Einteilung der Häresien
In «Teil 1 – Wer war Jesus?» – haben wir den unübersichtlichen Wust von Häresien in ordentliche Haufen sortieren. Genauer: in drei Haufen: Entweder wird (A) die wahre Menschheit Jesu geleugnet (oder abgeschwächt) oder (B) seine Gottheit bestritten oder (C) die Einheit von Gott und Mensch in der Person Jesu wird verkannt.
Wenden wir uns als dem dritten Haufen zu:
Christologische Häresien – C-Klasse
Häresien, die zwar davon ausgehen, dass Jesus sowohl wahrer Gott und wahrer Mensch ist (wie im Glaubensbekenntnis von Nicäa formuliert), aber keine rechte Einheit der beiden Naturen in Jesus finden, sind zum Beispiel…:
- … der gnostische Dualismus (»Gnosis«, von griechisch gnosein = »wissen«: eine eher philosophische Richtung in verschiedenen Religionen und Varianten; »Dualismus«: Annahme von zwei einander widerstrebenden Prinzipien): Jesus war Mensch und Gott – aber beides (oder beide) existierte zunächst voneinander getrennt; Jesus war z. B. bis zu seiner Taufe nur ein Mensch; in der Taufe kommt der ebenfalls schon existierende geistige Christus auf Jesus herab. Beide bilden keine wirkliche personale Einheit.
- … der Nestorianismus (nach Nestorius in Konstantinopel, der diese Lehre aber vermutlich gar nicht vertreten hat): Jesus-Gott und Jesus-Mensch sind zwei verschiedene Personen mit verschiedenen Eigenschaften und nur durch das »Band der Liebe« miteinander verbunden (sie bilden nur eine »moralische Einheit«).
- … schon wieder die Adoptianer (die wir auch schon bei den Häresien der A-Klasse eingeordnet hatten). In einer speziellen Variante (»dynamistischer Monarchianismus«) lehrten sie, dass ab der Taufe Jesu Gott in Jesus gewirkt hätte, so dass Jesus »der Kraft nach« Gott war (daher: »dynamistisch« von gr. »dynamos« = Kraft).
Hier kommt nun der biblische Befund an seine Grenzen: Denn das unbedingte Festhalten an den biblischen Erkenntnissen »Jesus war Gott« und gleichzeitig »Jesus war Mensch« scheint in diesen Häresien der C-Klasse gewahrt.
Der Grund für eine Ablehnung liegt auch nicht in der philosophischen Logik: Prinzipiell denkbar sind Dualismus, Nestorianismus und Monarchianismus schon.
Aber sie widersprechen dem ganz klaren Befund unseres Glaubens, dass es nur den einen Jesus gab – und Christus nicht eine zweite Person war. Nun geschieht etwas Wunderbares: Durch das Festhalten an der biblischen Vorgabe klärt sich jetzt nicht etwa die christliche Theologie, sondern das griechische Denken, es lernt nämlich zu verstehen, was »Person« (bzw. »Hypostase«) genau ist. Im Grund wussten die Griechen bzw. die griechischen Philosophie-Treibenden das selbst nicht. Noch im 4. Jahrhundert nach Christus schien sogar der Besitz eines Menschen zu dessen »Person« oder »Hypostase« dazu zu gehören. Erst durch diese christologische Auseinandersetzung verfeinerte sich der Begriff. (Nach www.kath.de ist unser heutiger Subjektbegriff erst in dieser Zeit entstanden).
Am Schluss fand man die Beschreibung, dass die zwei Naturen (Gott und Mensch) in einer Person geeint wurden (»hypostatische Union«), ohne dass die Göttlichkeit dabei die Menschennatur verschlang (gegen die Monophysiten). Die berühmte Formel »ungetrennt und unvermischt« richtete sich dabei gegen die beiden Extreme: »ungetrennt« verwirft den Nestorianismus & Co.; »unvermischt« richtet sich gegen die Monophysiten.
Christologie für Nachfolger
Es gibt aber noch einen gewichtigen Grund gegen die Nestorianer und für die »hypostatische Union«. Nämlich unsere eigene Hoffnung. Der Gedanke, unsere Erlösung bestehe darin, zu unserem menschlichem »Ich« noch ein zweites »Ich« hinzugefügt zu bekommen, ist nicht sonderlich reizvoll. Die große Hoffnung der Christen besteht ja nicht darin, einfach nur neben Gott zu existieren – meinetwegen in Liebe miteinander verbunden. Das haben wir ja schon hier auf Erden.
Der Gedanke, dass unsere Gottebenbildlichkeit durch eine Umgestaltung in Christus so herausgebildet wird, dass wir mithineingenommen werden in Gott, ist eine andere, ungleich schönere Hoffnung. Die Erlösung geschieht an uns, und nicht in einer Hinzufügung einer weiteren Person (wie z. B. in einer Art göttlichen »Avatar«).
Fazit
Matthäus Kapitel 16, Vers 13: »Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!«
Es ist kein Zufall, dass Jesus die Frage nach seiner eigenen Identität ausgerechnet in Cäsarea Philippi stellt – der am stärksten griechisch beeinflussten Region Israels, in der sogar ein dem griechischen Gott Pan gewidmetes Heiligtum stand. Die jüdische Frage »Wer bin ICH?« – gestellt in griechischem Kontext – ist die Vorwegnahme der frühchristlichen Entwicklung.
Doch trotz der griechischen Begriffe, Argumentationen und Philosophien hat die Kirche an ihrem jüdischen Erbe festgehalten – und es durch den christologischen Klärungsprozess bewahrt und vertieft. Simon Petrus hat es bereits damals nahezu prophetisch formuliert: »Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!«
Der jüdische Fischer »Simon« und zugleich der »Petrus« (griechisch »petros«: der Fels) bekennt beides: Die Menschheit Jesu (»der Messias«) und die Gottheit (»Sohn des lebendigen Gottes«). Nichts von diesem Bekenntnis wurde abgeändert, fallen gelassen oder eingeebnet, im Gegenteil. Die Geschichte der christologischen Streitigkeiten des ersten Jahrtausends ist ein Musterbeispiel für Katholizität (»alles umfassendes Denken«), und sollte uns Mut machen, auch in anderen Dingen der Kirche volles Vertrauen zu schenken.
Wer kann sich heute noch vorstellen, wieviel Kraft und Mühen, aber auch wieviel Wirken des Heiligen Geistes in dem inzwischen geläufigen Bekenntnis der Kirche steckt:
Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
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