Der Glaube an Gott: Das Vorbild aller Liebesbeziehungen

Es ist schon faszinierend: Vergleicht man «Glauben und Religion» mit «Liebe und Beziehung», so finden sich immer wieder Anknüpfungspunkte, die plötzlich erhellen, was zuvor recht verwirrend klang. Denn eine Beziehung zu einem Freund, eine Liebesbeziehung oder eine Partnerschaft – da kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Jeder weiß um die Voraussetzungen, die dazu nötig sind. Glauben und Gottesbeziehung sind uns aber in großen Teilen fremd geworden – und so ist es durchaus hilfreich, das Zwischenmenschliche zu nehmen um dadurch das Übernatürliche zu veranschaulichen.

Bevor ich nun ein paar der Fäden aufnehme und entwirre, muss ich allerdings eingestehen, dass in Wirklichkeit nicht die Gottesbeziehung ein Abbild der menschlichen Beziehung ist – es ist vielmehr umgekehrt. Die eigentliche, ursprüngliche und intensivste Liebesbeziehung ist die göttliche. Unsere menschlichen Beziehungen sind nur ein Bild dessen, was Gott tut (das ist schließlich gemeint, wenn es im Schöpfungsbericht heißt: «Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, als sein Abbild schuf er sie»).
Ich bin fest davon überzeugt, dass derjenige, der eine lebendige und offene Beziehung zu Gott hat, dort für menschliche Partnerschaften viel mehr lernt und begreift als jemand, für den Glauben nur eine intellektuelle Überzeugung ist. Aber das ist nur so ein Gedanke…

Liebe ist Glaube

«Wenn ich mich dazu durchringe, an Gott zu glauben – dann ist das aber etwas ganz anderes, als einen Menschen zu lieben: Den Menschen kann ich sehen – Gott ist unsichtbar.» – Das ist korrekt. Aber einen Menschen zu lieben setzt ebenfalls Glauben an Unsichtbares voraus.
Wenn Du von vorne herein sagst: «Es gibt keine Liebe; das sind alles nur biochemische Vorgänge im Gehirn oder bei den Hormonen» – dann kann Dir keine Frau, kein Mann und kein Gott beweisen, dass es wahre Liebe gibt.

Ich habe vor einigen Jahren einige Diskussionen mit einer Schülerin geführt – eine meiner Meinung nach hochintelligente jungen Frau. Natürlich ging es auch um Glauben, Gott und Kirche. Nach einiger Zeit teilte sie mir mit, dass sie an diesen Gott, von dem ich erzählt habe, einfach nicht glauben könne. Das war zwar enttäuschend für mich, aber letztlich weiß ich, dass ich mit keinen noch so genialen Argumenten jemanden umstimmen kann, der nicht selbst will.
Ein paar Tage später allerdings teilte mir diese Schülerin mit, dass sie nun auch mit ihrem Freund Schluss gemacht habe. Ich war erstaunt: «Warum das? Liebst Du ihn nicht mehr?» – Ihre Antwort war klar und bestimmt: «Doch, natürlich – sehr sogar. Aber das sind doch alles nur Hormone und Nervenimpulse. Liebe kann es doch nicht geben, wenn es keinen Gott und keine Seele gibt.»

Der Entschluss an die Existenz von Liebe als eine wirkliche seelische Regung zu glauben, ist tatsächlich nichts anderes als der Glaube an Gott

Der Entschluss an die Existenz von Liebe als eine wirkliche seelische Regung zu glauben, ist tatsächlich nichts anderes als der Glaube an Gott. Die Liebe kann Dir keiner beweisen (wenn Du nicht glauben willst), alle Hinweise kannst Du weg-erklären, alle Liebesbeteuerungen Deines Verehrers sind nur Worte seines Mundes, gesteuert durch Nervenbahnen. Wer nichts anderes als Wirklichkeit akzeptiert als das Messbare, Zählbare und Experimentelle, der wird niemals Liebe entdecken. Er wird die Liebe sehr wohl verspüren – aber dieses Gefühl nur als einen evolutionären Trieb begreifen; unsterbliche Liebe gibt es für einen solchen Menschen nicht.
So ist es auch mit dem Glauben an Gott: Wer sich entscheidet, nichts anderes gelten zu lassen, als das Materielle und das Sichtbare, wird Gott nicht finden. Für einen Materialisten ist das natürlich der schlagende Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt. Kein Mensch, kein Gott kann ihm etwas anderes beweisen – denn jeder Hinweis und jede Sehnsucht sind für diesen Atheisten auch biologisch oder psychologisch erklärbar. Natürlich wird er immer wieder Gott verspüren – aber dieses Gefühl ist für ihn nichts anderes als Rest des kindlichen Geborgenheitstriebes, der nach einem überirdischen Vater sucht, den es nicht gibt.

Ich bete heute noch häufig für die vorhin erwähnte Schülerin – sie war mir sehr teuer. Ich habe vor allem viel Respekt vor Ihrer Willensstärke und Verstandeskraft: Sie hat tatsächlich recht: Wie können wir an die Liebe glauben, wenn es keinen Gott gibt – und somit nur Materie? Aber im Gegensatz zu ihr fehlt vielen unserer atheistischen Zeitgenossen der Mut, die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen.

Auch «geliebt werden» heißt «glauben»

Aber nicht nur die Frage, ob es Liebe überhaupt gibt, ist eine Glaubensfrage. Auch, ob Deine Liebe erwidert wird, musst Du glauben:
Denn ob Dein Traumpartner Dich auch liebt, kann er Dir niemals beweisen – das musst Du glauben. Natürlich gibt es dafür Hinweise. Ein verliebter Blick. Ein selbstgebasteltes Geschenk. Der Verzicht auf ein großes Ereignis, nur um bei Dir zu sein. Und noch viel mehr. Letztlich aber sind das alles eben nur Hinweise, Indizien. Ob dahinter Liebe steht – oder vielleicht doch nur der Versuch, Dich auszunutzen – wird Dir niemand wirklich beweisen können.

Es gibt leider einige Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, einen solchen Glauben an die Liebe aufzubringen. Sie sind so sehr enttäuscht worden, dass sie nicht mehr glauben können, dass ein anderer es ernst meint mit seiner Liebe. Oft können sie sich überhaupt nicht mehr vorstellen, dass es so etwas wie Liebe gibt. Will nicht jeder nur an sich denken?

In direktem Zusammenhang damit steht auch die Überzeugung, selbst überhaupt nicht liebenswert zu sein. «Der, der mir gerade seine Liebe gesteht, kennt mich doch gar nicht. Wenn der wüsste, wer ich bin, würde er mich mit Sicherheit hassen.» Verletzungen eines Menschen, der sich einem anderen vertrauensvoll geöffnet hat, gehen tief und haben schreckliche Konsequenzen: Um neuen Verletzungen aus dem Weg zu gehen, verkrampfen sich diese Menschen immer mehr und schotten sich oft gegen alles ab, was in ihnen Liebe hervorrufen könnte.

Die gleiche Abwehrhaltung gibt es auch gegenüber Gott. Manche Menschen sind durch religiöses Verhalten von Eltern, Freunden oder auch von Priestern so sehr verletzt worden, dass sie sich nicht mehr vorstellen können, dass hinter dem ganzen Gerede von Gott wirklich ein gutes, göttliches Wesen darauf wartet, mich zu lieben. Davon zu sprechen wird zur hohlen Phrase, verliert seine Bedeutung und erzeugt schließlich sogar Ekel.

Unmittelbar damit geht die Überzeugung einher, dass ein wirklich göttliches, gütiges und liebevolles Wesen mich nicht lieben kann – aus dem einfachen Grund, weil ich es nicht wert bin. Religiöse Verletzungen führen zu Haltungsschäden: Ich schütze mich vor allem, was in mir glaubendes Vertrauen erwecken könnte – und mich an meine alten Verletzungen erinnern würde.

Glauben und Lieben sind Vorentscheidungen

An die Liebe zu glauben kann Dir keiner Vorschreiben – und keiner ausreden. Glauben an Gott hervorzurufen ist nicht durch Zwang und nicht durch Überredung möglich. Weder kann ein Naturwissenschaftler Dir ausreden, Gott zu lieben – noch kann Dir ein Biochemiker beweisen, dass Deine Liebe nur eine Folge von zu viel Schokoladenkonsum ist.
Glauben und Lieben sind Vorentscheidungen. «Grundoptionen» sagt der Soziologe. Und doch sind es keine Entscheidungen der Unvernunft (oder, wie der Philosoph sagen würde, der «Vorvernunft»). Denn diese Entscheidungen lassen sich sehr wohl überprüfen – aber erst im Nachhinein. Denn es handelt sich ja um die Bereitschaft, Wirklichkeit wahrzunehmen.

Verschließe ich die Augen vor einem ganzem Bereich der Realität, wird sich diese größere Welt nicht beweisen lassen. Aber wenn ich meine Vorentscheidung ändere und (bildlich gesprochen) die Augen öffne, kann ich überprüfen, ob diese größere Welt (des Glaubens oder der Liebe) existiert. Dass viele behaupten, das sei ein Schritt vom (sicheren) Wissen in die Welt des (unsicheren) Glaubens, ist natürlich Unsinn. Geglaubt haben die Atheisten auch schon die kleine Welt.

Es handelt sich vielmehr um einen Schritt von einer Welt der begrenzten Erkenntnis in eine Welt der weiteren Sicht. (In diesem Sinne spricht Jesus auch gerne von Licht und Finsternis. Er hat viele Blinde geheilt – als Beschreibung für den Vorgang der Bekehrung).

Wenn Du Dich also dazu durchgerungen hat, nicht mehr nur an biochemische Vorgänge zu glauben, sondern auch Liebe vorauszusetzen, kann es sein, dass Du Dir dieser Liebe so sicher bist, dass Du alles andere dafür verwetten würdest (sogar die Biochemie). Ein für die Liebe «Blinder» wird Dich zwar für verrückt halten (und so typische Sprüche loslassen wie «Liebe macht blind») – Du aber weißt jetzt einfach mehr.
Das gilt auch für Gott: Wer Ihn leugnet und alles, was Gott ähnlich sieht (also alles Geistige), der wird natürlich auch keinen Beweis für Gottes Existenz finden. Wer aber im biblischen Sinne die Augen öffnet, der begreift plötzlich auch den Sinn und die Bedeutung des Materiellen – überhaupt des ganzen Seins. So kann sich jemand, der glaubt, einer geistigen «Sache» sehr viel sicherer sein als ein Naturwissenschaftler seiner Beweise. Allerdings weiß das der Atheist nicht im Voraus – deshalb erscheint ihm der Glauben als ein Wagnis. Leider sind viele nicht bereit, dieses Wagnis einzugehen. Wenn die wüssten!

Weitere Artikel zum Glauben

Unsere neuesten Artikel

Schlagwörter: , , , , Last modified: 6. Mai 2020