Für die Glaubwürdigkeit Evangelien sprechen «innere Kritierien», wie zum Beispiel die Widerspruchsfreiheit, der zurückhaltende Schreibstil oder der sachliche Ton. Nun, das kann auch ein Text voller Lügen. Wie sieht es also mit überprüfbaren Aussagen aus? Gibt es Widersprüche oder Entsprechungen mit ansonsten gesicherten Erkenntnissen der Archäologie, Geografie, der Naturkunde und den kulturellen Gepflogenheiten und Bräuchen? Hat schon mal jemand untersucht, ob die Verfasser der Evangelien »Insider-Wissen« besaßen, also von Dingen Kenntnis hatte, die erst Jahre (oder Jahrhunderte) später bekannt wurden?

Wenn diese Untersuchungen der sogenannten «äußeren Kritierien» Beweise für die Echtheit der Evangelien liefern soll, ist die Beweislast erdrückend: Inzwischen wird allgemein angenommen, dass die Evangelisten (vor allem – sehr überraschend – der Autor des Johannesevangeliums!) entweder selbst Augenzeugen der Ereignisse waren oder in ihre Evangelien Augenzeugenberichte eingebaut haben.

Nebenbei: Zu dieser Frage nach den «äußeren Kriterien« gibt es eine Fülle von z. T. minderwertiger Literatur nach dem Motto »Und die Bibel hat doch Recht!« Aber das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass es zahlreiche archäologische Entdeckungen gibt, die zunehmend die Berichte der Evangelien bestätigen. Viele der neuesten Erkenntnisse findest Du in dem bemerkenswerten Buch »Jesus von Nazareth« von Michael Hesemann.

Erst seit ungefähr 100 Jahren wird im Heiligen Land systematisch moderne Archäologie betrieben; so verwundert es nicht, wenn in den Jahrhunderten zuvor zahlreiche biblische Angaben einfach als »unbestätigt« galten. Für damalige Bibelinterpreten war es ein Leichtes, die Berichte der Evangelien als »historisch irrelevant« abzutun – das ist heute nicht mehr möglich. Interessanterweise findet der überwiegende Teil der Ausgrabung inzwischen unter jüdischer und nicht mehr unter christlicher Leitung statt – und dennoch finden sich weniger Bestätigungen für Ereignisse des Alten Testamentes, sondern eher für die Evangelien (obwohl jüdische Archäologen, wenn sie interessengeleitet suchen würden, sicherlich andere Ergebnisse bevorzugen würden).

  • So bestätigen sich die geografischen Gegebenheiten, die den Erzählungen in den Evangelien zugrunde liegen (Nazareth liegt an einem Abhang; damals wurden Höhlen bzw. Grotten als Ställe genutzt – so auch in Bethlehem); verblüffend ist auch die Untersuchung der Apostelgeschichte durch Heinz Warnecke (s. u.), in der er die nautischen und meteorologischen Umstände der dortigen Reiseschilderung mit den heutigen Gegebenheiten vergleicht.
  • Ebenso die profan-historischen Angaben – z. B. über die Volkszählung zur Zeit der Geburt Jesu, die eine zeitlang als unglaubwürdig angesehen wurde, bis in Ankara eine Tafel mit den »Taten des Augustus« – einer Kopie des römischen »Res gestae« – gefunden wurde, die in der Aufzählung der Taten auch Volkszählungen in den Jahren 28 v. Chr., 8 v. Chr. und 14 n. Chr. erwähnt und die eine Volkszählung im Jahr 7. und 6. v Chr. in Judäa wahrscheinlich macht (siehe Hesemann »Jesus von Nazareth«, S. 54-58); oder über die Hochzeit des Herodes mit der Frau seines Bruders (bezeugt bei Josephus Flavius) usw.
  • Weiterhin die Berücksichtigung von Besonderheiten der Flora und Fauna in Israel (so z. B. die Rolle des »Ammenfisches«, der gerne Gegenstände im Maul aufbewahrt und sich im April, zur Zeit der Erhebung der Tempelsteuer, in ufernahen Bereichen des Sees aufhielt).
  • Zudem stimmen die astronomischen Beobachtungen mit den Angaben in den Evangelien (Stern von Bethlehem) überein (sowohl in der Beobachtung der Planeten-Konjugation als auch einer Super-Nova Anfang März 5 v. Chr.).
  • Darüber hinaus finden sich zahlreiche architektonische und bauliche Entsprechungen, die Ausgrabungen sowohl am Haus des Petrus in Kafarnaum, als auch in Kana, Jerusalem, Nazareth usw. zutage treten ließen bzw. heute noch sichtbar sind (so die Einpassung des Hauses von Loreto in die Felsrückwand in Nazareth; der Eckstein in der Jerusalemer Stadtmauer, die Entdeckung der Synagoge in Kafarnaum und der Bethesda-Teiche in Jerusalem inklusive der Säulenhallen und der unterirdischen Röhren, die ein »Aufwallen des Wassers« ermöglichten).
  • Schließlich wissen die Evangelisten über die kulturellen und religiösen Gepflogenheiten der Juden in einer solchen Präzision Bescheid, dass eine Abfassung erst in späterer Zeit unwahrscheinlich ist. Das gilt vor allem für Termine, Vorschriften und Riten, die an die Existenz des Tempels in Jerusalem gebunden waren und mit dessen Zerstörung 70 n. Chr. zunehmend in Vergessenheit gerieten; aber auch bzgl. der Hochzeitsbräuche, der Weinbergkultur, der bäuerlichen Traditionen und der Finanzsysteme.

Zudem gibt es noch einige weitere archäologische Funde, die als außergewöhnlich bezeichnet werden können:

  • zum Beispiel den Titulus (die Tafel, die am Kreuz Jesu angebracht war);
  • die Kreuzpartikel (es gibt Gerüchte, dass es so viele davon gäbe, dass daraus zusammengesetzt ein ganzer Wald von Kreuzen entstünde. Aber tatsächlich wurden alle angeblichen Kreuzpartikel vermessen und überprüft und würden zusammengesetzt gerade einmal die Hälfte des Querbalkens ergeben);
  • des weiteren ein Graffiti, das sich über die Verehrung, die die Christen einem Gekreuzigten entgegenbringen, lustig macht (»Alexamenos betet seinen Gott an« zusammen mit der Darstellung eines gekreuzigten Esels);
  • die Entdeckung eines Ossariums mit einem Fußknochen, in dem noch ein Nagel steckte, der bei der Kreuzigung verwandt wurde;
  • der Fund einer Münze, die von Pontius Pilatus geprägt wurde und seinen Namenszug aufweist;
  • der Fund des sog. Pilatus-Steins in Caesarea Maritima 1961, der ebenfalls Pontius Pilatus erwähnt (als Bauherr eines Leuchtturms der Hafenstadt);
  • die Auffindung von steinernen Krügen in »Chirbet Kana« – zwar nur zwei, aber in der Größe mit dem biblischen Bericht übereinstimmend; zudem gib es Aussparungen für vier weitere Krüge – so wie in Joh 2, 1-9 berichtet;
  • die Untersuchungen im »Heiligen Haus von Nazareth«, das sich in Loreto (Italien) befindet und archäologisch und mineralogisch perfekt an die bezeichnete Stelle in Nazareth passt;
  • nicht ganz unumstritten, aber dennoch voller verblüffender Details ist das Grabtuch von Turin, das zwar viele Fragen aufwirft und dessen Echtheit immer noch diskutiert wird – umgekehrt aber auch viele Übereinstimmungen mit der Kreuzigungs-Wirklichkeit aufweist.

Verblüffend: Ein Hobbysegler bestätigt Paulusreise

Neben den guten Werken von Michael Hesemann möchte ich vor allem das verblüffende Werk von Heinz Warnecke erwähnen (das, obwohl er selbst nicht studiert hat, als Promotion angenommen wurde), einem Hobby-Segler und gutem Kenner des Mittelmeeres, der beim Lesen der Apostelgeschichte (in der u. a. die Reisen des Apostels Paulus quer über das Mittelmeer erwähnt werden) deren verblüffende Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten im Mittelmeer auffiel und daraufhin ein Buch verfasste: Heinz Warnecke – »Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus«, Stuttgart 1986 (Stuttgarter Bibelstudien Nr. 127).

So heißt es in der Apostelgeschichte (Kapitel 27-28):

27:41 Als sie aber auf eine Sandbank gerieten, strandeten sie mit dem Schiff; der Bug bohrte sich ein und saß unbeweglich fest; das Heck aber begann in der Brandung zu zerbrechen. 27:42 Da beschlossen die Soldaten, die Gefangenen zu töten, damit keiner schwimmend entkommen könne. 27:43 Der Hauptmann aber wollte Paulus retten und hinderte sie an ihrem Vorhaben. Er befahl, dass zuerst alle, die schwimmen konnten, über Bord springen und an Land gehen sollten, 27:44 dann die übrigen, teils auf Planken, teils auf anderen Schiffstrümmern. So kam es, dass alle ans Land gerettet wurden.
Die Überwinterung auf Malta (In den heutigen Bibelübersetzungen steht immer noch »Malta«, im griechischen Original allerdings »Melite«. »Melite« ist der antike Name sowohl für Malta als auch für Kephallenia.) 28:1 Als wir gerettet waren, erfuhren wir, dass die Insel Melite heißt. 28:2 Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war. 28:3 Als Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, fuhr infolge der Hitze eine Viper heraus und biss sich an seiner Hand fest. 28:4 Als die Einheimischen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: Dieser Mensch ist gewiss ein Mörder; die Rachegöttin lässt ihn nicht leben, obwohl er dem Meer entkommen ist. 28:5 Er aber schleuderte das Tier ins Feuer und erlitt keinen Schaden. 28:6 Da erwarteten sie, er werde anschwellen oder plötzlich tot umfallen. Als sie aber eine Zeitlang gewartet hatten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.

Heinz Warnecke schreibt:

Zwei andere Orte an der Südwestküste Kephallenias sind noch in der Gegenwart den Griechen durch ein merkwürdiges Schlangenphänomen bekannt: Eigenartige Vipern mit einem schwarzen Kreuz auf dem Kopf erscheinen einmal im Jahr um den 15. August, an dem Tag Mariae Himmelfahrt herum. Die Gläubigen fürchten die Schlangen nicht. Sie nehmen sie in die Hand, legen sie an die Brust und stecken sie sogar in den Mund, weil das Glück bringen soll. Da es auf Kephallenia an Vipern ausschließlich die lebensgefährliche und gefürchtete Sandviper gibt, bisher aber anscheinend keine gefährlichen Bisswunden infolge des mysteriösen Kultes bekannt wurden, dürften die »heiligen Reptilien« keine Sandvipern sein.
Obwohl dieser kephallenischer Schlangenkult sehr alt ist, beschäftigt sich die Zoologie mit diesem interessantem Phänomen erst seit jüngster Zeit … tatsächlich handelt es sich bei den heiligen Schlangen, wie erst Koch 1979 feststellte und Hoogmoed 1982 bestätigte, um die Europäische Katzennatter (Tarbophis fallax). Sie ist für den Menschen ungefährlich, sieht der Sandviper aber täuschend ähnlich, besonders weil sie die einzige griechische Schlangengattung außer Eryx und der Viper ist, bei der eine senkrechte elliptische Pupille zu beobachten ist; daher der deutsche Name Katzennatter. Die Kephallenen sind dennoch bis in die Gegenwart fest davon überzeugt, es handele sich bei den Reptilien um die durch den christlichen Kult (von dem das schwarze Kreuz auf den Köpfen der Tieren zeugt) »entschärfte« Sandviper, die außerhalb des Kirchengeländes ihre Gefährlichkeit wiedererlangt.
Neben der sehr bekannten Schlangenprozession in Cucullo (in den Abruzzen, Italien) handelt es sich hierbei um den einzigen weiteren christlichen Schlangenkult der Welt. (S. 152 – 155)

Was beweist diese Auflistung von Übereinstimmungen? Nun, zunächst nicht viel. Für Historiker gibt es einen logisch-zwingenden Aufweis von Glaubwürdigkeit nicht. Aber wenn auf der einen Seite die Angaben eines Textes in jedweder Hinsicht die Glaubwürdigkeitskriterien der Geschichtswissenschaften erfüllen, es auf der anderen Seite aber keine archäologischen, geografischen und kulturellen Entdeckungen gibt, die Ereignissen oder Darstellungen der Evangelisten zuwiderlaufen, dann spricht auch der Historiker vom »Erweis« der Echtheit eines Textes.

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Schlagwörter: , , Last modified: 22. Mai 2020