Dass Jesus von der jüdischen Oberschicht und den römischen Behörden aus Neid, Angst und religiösem Eifer hingerichtet wurde, beantwortet nicht die Frage, warum Gott das zugelassen hat. Oder – noch schwieriger – hat Gott das alles so geplant? Warum hat Jesus sich darauf eingelassen, wenn doch von vorneherein klar war, dass er am Kreuz sterben würde? Wollte Jesus etwa sterben?
Andere Antworten
In Unterrichtsmaterialien für den Religionsunterricht finden sich als Antwort auf die Frage, warum Jesus nicht geflohen ist: dass er ein Zeichen setzen wollte, zu seiner Meinung zu stehen. Dass er die Menschen wachrütteln wollte, dass es so nicht weitergehen kann. Dass er die Botschaft vermitteln wollte, dass der Tod nicht das Ende ist und dass man davor keine Angst haben müsse. Dass es wichtig ist, für seine Überzeugung sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. – Alles nicht wirklich überzeugend: Jesus hatte Angst; und der Tod ist das Ende unseres irdischen Wirkens. Und um uns Mut zu machen, zu unserer eigenen Meinung zu stehen, ist die Menschwerdung eines Gottes, der dann am Kreuz hingerichtet wird, auch nicht besonders naheliegend.
Die Antwort der Bibel
Die Bibel gibt eine eindeutige – aber dennoch schwer verständliche Antwort: Jesus starb für unsere Sünden, er hat sich selbst an unserer Stelle als Opfer hingegeben. – Das mag für uns wie eine hohle Floskel klingen – tausendmal gehört und jedesmal den Kopf geschüttelt. Wenn es in der Bibel aber vom Alten bis zum Neuen Testament nur diese Antwort gibt: Wie ist sie dann zu verstehen?
Bibelstellen zum «Sühnetod» Jesus
Jes 53, 2-5: Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.
Röm 3,25: Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben. So erweist Gott seine Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, die früher, in der Zeit seiner Geduld, begangen wurden;
1 Petrus 2, 21-24: Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Er hat keine Sünde begangen, und in seinem Mund war kein trügerisches Wort. Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt.
Röm 5,6-8: Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
1 Kor 15, 3: Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift
Ebenso: Kol 2,14; 1 Joh 4, 10; 1 Petrus 1,18-19; Hebr 9, 15; Hebr 9,26-28; Markus 10,45; Offb 5,9.
Die Frage, warum Jesus gestorben ist, ist keine Frage, die wir mit Verweis auf historischen Zusammenhängen, gesellschaftlichen Entwicklungen und psychologischen Zwängen beantworten können. Jesus war (und ist immer noch) nicht nur ein Mensch, sondern zugleich Gott. Diesen Glauben brauchen wir schon, um sein Entschluss, für uns am Kreuz zu sterben, nachzuvollziehen.
Die Erschaffung des Menschen für den Himmel
Der Mensch ist zwar aus Erde erschaffen, aber von Anfang an für den Himmel, bestimmt. Gott hat mit dem Menschen ein Abbild seiner selbst geschaffen, mit dem er gerne die Ewigkeit verbringen würde. Und er hat den Menschen so gut und frei und liebesfähig gemacht, dass der Mensch dort seine Erfüllung findet.
Die Folge der Sünde: Angst
Allerdings hat der Mensch sich irgendwann gegen diese Bestimmung entschieden – vermutlich, weil er sie als Eingrenzung seiner Freiheit empfunden hat. Seine Freiheit, nicht mehr auf Gott hin zu leben und sich nicht mehr auf den Himmel zu freuen, hat er mit dem Verlust des Lebenssinnes bezahlt – und mit der Angst vor Strafe.
Der Mensch weiß intuitiv: Gott ist gut und gerecht, und jede Sünde hat ihren Preis. Nur wer die Folgen seiner Sünden selbst erleidet, kann erhobenen Hauptes in die Gemeinschaft mit Gott (und mit allen, die dann bei IHM sind), eintreten. Aber genau das macht dem Menschen unendlich Angst: Denn da er unübersehbares Leid verursacht hat, müsste der Zutritt in den Himmel mit unübersehbarem Leid bezahlt werden. So denkt der Mensch, weil er sich Gott nicht losgelöst von der Gerechtigkeit vorstellen kann.
Angst vor dem Himmel aber zerstört den Himmel. Unter diesen Umständen will da keiner hin.
Barmherzigkeit tilgt die Angst vor dem, was die Gerechtigkeit fordert
Gott ist aber nicht nur gerecht – er ist auch barmherzig (die Einheit von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist die Liebe). Deshalb hat Jesus in den Jahren vor seinem Tod von der Barmherzigkeit des Vaters gepredigt und Mut gemacht, den Weg zur himmlischen Gemeinschaft mit dem Vater zu gehen. Ohne Angst.
Allerdings ist die Liebe auch den Opfern gegenüber verpflichtet. Gott kann nicht den Tätern zuliebe das Leid der Opfer ignorieren (zumal alle Menschen Täter und Opfer zugleich sind). Liebe ist nicht eine ungerechte Barmherzigkeit, aber auch keine unbarmherzige Gerechtigkeit.
Vielmehr hat Gott beschlossen, das Leid, das die Menschen einander angetan haben, selbst zu tragen. Das Leid, dass alle Sünder vor Augen haben und von dem sie wissen, dass sie es um des Himmels willen selbst ertragen müssten, trägt Gott. In seinem Sohn. Am Kreuz.
Deshalb ist Gott Mensch geworden: Um uns zu erlösen
Gott hat uns nicht erst erlöst, als er am Kreuz gestorben ist. Schon seine Menschwerdung, seine Geburt und sein Leben war ein Opfer. «Ohne das Kreuz wäre Weihnachten nur ein Kindergeburtstag.» Aber er ist diesen Weg eben bis zum Ende gegangen. Wärest du der einzige Mensch auf der Welt, Jesus wäre dennoch für dich am Kreuz gestorben: So groß ist die Summe deiner Sünden, die Gesamtheit deiner Schuld. Aber es gilt auch: Selbst wenn du der einzige Mensch auf der Welt wärest, wäre Jesus am Kreuz gestorben: So sehr schätzt er dich. So groß ist seine Liebe.
Nun steht der Himmel offen
Mit dem Tod Jesu am Kreuz ist unsere Schuld bezahlt – so sagt die Bibel. Damit ist gemeint, dass wir nun den Himmel ergreifen können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass mir all meine Sünden vorgehalten werden (von wem auch immer) und von mir Wiedergutmachung gefordert wird. Wer immer das auch verlangen würde: Jesus hat meine Schuld getragen. Ich darf mich darauf berufen. Es ist das Opfer, das er in meine Hände legt.
Das setzt natürlich voraus, dass ich mir das Opfer Jesu zu eigen mache. Dass ich glaube, dass er das alles für mich getan hat. Dass ich wirklich keine Angst mehr haben muss. Dass ich mich und meine Schuld vor niemanden mehr verstecken muss. Je mehr ich das lebe, glaube und in Denken, Worten und Handlungen umsetze, umso mehr wird in mir schon Ostern.
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