht etwas, das Jesus uns erzählt hat und das wir nun, unabhängig von ihm, weitererzählen könnten. Das Evangelium ist Jesus selbst: die »Frohe Botschaft«, die »Gute Nachricht« ist, dass Jesus Gott ist.
Falls das stimmt, würden sich damit auch die ganzen Alternativen (Jesus als Prophet, als Philosoph, als Erfinder einer neuen, themenzentrierten Lebensweise oder als alternatives Lebensmodell mit ausbalanciertem Ich-Du-Verhältnis) erledigen. Nicht, dass Jesus nicht auch weise, philosophisch und therapeutisch geredet hat. Aber er hat es eben als Gott getan – nicht bloß als ein kompetenter Mensch.
Ich gebe zu, dass wir das allerdings überprüfen müssen.
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