Eine biografische Katechese
von Peter van Briel – mit freundlicher Genehmigung
Manchmal werde ich bei meinen Vorträgen nach meiner Haltung zu Evolution gefragt – und antworte dann zumeist mit einer langen Ausführung über die Entwicklung meines Glaubens als «Evolution»- und zeige die Parallelen zwischen meiner persönlichen und der geistesgeschichtlichen Ebene. Mit dem Fazit, dass die Welt spätestens seit der Entdeckung der Quantentheorie wieder offen ist. Das ist klare Erkenntnis der modernen Physik und sogar der Mathematik.
Meist gehe ich dann davon aus, dass damit die Frage nach der Evolutionstheorie und der Entwicklung des Lebens und dem scheinbaren Widerspruch zum Schöpfungsglauben ebenfalls beantwortet ist. Dennoch möchte ich die Gretchen-Frage «Und, wie hältst du es mit der Evolution?» hier explizit aufgreifen.
Eigentlich gibt es keine Konflikte mehr…
Die Erkenntnis der modernen Naturwissenchaft (und der Mathematik nach Gödel) heben eigentlich jeden Konflikt zwischen Glauben und Naturwissenschaften auf. Es gibt keinen Widerspruch der Naturwissenschaften mehr zum Leib-Seele-Problem: Wir dürfen an die Seele glauben, ebenso an die Freiheit des Menschen! Eng damit verbunden ist die Erkenntnis, dass «Gut und Böse» Realitäten sind und Moral (in ihrer naturrechtlichen Abteilung) dem Menschen vorgeben.
Wir dürfen an die Macht des Gebetes glauben, weil die Zukunft offen ist und unsere Gebete als einen Effekt haben können – wohlgemerkt abhängig vom Willen eines Gottes, diese Welt zu lenken. Wir können sogar die Wirkmächtigkeit Gottes im Einklang mit der Freiheit des Menschen denken. Selbst Wunder sind dem Physiker nun näher (vor allem medizinische Wunder), obwohl Wunder auch in der klassischen Physik das geringste Problem war.
Auch der Urknall war dem gläubigen Christen schon früher nicht fremd. Während Einstein (und alle Physiker vor ihm) noch an die Unveränderlichkeit des Universums glaubten und einen Anfang des Universums als «scheußlichen Gedanken» lange ablehnten, war es ein katholischer Priester und Astronom – Georges Lemaitre – der als erster von einem sich ausdehnenden Universum sprach und damit den Schöpfungsbericht und die physikalische Weltbeschreibung in Einklang brachte. Sowohl Physik als auch der Glaube reden seitdem gemeinsam von einem datierbaren Anfang. Der Papst und die New-York-Times waren von der Entdeckung des Urknalls als Bestätigung eines Schöpfungsgedankens begeistert.
Was bleibt, ist die Frage nach der Evolutionstheorie
Was bleibt, ist die Evolutionstheorie (und die Hirnforschung. Aber das nur nebenbei). Hat darauf die Revolution der Physik durch die Quantentheorie überhaupt eine Auswirkung?
Vorsicht: Keine katholisch-Garantie!
An dieser Stelle bin ich nun bei einer Sichtweise der Evolutionswirklichkeit, der ich nicht unbedingt den Stempel «garantiert katholisch» aufdrücken kann. Ein Katholik kann hier durchaus verschiedener Ansicht sein. Er kann aber auch meiner Ansicht sein – und ist damit selbstverständlich «gut katholisch».
Geistgelenkte Mutationen
Voraussetzung ist, dass die Evolutionsbiologie den unseligen Anspruch fallen lässt, die Entwicklung des Lebens vollständig beschreiben zu können. Solche Vertreter nennen wir «Evolutionisten», die im Grunde keine biologische, sondern eine philosophische Aussage machen, wenn sie behaupten, es haben keine anderen Mechanismus in der Evolution gewirkt als die von ihre beschriebenen. (Ähnlich argumentieren auch schlechte Hirnforscher, die ohne hinreichenden Grund postulieren, dass im Gehirn keine anderen als die beschriebenen Faktoren eine Rolle spielen – auf jeden Fall keine Seele und kein Geist.)
Das wissenschaftlich verbriefte Recht auf ein „Mehr“
Ich möchte als ehemaliger Biologie-Leistungskurs-Schüler (mehr Kompetenz habe ich leider nicht in dieser Frage) auch keinen der von der Evolutionsbiologie behaupteten Mechanismen bezweifeln. Ich behaupte lediglich, dass es noch weitere Kräfte gegeben hat, die dort wirken.
Um diese „weitere“ Kraft beim Namen zu nennen: Gott Schöpfer, zusammen mit dem Heiligen Geist und dem Sohn. Ich nehme der Biologie nichts, für der Wirklichkeit aber diesen meinen Glauben hinzu. (Wohlgemerkt: Nicht der Biologie füge ich etwas hinzu (wie das z. B. Intelligent Design versucht). Aber eine Biologie auf Höhe der Zeit gesteht mir zu, dass es in der Wirklichkeit eine Raum gibt, der von mir mit dem Glauben gefüllt werden kann).
So wie ich behaupte, dass im Leib (und nicht nur im Gehirn, aber auch dort) die Seele eines Menschen wirkt, wirkt Gott nicht nur im Zeitpunkt der Erschaffung der Welt, sondern überall. Eben auch in der Entwicklung des Lebens. Ich nehme dem Biologen nichts, aber ich verlange auch, dass der Biologe anerkennt, dass die Welt und damit auch die biologische Wirklichkeit eine quantenphysikalisch verbriefte Offenheit hat, in der solche Kräfte wirken können.
Ich nehme also eine größere Wirklichkeit wahr als der rein biologisch denkende Forscher. Damit würde ich aber auch die Bedeutung von Mutation und Selektion anders sehen. Ein Biologie sieht die Mutationen als eine machtvolle, aber ungerichtete Kraft, die nicht zur Höherentwicklung führen würde, weil sie keine Finalität besitzt. Erst die Selektion – die Auswahl der besser Angepassten – verleihe dem Mutationsfeuerwerk eine Richtung. Ein Theologe, der in den Mutationen auch eine gerichtete Kraft annehmen kann, braucht den Selektionsmechanismus nicht als Schöpfungsprinzip. Damit wäre auch die nicht geringe Gefahr des Sozialdarwinismus gebannt.
Zwei Hürden
Zudem gibt es mindestens zwei Hürden, die die Biologie bislang nicht genommen hat: Nämlich den Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie und die Entwicklung vom Tier zum Mensch. Beides ist denkbar als «schöpferischer Quantensprung», der nur unter Einfluss einer wirkenden geistigen Kraft entstehen konnte. Vielleicht gilt diese geistgewirkte Sprung sogar bei allen Überschreitungen einer biologischen Art? Da halte ich mich dann als Nicht-Biologe besser zurück.
Wichtig ist (ich wiederhole mich): Ich glaube nicht an Gott, weil es diese Lücken gibt. Aber weil ich an Gott glaube, scheinen mir diese Lücken genau an diesen Stellen durchaus naheliegend.
…und die Welt wird wieder bunt!
Ich kann mir also genauso wie im menschlichen Leib ein Zusammenspiel von Geist und Materie auch bei der Entstehung und Entwicklung des Lebens vorstellen. Mit dieser Sicht auf eine größere Wirklichkeit wäre die Finalität in die Schöpfung zurückgekehrt (wichtig für das Naturrecht!) als auch Selbstverständlichkeiten wie Schönheit, Ebenbildlichkeiten, Sinn und Bedeutung, Moral und Moral-analoges Verhalten – und vieles mehr. Tiere haben eine Seele (und Pflanzen übrigens auch), und Menschen einen unendlichen Wert über jeden körperlichen Zustand hinaus. Und, für mich von Tag zu Tag wichtiger: Ich kann beim Betrachten der Natur wieder Staunen und Beten. Und mich an und über Gott und Seine Schöpfung freuen.
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