III. Das Problem heute

Nun, ich habe im letzten Abschnitt (Kirche 2.0 – 1/2 – eine noch radikalere Reform) zwar inhaltlich die Neubestimmung des Wertes der Laien durch das II. Vatikanische Konzil beschrieben, dieses Konzil aber kein einziges Mal zitiert. Ich verzichte auch weiterhin darauf, weil ich davon ausgehe, das wir uns in dieser Feststellung einig sind.
Uneinig sind wir wahrscheinlich eher in der Frage, wie es soweit kommen konnte, dass die «Amtskirche» als «eigentliche Kirche» missverstanden wurde. Haben die Laien selbst Angst vor ihrer hohen Berufung gehabt und das dann alles schön den Priestern überlassen? Oder haben die Kleriker den Laien ihre Freiheiten nicht zugetraut und wollten lieber doch alles selbst in der Hand behalten?

Ursachen

Die Frage, wer eigentlich Schuld daran hat, dass in der jetzigen westlichen Kirche die Priester alles und die Laien fast nichts entscheiden (falls dem wirklich so ist), ist nicht mit «entweder-oder» zu beantworten. Ich möchte an dieser Stelle einen Text zitieren, der das Problem gut auf den Punkt bringt – und der direkt aus der Zeit des Konzils stammt. Von 1971. Dort heißt es:

Seit einem halben Jahrhundert läuft das ganze Bemühen der Päpste darauf hinaus, eine Laienschaft zu schaffen – neu zu schaffen.
Seit der Reformation hatte man derart nachhaltig die Rechte, die Machtbefugnisse und die Bedeutung der Hierarchie betont, dass man schließlich die Kirche mit ihr identifizierte. Im 20. Jahrhundert entdeckte man, dass die Geistlichen im Dienst der Laien stehen und dass es ohne diese überhaupt keine Kirche gibt.

Doch es dauerte lange, bis einmal angenommene Gewohnheiten überwunden werden, und die entklerikalisierten Kleriker stehen nicht selten Laien gegenüber, die katholischer sind als der Papst und klerikaler als ihr Pfarrer.
Wenn man den Laien von ihrer «Berufung» (vgl. Eph. 1, 3-6) spricht, so werden sie gleich annehmen, man wolle sie ins Kloster treiben. Sie haben keine Ahnung von ihrer eigenen christlichen Berufung, die bedeutend wesentlicher ist als die Berufung zum Ordensleben.

Fragt sie, wie es um ihr religiöses Leben steht, und wie werden zur Antwort geben: «Ich bete jeden Abend und kommuniziere jeden Sonntag», was ungefähr das gleiche ist, als wenn jemand, den wir nach seiner Arbeit fragen, uns antwortet, er nehme vier Mahlzeiten am Tag zu sich. Denn das religiöse Leben des Laien ist sein Berufsleben, sein Familienleben und sein Leben in seinem engeren Lebensraum. Dort lebt er seinen Glauben und seine Liebe. In der Kirche aber holt er sich nur sein Nahrung. (Luis Evely, «beten – aber wie?», Aschaffenburg 1971, S. 61)

Da ist die Rede von der Entmachtung der Laien durch die Kleriker – schon seit 500 Jahren. Aber auch von den Bemühungen der vorkonziliaren Päpste, die Entmachtung zurückzunehmen – und den Schwierigkeiten, die dieser Versuch mit sich bringt. Denn es gibt nicht nur Kleriker, die den Laien nur wenig zutrauen (wollen); es gibt offensichtlich auch Laien, die dieses Vertrauen als Zumutung verstehen – und ablehnen.

Gefesselte und geknebelte Laien

Offensichtlich sind auch diejenigen noch im vorkonziliaren Kirchenbild verhaftet, die verlangen, Anteil an den Weiheämtern zu bekommen – weil sie ansonsten nichts in der Kirche zu sagen hätten.

Die Aussagen moderner Vorkämpfer für das Frauenpriestertum über die vielen Menschen, die keinen Anteil am Weihepriestertum haben (davon sind ungefähr 50 % Frauen), sind so offensichtlich vorkonziliar, dass man sich wundert, dass heutige Reformbewegungen sich nicht schämen, diese auf ihre Fahnen zu schreiben: «Frauen haben in der Kirche nichts zu sagen» – «Frauen haben in der katholischen Kirche keine Stimme, keine Freiheit, keinen Platz.» – «Die Männerkirche will die Frauen einfach nur unmündig halten» – «Wir Frauen lassen uns nicht länger den Mund verbieten!» – «Die Zeit ist reif, dass Frauen endlich gleichberechtigt die Kirche mitgestalten.» (kfd, Homepage) – «Ich wünsche mir, dass Laien stärker in die Kirche mit eingebunden werden… Wir müssen dringend über die Weiheämter reden!» (Barbara Hendricks im Domradio)) – «Frauenlob wird gerne von Kirchenmännern gesungen, die aber allein bestimmen, wo Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen dürfen.» (Maria 2.0, Online-Petition) – Immer ist mit Kirche die «Hierarchie« gemeint, das Dienstpersonal. Wer nicht Amtskirche ist, hat nichts zu sagen? Hallo?! Dabei haben doch die Laien die eigentliche Macht in der Kirche – und die größte Freiheit!

Offensichtlich sind auch diejenigen noch im vorkonziliaren Kirchenbild verhaftet, die verlangen, Anteil an den Weiheämtern zu bekomme

Das Bild vom gefesselten und geknebelten Laien besticht – hat aber mit der Realität nicht viel zu tun. In der katholischen Kirche gibt es eine Pressefreiheit wie eine Meinungsfreiheit; und diese wird auch von etablierten katholischen Vereinen, bücherschreibenden Laien, Professoren und christlichen Politikern eifrig genutzt, auch nicht-katholische Ansichten zu verbreiten. Im Gegenteil: Getaufte und Gefirmte, die nicht in die Hierarchie eingebunden sind (wie eben Diakone, Priester und Bischöfe), sind viel freier als diese, selbst zu bestimmen, was sie aus ihrem Glauben heraus tun wollen – oder eben nicht.

Frauen in der Kirche

Damit sind wir beim oben angekündigten Thema «Maria 2.0». Aber, bitte nicht missverstehen: Die bisherigen Ausführungen (vor allem in „Kirche 2.0 – 1/2 – Eine noch radikalere Reform“) sind mir (und der ganzen Kirche) ein eigenständiges, dringendes Herzensanliegen!
Man möge mir bitte glauben (auch wenn ich wegen der Bedeutung, die diese Gedanken für die Diskussion um Maria 2.0 hat, auf Kritik stoßen werde), dass mein ganzen Wirken als getaufter Christ und Priester sich um nichts anderes dreht, als die Berufung aller Getauften und Gefirmten zu fördern und zu schützen!

a. Verzweckt nicht die Frage nach der Frauenweihe!

Gerade weil mir die eigenständige Berufung aller Getauften ein so großes Herzensanliegen ist, raufe ich mir bei der Forderung «Frauen in alle Weihämter!» so sehr die Haare: Anstelle die Berufung der Laien zu schützen, glaubt man offensichtlich, dass eine Berufung nur gewürdigt wird, wenn sie ins Weiheamt führt. Deshalb an dieser Stelle drei Gedanken aus dem bisher Gesagten für die Diskussion:

1 Attraktivität der katholischen Kirche: «Wenn wir die Frauen nicht zum Priesteramt zulassen, laufen uns die Katholiken massenhaft davon!» – Nun, ein Blick in die evangelische Kirche zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. In allen Jahren seit Beginn der Zählung (im Jahr 1990) hat die evangelische Kirche eine weitaus größere jährliche Austrittszahl als die katholische Kirche in Deutschland (mit lediglich zwei Ausnahmen im Jahr 2010 und 2013). Die Menschen laufen offensichtlich der evangelischen Kirche in größeren Scharen davon – obwohl es dort eine Frauenordination, verheiratete Pfarrer und eine gesunde Basisdemokratie in den Gemeinden gibt. – Eine noch deutlichere Sprache sprechen die Kirchenbesucherzahlen in der evangelischen Kirche.

2 Gleichberechtigung auch in der Kirche: Aber es gibt auch Menschen, die nicht mit der Akzeptanz bei den eigenen Gläubigen, sondern mit der grundsätzlichen Gleichberechtigung argumentieren: «Eine Kirche, die eklatant gegen das Gleichberechtigungsprinzip verstößt, verdient den Namen ‚christlich‘ nicht!» – Nun, das mag gelten, wenn das Weiheamt ein Machtamt wäre. Wenn das Weiheamt aber ein Dienst ist (zudem verbunden mit dem Verzicht auf zahlreiche Rechte – wie z. B. die Heirat und die freie Wohnortwahl), dann ist die Zulassung von nur wenigen Kandidaten (aus theologischen Gründen) keine Beschneidung von Rechten.
Im Gegenteil: Alle Bemühungen, das Amt als reines Dienstamt wieder zum Leuchten zu bringen, wäre durch nichts stärker gefährdet, als durch die Entscheidung, es deshalb für alle zu öffnen, weil «sonst die Macht nicht gerecht verteilt wäre». Jede Forderung nach Gleichberechtigung offenbart, dass es dabei um Rechte geht – und nicht um die Bereitschaft zum Dienst.

3 Bremse: Der Wille zum Machterhalt der Männer: Aber warum hält die Kirche nach wie vor am reinen Männer-Priestertum fest? Nun, abgesehen von theologischen Gründen, die viele «für wenig überzeugend» halten, wird immer wieder behauptet, dass die Männer ihre Macht nicht mit den Frauen teilen wollen. Ein absurdes Argument: Dann müsste jeder Priester ja ständig darauf hin wirken, dass möglichst keine Priester mehr geweiht werden – weil er sonst seine Macht teilen müsse?! Eine Frau mit mir im Priesteramt wäre für mich nicht im Geringsten eine Bedrohung (warum auch?). Die größte Beschneidung der Macht eines jeden Pfarrers ist der Bischof, dem er Gehorsam versprochen hat – und nicht ein weiblicher Priester an seiner Seite oder in der Nachbarpfarrei.

b. Frauen in der Kirchengeschichte

Manchmal liest man eine wunderbare Zusammenstellung über beeindruckende Frauen, die in der gesamten Kirchengeschichte Großartiges geleistet haben. Angefangen bei Maria Magdalena und den frühchristlichen Märtyrerinnen, den ersten Christen in Rom (namentlich die Schwestern Praxedis und Pudentia), über die Heilige Scholastika, die Heilige Klara, Hildegard von Bingen, die große und die kleine Theresa bis hin zu den großen christlichen Kaiserinnen, Königinnen oder Fürstinnen (wie z. B. Elisabeth von Thüringen), den Beraterinnen von Päpsten wie (z. B. Brigitta von Schweden, Katharina von Siena), Theologinnen (z. B. Edith Stein) und noch viele mehr.

Etwas verstörend ist dann, wenn mit Verweis auf diese großartige Riege von selbstbestimmten und selbstbewussten Frauen der Ruf nach der Weihe der Frauen kommt. Diese Frauen waren groß in IHRER Berufung; die haben in vorbildlicher Weise die Berufung der Getauften gelebt und verwirklicht (und sind damit auch den Männern in der Kirche ein bleibendes Vorbild). Es wäre sicherlich ein Verrat an ihrer Größe, wenn man von ihnen oder der Kirche verlangen würde, diese durch Weihe in die Hierarchie einzuordnen und gefügig zu machen.

Der Verweis auf die Größe von Frauen in der Kirchengeschichte bis in die heutige Zeit ist ein gutes Argument für die Kirche 2.0 und gegen die Frauenweihe: Gerade weil es in der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten bewundernswerte weibliche Berufungsgeschichten gegeben hat, ist der Schluss, Frauen wären wegen der verweigerten Weihe mundtot gemacht, offensichtlich falsch.

c. Frauen in der Kirche heute

«Ohne Frauen liefe in der Kirche doch gar nichts mehr! Die Mehrzahl der Angestellten, der Gottesdienstbesucher und der Ehrenamtlichen sind doch die Frauen!» Genau! Diese Frauen sind (genauso wie die etwas weniger präsenten, aber dennoch genauso wichtigen Männer) nicht nur die Stütze der Kirche – sie sind die Kirche. Sie zeigen, wie lebendig die Kirche in jeder Hinsicht ist – sowohl im Einsatz für die Armen, in die Weitergabe des Glaubens als auch für die Spiritualität der Kirche.
Diesen Einsatz mit der Weihe zum Kleriker «zu krönen», ist Klerikalismus pur: Wer den Einsatz und das Wirken eines Menschen würdigen will, der macht ihn nicht zum Diener.

Klerikalismus

Einen gewichtigen – wahrscheinlich den gewichtigsten – Einwand gegen die jetzige Kirche teilen sich Maria 2.0 und Kirche 2.0 gemeinsam: Es gibt tatsächlich einen Klerikalismus in der Kirche, den es zu überwinden gilt. Menschen mit einer Weihe sind eben nicht mehr Wert als andere, haben keine höhere Berufung als die Getauften und auch keine größere Würde. Im Gegenteil: Menschen mit einer Weihe verzichten auf einen großen Teil ihrer Freiheit und ihrer Rechte und stellen sich ganz in den Dienst der Kirche und ordnen sich ein in eine heilige Ordnung des Gehorsams.

Und dennoch – das ist die Fortführung des Einwandes – gewinnt man einen ganz anderen Eindruck, wenn man von außen auf die Kirche schaut: Da trägt der Priester (und der Bischof, der Kardinal und der Papst) besondere Gewänder, hebt sich ab von den anderen, steht auf der Kanzel und wird von den Gemeindemitglieder überschwänglich hofiert. Er genießt hohes Ansehen, wird «Hochwürden» genannt und profitiert von zahlreichen Privilegien. Mein Onkel hat sogar einmal gesagt, dass man «geweihte Häupter nicht kritisieren darf».

Das muss sich ändern! Das Amt des Priesters darf nicht mit so vielen verführerischen Privilegien verbunden sein, dass junge Menschen in die Versuchung kommen, nur wegen dieser «Sekundärgewinne» Priester werden zu wollen. Dabei ist das sowohl Mahnung an die Priester, sich möglichst von diesen Privilegien frei zu machen; als auch Anspruch an die Gemeinden, den Priester nicht genau mit diesen Dingen in Versuchung zu führen.

Und Versuchungen gibt es – vor allem für mich als Pastor auf dem Land – in Hülle und Fülle. Ich werde zu allen Festen eingeladen und darf immer am wichtigsten Tisch sitzen, ich soll das Büffet und das Schützenfest eröffnen; dem Pastor schenkt man gerne mal eine Torte, eine gute Flasche Wein oder auch (in meinem Fall) Schokolade… … und so weiter.
Sich von den unnötigen und gefährlichen Annehmlichkeiten eines Priesters frei zu machen, ist eine bleibende Lebensaufgabe. Nicht nur, weil der Priester damit die Versuchungen zurückweist, sondern weil er so den Blick immer wieder auf das lenken kann, was sein Amt ist: Der Dienst.

Aber dieser Dienst ist nunmal ein besonderer Dienst («besonders» heißt nicht besser, höher oder würdiger). Dafür nimmt sich der Priester besonders zurück – erinnert sich und andere aber auch immer wieder durch äußere Zeichen an diese Besonderheit: So trägt der Priester (je nach Weihestufe) ein besonderes Gewand; aber vom richtigen Selbstverständnis her ist das eher ein Gewand, das die individuelle Person überdeckt und zurücktreten lassen soll. Er trägt es, weil er ein Amt hat – und nicht, weil er ein besserer Christ wäre. So ähnlich, wie auch das Gewand einer Nonne oder eines Mönches kein Ehrenzeichen ist, sondern ein Zeichen der Zurücknahme und des freiwilligen Verzichts auf persönliche Ehre.
Vergleichen wir ruhig den Priester mit einem Diener eines Hotels oder am Königshof: Die Könige seid Ihr alle! Die Diener erkennt man zwar an ihre spezielle Kleidung (die manchmal hochwertig und farbenfroh ist); aber das erhebt sie nicht über die Könige! Natürlich soll man das Dienstpersonal (und die Amtsträger in der Kirche) schon mit Wertschätzung behandeln. Wie jeden Menschen!

Gerade der letzte Gedanke sollte uns vor dem anderen Extrem bewahren: Der Priester (und Bischof und Papst) ist nicht höherwertiger als ein Laie, aber eben auch nicht minderwertiger. Es ist immer wieder lobenswert, wenn Getaufte sich zu diesem Dienst bereitfinden. Aber nicht deshalb, weil sie eine größere Berufung haben als die Laien, sondern weil sie sich freiwillig in den Dienst an den Getauften begeben. Eine Wertschätzung für den Priester ist durchaus angebracht! Vergessen wir das nicht und lassen wir uns nicht zu einem allgemeinen Priester-Bashing hinreißen.

Bedenken wir aber gleichzeitig, dass die Hochachtung vor dem Dienst des Priesters nicht größer sein darf als die Hochachtung vor dem Dienst einer christlichen Mutter, Vaters oder Firmengründers. Wir haben Respekt vor dem Opfer, das der Priester bringt, genauso wie vor dem Verzicht eines christlichen Politikers und einer katholischen Großmutter.

Als enorme Verstärkung des Klerikalismus erachte ich dagegen die Intiative Maria 2.0 mit der Forderung, auch Frauen in den Klerikerstand zu erheben. Wir bauen die unnötige Erhöhung und die verführerischen Privilegien der Kleriker nicht ab, indem wir noch mehr Menschen zum Kleriker weihen (wer kommt eigentlich auf so eine Idee?!) – vor allem nicht, wenn diese Weihe als eine «Belohnung für den unermüdlichen Einsatz» oder eine «Verleihung von Macht» gedacht ist. Im Gegenteil: Das stärkt und zementiert den Klerikalismus.

Konkrete Vorschläge

Wenn die Zulassung des Frauenpriestertums keine Minderung des Klerikalismus bedeutet, sondern sogar eine Vergrößerung: Was könnte man dann sonst tun?

1 Leitung ohne Amt. – Selbstverständlich müssen alle Leitungsämter der Kirche, die nicht an ein Amt gebunden sind, auch Frauen offenstehen. Ohne notwendige Bindung an das Amt gilt das Prinzip der besten Eignung. Wer über das Weiheamt hinaus jede Leitungsfunktion in der Kirche nur den Männern vorbehalten will, ist tatsächlich unfair den großen Begabungen der Frauen gegenüber. Ebenso muss dann natürlich auch geprüft werden, welche Leitungsfunktionen in der Kirche auch für Nicht-Priester geöffnet werden können. Muss die Leitung des Seelsorgeamtes, des Kirchenvorstandes, der Kirchen- und Bistumsverwaltung, des Personalbeauftragten usw. mit einem Priester besetzt werden?

2 Die priesterlichen Aufgaben. – Viele Priester verzetteln sich in Aufgaben, die gar nicht zu den ureigensten Aufgaben des Priesters gehören (z. B. im Bau von Kindergärten und Pfarrheimen), andere Gemeinden verlangen nach einem Priester, ohne wirkliches Interesse an der Spendung der Sakramente zu haben. Wir tun sowohl den fähigen Laien als auch den überarbeiteten Priestern keinen Gefallen, wenn wir den Priester nicht mehr wegen seiner priesterlichen Aufgaben schätzen; das aber setzt voraus, dass wir (zusammen mit den Priestern) immer wieder neu begreifen, was Aufgabe alle Getauften – und was Aufgabe des Priesters ist.
Manche Priester stöhnen darüber, dass sie aufgrund der großen Gemeinden nur noch «Reisende in Sachen Sakramente» seien. Aber – genau das sind sie! Aufgabe des Pfarrers ist zunächst (und nicht viel mehr als) die tägliche Feier der Eucharistie, die Spendung der Sakramente, die Sakramenten-Katechese (vor allem zur Taufe, Firmung, Eucharistie und Ehe), Beerdigungen und Segnungen; dazu die Predigt zur Auferbauung der Gemeinde und die Leitung der Gemeinde (wie gesagt: als «Schiedsrichter-Leitung»). Alles andere ist als großes Terrain der freien Gestaltung durch die Getauften überlassen!

3 Gegenseitiger Respekt. – Alle Inhaber eines Dienstamtes sollten immer mit Wärme, Wertschätzung und Ermutigung vom Amt der Getauften sprechen. Zu ihrer Aufgabe gehört es selbstredend, die Getauften an ihre Aufgabe und ihre Befähigung zu erinnern. «Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt!» (Eph 1,18).
Die Getauften mögen dagegen den Amtsträgern Respekt und Anerkennung entgegenbringen, für die Entfaltung der Taufgnade das Dienstamt zu übernehmen. Gleichzeitig mögen sie aber auch in aller Freiheit die Kleriker daran erinnern, dass sie nicht Herren des Glaubens, sondern Diener der Freude sein sollen: «Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern wir sind Mitarbeiter eurer Freude; denn im Glauben steht ihr fest.» (2 Kor 1,24). Und Petrus schreibt: «Seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!» (1 Petrus, 5,3)

IV. Die große Berufung der Laien

Wir haben eine eigene, sehr ausführliche Katechese zur Berufung aller Getauften zum allgemeinen Priestertum geschrieben – und können sie immer noch jeden empfehlen, der glaubt, er sei als Laie weniger Kirche oder weniger wert.
Ich kann an dieser Stelle nur mit einer Auflistung schließen, welche Freiheiten sich die Getauften zutrauen sollten – und auch gegen den Widerstand vorkonziliar denkender Priester (und Laien) bewahren müssen.

Alle Getauften haben das kirchenrechtlich verbriefte Recht, sich jederzeit in Vereinen, Gemeinschaften und Gruppen zu organisieren: «Den Gläubigen ist es unbenommen, Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zu leiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen.» – can. 215 CIC

Alle Getauften haben jede Freiheit, sich zu Gebeten zusammenzufinden, Andachten abzuhalten und Wallfahrten oder Pilgerfahrten zu organisieren!
Alle Getauften haben jede Freiheit, sich in der Verbreitung des Glaubens zu engagieren, nicht nur in der Familie und dem privaten Umfeld (obwohl das ihre erste und ureigenste Kompetenz ist). Sie können Glaubensgesprächskreise bilden, Referenten einladen und selbst Vorträge halten – usw.!

Zu diesem Zweck muss (!) die Kirche (damit sind hier die Priester bzw. Pfarrer vor Ort gemeint) ihnen in jeder Hinsicht eine Hilfe und Unterstützung sein – sowohl in der Öffnung der Kirchen, der liturgischen Unterstützung, der fachlichen Beratung, der zur Verfügungstellung von Pfarrheimen oder anderer Räumlichkeiten!

Ich weiß, dass hier zum allergrößten Teil «der Hund begraben ist»: Viele meiner Mitbrüder tun sich schwer, «ihr Pfarrheim» oder «ihre Kirche» vertrauensvoll den Getauften zu öffnen. Erinnern wir diese Kleriker daran: Der Kirchenraum ist «Raum der Kirche»; und das Gemeindezentrum «Haus der Gemeinde»: Und damit sind immer alle Getauften gemeint! Das ist Euer Haus!

Abschließend drei Empfehlungen zum Weiterlesen (auch als Wink mit dem Zaunpfahl, dass uns das neue Selbstbewusstsein aller Getauften schon lange vor Maria 2.0 ein Anliegen war):

http://www.k-l-j.de/085_allgemeines_priestertum.htm

http://www.k-l-j.de/040_berufung.htm

http://www.k-l-j.de/120_zukunft_der_gemeinde.htm

It’s a long way

Es ist so wichtig, die Kirche im Ganzen an die größte Berufung zu erinnern, die ihr geschenkt worden ist: Die Berufung zum neuen Leben in der Taufe! Deshalb ist es so schade, dass wir uns nicht über die unendlichen Möglichkeiten austauschen, die die Entfaltung dieser Gnade ermöglichen, sondern nur über die Flucht vor dieser Berufung in die viel engere Berufung zum Priester oder Bischof.
Aber nur, weil es ein langer und ein steiniger Weg ist, heißt es nicht, dass wir ihn nicht im Vertrauen auf das Wirken des Geistes gehen sollten! Es wird dringend Zeit, dass die Kirche sich ändert!

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