Die Frage nach Homo- uns Hetero-Sexualität wird oft so geführt, als wenn es nur um die sexuelle Praxis als solche geht. Die offizielle Argumentation der katholischen Kirche bezieht sich aber auf die Ehe: Eine Ehe kann nur von einem Mann und einer Frau geschlossen werden. Und da der Geschlechtsverkehr allein in der Ehe seinen legitimen Platz hat, ist -logisch gefolgert- jeder homosexuelle Akt nicht im Sinne der Schöpfungsordnung.
Wir können also die Frage nach der moralischen Qualität der homosexuellen Praxis nicht von der Frage lösen, warum eine Ehe nur zwischen den Geschlechtern geschlossen werden kann. Worin liegt der Sinn dieser Eingrenzung der Ehefähigkeit?
Man bedenke allerdings beim Lesen dieses Artikels, dass sich die katholische Ehe- und Sexuallehre als Naturrecht versteht. Sie wird als «entdeckt», nicht argumentativ hergeleitet. Erwartet als keine hieb- und stichfeste Begründung.
Mir geht es hier eher darum, das katholische Denken so darzustellen, dass es verstehbar wird. Ob Du, werter Leser, damit übereinstimmst oder nicht, bleibt nach wie vor Dir allein überlassen. Aber vielleicht kannst Du unser Denken nun nachvollziehen.
Die Bedeutung der Geschlechter
Die Antwort auf die Frage, warum nach katholischem bzw. christlichem Verständnis eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden kann, ist recht kurz:
«Mann und Frau bleiben einander immer fremd.»
Echt jetzt? Das soll die Antwort sein? Und zudem noch wertschätzend? – Die Aussicht, dass Mann und Frau einander immer fremd bleiben, klingt tatsächlich erst einmal nicht sehr verheißungsvoll.
Konsequent ist es schon: Wenn die Geschlechter nicht nur bloße biologische Gegebenheiten sind, die nur einen mittelbaren (oder vielleicht sogar gar keinen) Einfluss auf Charakter und Geist der Personen haben, können sich Mann und Frau beliebig angleichen. Eine gute Freundschaft würde sich nach genügend Zeit und Mühen in keiner Weise von einer zwischengeschlechtlichen Beziehung oder Ehe unterscheiden. Und wenn dann noch die praktizierte Sexualität in allen Beziehungen gleichermaßen üblich ist, gibt es nur noch einen graduellen Unterschied zwischen allen Beziehungen.
Wenn aber das Mann- und Frausein bis in das geistige Wesen der Person reicht (also bis in die immaterielle Seele) und dort eben als realer Unterschied vorliegt (so wie die Beschaffenheit eines Schmuckstückes aus Gold oder aus Silber besteht), dann mögen sich die verschieden-geschlechtlichen Partner einander ein Leben lang annähern, sie würden doch niemals gleich werden. So wie auch kein Gold durch die Hand des Juweliers zu Silber wird, mag er noch so geschickt sein.
Ein Geschenk
In Wahrheit ist die Polarität der Geschlechter aber ein Geschenk, eine Verheißung, ein Schöpfungs-Clou Gottes: Mann und Frau bleiben ein Leben lang füreinander interessant, überraschend, immer neu und spannend. Da Mann- und Frausein nicht in den Eigenschaften der Personen besteht, sondern darin, wie diese Eigenschaften in die Beziehung eingefügt werden, bleiben beide immer aufeinander verwiesen und füreinander Geschenk.
In der Katechese zur Ehe habe ich den wichtigen und erhellenden Aspekt betont, dass Mann und Frau füreinander Gotteserfahrungen sein sollen. Aber eben nicht in der Liebe, die nur das liebt, was im anderen genauso ist wie ich selbst. Sondern erst, indem wir auch lieben, was wir selbst nicht sind, werden wir selbst Gott zunehmend ähnlich – und zugleich für den anderen zu einem Bild, das uns Gott nahe bringt, der mich liebt. Obwohl – oder weil? – ich nicht bin wie Gott.
Diese Erkenntnis: «Gott liebt mich, auch wenn ich nur ein Geschöpf bin, nicht perfekt und vollkommen in meiner Gottesebenbildlichkeit!» ist nicht nur das Geheimnis einer jeden ehelichen Liebe. Sie ist Kern unserer Verkündigung und Geheimnis des Christlichen. Und sie kann Leben retten!
Falsche Hoffnungen und echte Verheißungen
Man sagt, dass so mancher Ehepartner bei der Eheschließung die Hoffnung hegt, die manchmal störende Andersartigkeit des Partner schon «irgendwie zu beheben». Eine Hoffnung, die sich manchmal erst nach Jahren oder Jahrzehnten als unerfüllbar erweist. Aber das liegt nicht (allein) an der Unwilligkeit des Partners!
Wenn wir erkennen, dass das Wunderbare an der immerwährenden Unterschiedlichkeit von Mann und Frau deren Unüberwindlichkeit ist, lernen wir, im Ehepartner Gottes Geschenk zu sehen. Der Vorwurf: «Dass meine Frau mich immer noch nicht versteht, ist letztlich Dickköpfigkeit oder gar Böswilligkeit!» kann (ich gebe zu, manchmal mit einiger Überwindung) immer in diese Bewunderung überführt werden. Gebe es diese Nicht-Auflösbarkeit des Unterschiedes nicht, wäre jede Andersartigkeit des Partners nur vorübergehend und die Schuldzuweisung, es liege nur an mangelndem Willen, nicht weit.
Wenn Ehepartner sich immer an die grundlegende gleiche Würde, gleiche Ebenbildlichkeit und gleiche Schönheit im eigenen Sein wie auch im Sein des Ehepartners erinnern, wird die Hoffnung auf eine Angleichung der Personen der Freude am Andersbleiben Platz machen.
Kein Grund zum Schauspielern
In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ist es nicht selten, dass die beiden Partner ihre Unterschiedlichkeit wie durch ein Ausfüllen bestimmter Rollen aufrechterhalten. Das kann anstrengend sein – und führt vor allem dann zu Enttäuschungen, wenn diese Rollen irgendwann nicht mehr aufrecht erhalten werden. In einer heterosexuellen Beziehung braucht keiner der Partner Angst zu haben, dass die Differenz zwischen beiden Partnern irgendwann verschwindet. Es gibt keinen Grund, die Unterschiedlichkeit zu schauspielern, zu betonen oder an ihr festzuhalten. Ganz im Gegenteil: Beide dürfen sich einander beliebig angleichen und sich auch darüber freuen, weil sie wissen, dass ihre eigene Einmaligkeit nicht durch ihre (Charakter-) Eigenschaften garantiert werden, sondern durch die Andersartigkeit ihrer Seele.
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