Nein, es ist kein Zufall, dass der Titel dieses Artikels an die Bewegung «Maria 2.0» erinnert, die 2019 ins Leben gerufen wurde und zu einer Erneuerung der Kirche von oben beitragen wollte. Allerdings will diese Katechese sich nicht damit begnügen, eine Antwort auf diese Initiative zu geben. Auch werden wir uns mit der Frage, warum Frauen keine Priester werden können, hier nicht beschäftigen (dazu hat die Karl-Leisner-Jugend bereits vor Jahren eine eigene Doppel-Katechese geschrieben).

Wir wollen die entsprechenden Forderungen (zum Beispiel der kfd: «Frauen in alle Weiheämter!») vielmehr zum Anlass nehmen, über die Struktur der katholischen Kirche nachzudenken. Denn manchmal, wenn wir unseren Fragen wirklich ganz auf den Grund gehen, kommen wir zu Gedanken, die tiefer führen und eine neue Einsicht ermöglichen.

Neu? – Naja. Die Erkenntnisse, zu denen wir in dieser Katechese kommen wollen, sind nicht wirklich neu. Mit ziemlicher Sicherheit handelt es sich bei der Entdeckung dieser Erkenntnisse um «Wiederentdeckungen» vergessener Wahrheiten. Vielleicht sind sie, wie L. Evely glaubt, schon seit der Reformation vergessen worden; spätestens aber seit ca. 100 Jahren wurden sie zunehmend ins Bewusstsein gerufen. Zuletzt wurden diese im II. Vatikanischen Konzil formuliert und waren zumindest in den ersten Jahren nach dem Konzil in aller Munde. Leider ist dieser Aufbruch (zumindest in Deutschland) wieder verloren gegangen, weshalb wir dieser Katechese auch einen anderen Titel geben könnten:

Wir fordern eine veränderte Kirche!
Setzt endlich das II. Vatikanische Konzil um!

I. Es gibt ein Problem mit der Kirche

Viele Menschen haben ein Problem mit der Kirche. Das verwundert eigentlich nicht: Denn es gibt viele Menschen, die nicht an Gott glauben. Die wundern sich selbstverständlich über vieles, was in der Kirche passiert.
Aber es gibt auch Menschen, die an Gott glauben, aber trotzdem Probleme mit ihrer eigenen Kirche haben. Auch das ist normal: Denn in jeder Kirchengemeinschaft (ob evangelisch, orthodox, freikirchlich, anglikanisch oder katholisch) gibt es Menschen, die Fehler haben und falsche Entscheidungen treffen.

Schwierig wird es, wenn in einer Kirche Menschen glauben, dass nicht die Menschen in der Kirche sich ändern müssen, sondern dass die Kirche selbst sich ändern muss. Aber genau das tun heute viele Menschen, die in, vor und gegen die Kirche protestierten. Sie meinen, die Kirche müsse sich ändern.

Wir finden, sie haben Recht.
Die Kirche muss sich ändern!
Sie muss endlich das,
was schon vor vielen Jahrzehnten
auf einem Treffen aller Bischöfe der Welt
(dem «Zweiten Vatikanische Konzil»)
gelehrt wurde,
in die Tat umsetzen!

Das Problem: Die Hierarchie

Das Problem hat einen Namen: Die Hierarchie. So nennen wir die Struktur der Kirche, so, wie sie aufgebaut ist. Die Hierarchie der Kirche besteht aus Ämtern, die oft mit einer Weihe verbunden sind: Diakon, Priester und Bischof wird man durch eine Weihe (der Papst dagegen wird nicht geweiht, sondern «eingesetzt»). Deshalb sprechen viele, wenn sie die «Hierarchie» meinen, von der «Amtskirche».
Unterhalb der «Amtskirche» (manche sagen «Kirche» und meinen damit nur die «Amtskirche») gibt es dann noch die Laien. Zumindest wird das so von den meisten Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche gesehen.

Wie die Hierarchie der Kirche oft gesehen wird

Der Papst. – Ganz oben, an der Spitze der katholischen Kirche steht der Papst. Der Papst ist der Chef der Kirche. Er wird zwar von einigen Bischöfen gewählt, danach bleibt er aber bis zu seinem Lebensende im Amt (wenn er will). In diesem Amt kann er so gut wie alles allein entscheiden, auch ganz unbequeme Dinge. Normale Politiker können das nicht; sie wollen ja beliebt bleiben, damit man sie wieder wählt. Der Papst braucht aber keine Angst zu habe, dass er nicht wiedergewählt wird – er ist ja Papst auf Lebenszeit.
Die Bischöfe. – Die Bischöfe hören auf den Papst und befehligen die Priester. Sie sind sozusagen «regionale Chefs», wobei ihre Region das Bistum ist, dem sie vorstehen. So ähnlich wie der Papst sind sie einmal zum Bischof ernannt worden und bleiben das dann für eine lange Zeit. Normalerweise aber nicht bis an ihr Lebensende, sondern nur bis sie 75 Jahre alt werden. Manche auch länger.

Die Bischöfe sind relativ selbstständig. Wenn sie nicht gerade einen Befehl des Papstes ausführen, können sie ziemlich frei bestimmen, was in ihrem Bistum geschieht.

Die Priester. – Die Priester wiederum hören auf den Bischof und bestimmen, was die Gläubigen tun müssen. Sie werden vom Bischof geweiht und in eine Pfarrei geschickt. Manchmal bleiben sie dort lange Zeit, manchmal wechseln sie öfter. Das entscheidet der Bischof. Solange sie Pfarrer sind, entscheiden sie, was in der Gemeinde passiert.

Die Gläubigen. – Die Gläubigen (also alle, die getauft sind, aber nicht geweiht wurden) sind die Untersten in der Kirche und müssen denen da oben gehorchen.

So verstehen die meisten Menschen die der Kirche. Sie denken also, dass in der katholischen Kirche ganz oben der Papst steht und nun die Kirche von oben nach unten (über die Bischöfe und die Priester) regiert wird.

Frauen in der Kirche

Wenn jemand nun sagt: «Frauen können in der katholischen Kirche nicht Priester, Bischof oder Papst werden!», dann ist das hart. Manche sagen, man soll das doch vielleicht nicht so hart sagen, der Ton mache die Musik. Aber ich kann den Satz «Frauen können nicht Priester werden!» noch so nett sagen. Die Leute werden es immer noch hart finden. Am Ton liegt es nämlich nicht, dass sich viele ärgern. Sondern daran, dass der Inhalt so endgültig klingt. Das Problem ist: Der Inhalt ist endgültig.

Papst Johannes Paul hat 1994 in einem Schreiben erklärt, dass die Kirche niemals das Recht haben wird, Frauen zu Priestern zu weihen. Dabei benutzt er Formulierungen («Als Nachfolger des Hl. Petrus erkläre ich…»), die ein Papst nur benutzt, wenn er ein Dogma verkündet. Weil manche nicht glauben wollten, dass es sich dabei um eine endgültige Entscheidung handelt, hat die Glaubenskongregation auf Anfrage erneut erklärt, dass es sich dabei um eine verbindliche und endgültige Lehre der Kirche handelt. In verschiedenen Äußerungen wurde das von den nachfolgenden Päpsten (also Benedikt XVI. und Franziskus) mehrfach bestätigt.

Das ist ja auch wirklich ungerecht, dass Frauen damit jede Art von Entscheidung in der Kirche verwehrt wird. Und jede Leitungsaufgabe! Und jede Möglichkeit, eigene Initiative zu entwickeln; Dinge anzustoßen und Neues zu versuchen!

Aber die Hoffnung auf eine Änderung ist gering. An der Struktur (also der Hierarchie) der Kirche wird sich in dieser Frage nicht viel ändern.
Aber was wäre eigentlich gewonnen, wenn neben den Männern nun auch Frauen und Verheiratete Chef werden? Also Bischöfinnen und Päpstinnen? Es würde dann nach wie vor von oben nach unten regiert. Auch in einer gleichberechtigten Kirche (zwischen den Männern und Frauen in den Ämtern) sagen immer noch «die da oben» denen «da unten», was diese zu tun haben. Nur, dass oben und unten jetzt neben Männern auch Frauen (und vielleicht auch noch Verheiratete) das Sagen haben.

Vielleicht müssen wir die Kirche
noch viel gründlicher ändern.

II. Ein Konzil stellt die Kirche auf den Kopf

Das, was die Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelehrt haben, ist tatsächlich eine noch größere Änderung als die geforderte Öffnung der Weiheämter für alle (also für Männer und Frauen). Sie haben die Kirche im wahrsten Sinne auf den Kopf gestellt!
Oder, besser: Sie haben die Kirche wieder so beschrieben, wie Jesus sie haben wollte. Ohne einen Befehlshaber an der Spitze. Sondern mit allen getauften Menschen an der Spitze, die mit dem Heiligen Geist beschenkt wurden: Männer, Frauen, Ledige, Verheiratete, Kinder, Alte, Jugendliche, Lehrer, Arbeiter, Bauern und Handwerker – und so weiter. Ein ziemliche breite Spitze.

Wie Jesus die Kirche eigentlich wollte

Die Spitze der Kirche: Die Laien. – Oben, als Chef, sollte nicht der Papst stehen. Dort ist Platz für jeden Christen, jeden Getauften. Sie alle haben den eigentlichen Auftrag Jesu bekommen, «Sauerteig für die Welt» zu sein. Sie verkünden der Welt, sie verändern die Welt, sie sind Hoffnungszeichen für alle.
Die Gläubigen leben fast immer in Familien, stammen aus Familien oder gründen welche. So kann man sagen, dass das Herz der Kirche die Familie ist und das diese ganz oben an der Spitze der Kirche steht.

Deren Diener: Die Priester. – Die Priester sind nun nicht diejenigen, die den Familien zu sagen haben, was sie tun sollen. Im Gegenteil! Die Priester (auch die Pfarrer) sind die Diener der Familien und der Gemeinden. Sie spenden die Sakramente, damit die Gläubigen ihre Fähigkeiten möglichst bunt entfalten können. Vielleicht gründen die Getauften auch Vereine, Gruppen oder Bewegungen. Für alles, was sich die Laien ausdenken, steht der Priester zur Verfügung; erzählt ihnen vom Evangelium und stärkt sie.
Priester sind keine Bischöfe. – Dabei sind die Priester keine wirklichen Leiter der Ortskirchen. Das sind nämlich die Bischöfe. Bischöfe können unter Umständen Lehrentscheidungen treffen und auch mal Personen aus der Kirche entlassen. Priester können das nicht; sie sind echte Diener (und ihr Amt ein Dienstamt). Sie leiten zwar die Gemeinde – aber nur insofern, damit niemand die Getauften behindert, ihre Gaben zu entfalten. Wie ein Hirte eben.

Bischöfe sind Leiter der Ortskirche. – Wenn es heißt, dass die Bischöfe Leiter der Ortskirche sind, dann klingt das doch wieder nach Chef. Aber die haben ein fest umschriebenes Ziel: Sie sollen alles tun, um die Laien und Getauften in ihrer Berufung zu stützen – ohne ihnen in ihre Aufgabe hineinzureden. Bischöfe können Priestern zwar Befehle erteilen (wir nennen es lieber «Anordnungen»), aber alle Bischöfe und Priester können den Laien nicht befehlen, was sie zu tun haben. Das entscheiden die Laien selbst!

Bischöfe sind nämlich nur «Lehrer und Bewahrer der Freiheit der Getauften». Das heißt, sie können dem Volk Gottes zwar nicht vorschreiben, was sie zu tun haben; aber ab und zu müssen sie Grenzen aufzeigen. Der Auftrag der Bischöfe ist es, «richtig von falsch» zu unterscheiden und das zu verkünden – wenn es der Erhaltung der Freiheit der Getauften dient. Ich bin sicher, ihr könnt alle Bischöfe fragen: Das ist keine schöne Aufgabe. Aber sehr wichtig!

Der Papst ist wie ein Feuerwehrmann. – Und welche Rolle spielt der Papst nun? Interessanterweise erstmal fast keine. Er kommt immer dann ins Spiel, wenn sich die Bischöfe nicht einigen können. Dann wenden sie sich an den Papst. Er kann sie um Geduld bitten. Er kann sie auffordern, weiter miteinander zu reden. Im Zweifelsfall entscheidet er, welcher der strittigen Wege der richtige ist. Aber das tut er eigentlich ziemlich selten.

Dafür kann der Papst aber viele Anregungen geben; er spricht mit den Bischöfen und versucht, sie für verschiedene Ideen zu begeistern. Er kann zwar auch Anordnungen erteilen und (zum Beispiel über das Kirchenrecht) die Strukturen der Kirche gestalten. Aber auch ihm sind da enge Grenzen gesetzt. Deshalb geschieht das, wie gesagt, sehr selten.

Der Papst ist der «Diener der Diener» (so übrigens auch ein alter, oft gebrauchter Titel des Papstes); die Bischöfe sorgen sich um die Freiheit der Gnadengaben, die Entfaltung der Taufgnade; dazu senden sie Priester in die Gemeinden. Die Getauften aber sind die Spitze der Kirche – ihre ureigenste Verwirklichung. In den Getauften wird die ganze Kirche zu einer dienenden Kirche: Im Dienst an der Welt.

Die ganze Hierarchie, die Ämter und die Weihestufen – das alles ist nur Support. Alles dient der Freiheit der Getauften und Gefirmten. Und sie dienen der Welt. Und, vor allem: sie entscheiden selbst, wie sie das am besten können.

Das Entscheidende sind die Familien

Dabei sind es noch nicht einmal die Priester (oder Bischöfe oder Päpste), die sich als erstes darum kümmern, dass die Laien den Glauben bewahren, ihre Berufung entdecken und auf vielfältige Weise der Welt das Evangelium verkünden. Das geschieht alles fast immer in der Familie. Was dort geschieht, ist nicht Aufgabe des Priesters (gottseidank!), sondern aller Familienmitglieder.

Wir haben manchmal den Eindruck, so richtig dient jemand nur Gott, wenn er ins Kloster geht. Oder wenn er Missionar oder Priester wird. Ich gebe zu, in der Kirchengeschichte gab es immer wieder Stimmen, die einen solchen Eindruck verstärkt haben. Viele hatten deshalb den Eindruck, als wenn allein schon die Bezeichnung «Laie» eine Zurücksetzung ist. Deshalb spreche ich hier lieber von den «Getauften».

In Wirklichkeit ist es eine vollkommene Verwirklichung der Taufgnade, Mutter oder Vater einer Familie zu werden; bei der Leitung einer Familie wird nicht nur der Glaube, sondern auch die Fantasie, Klugheit, Weisheit und Mut, Kraft und Stärke gebraucht. Ebenso beim Dienst der Getauften an der Welt: In den Krankenhäusern, Fabriken, Werkstätten, Kindergärten, Schulen, Büro und Schaltzentralen der Wirtschaft – und so weiter. Davon haben wir Priester, Bischöfe und Päpste oft wenig bis überhaupt keine Ahnung. Da helfen viel besser die anderen Familienmitglieder, die Freunde, Bekannten und Kollegen. Dort wirkt der Geist, der die Welt erneuert!

Der Dienst der Kirche ist der Dienst der Getauften

Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass die Kirche schon seit Jahrzehnten sprachlos geworden sei, wenn es um eine angemessene Verkündigung des Glaubens auch im Hinblick auf Freundschaften, Liebe und Sexualität geht. Dabei habe ich ganz viele (und auch gute) Bücher im Regal stehen, die sich damit beschäftigen und von guten Christen geschrieben wurden. «Ja, aber die offizielle Kirche sagt dazu nichts!» bekomme ich dann zur Antwort.
Sorry: Aber die «offizielle Kirche» sind die Getauften. Und zwar alle. Auch die, die solche Bücher schreiben. Auch die Eltern, die ihre Kinder erziehen und ihnen ein gesundes Verhältnis zu ihrer Sexualität vorleben. Wer behauptet, die Kirche würde dazu nichts sagen, hat offensichtlich ein falsches Verständnis von denen, die tatsächlich Kirche sind!
Wir müssen uns das vielleicht erst wieder angewöhnen: «Die da oben» sind zwar auch Kirche, aber in Wirklichkeit sind sie nur die «untere Schicht», das Dienstpersonal. Die eigentliche Kirche – das sind die Getauften. Das, was die Getauften aus ihrer Taufbefähigung heraus tun, ist das Tun der Kirche.
Wenn in meiner Gemeinde die Menschen einen kranken Nachbarn besuchen, so ist das ein Tun der Kirche! (Weshalb die Beschwerde ziemlich seltsam ist, die Nachbarn wären zwar da gewesen, aber die Kirche noch nicht – nur weil weder der Pfarrer noch der Pfarreiratsvorsitzende bisher zu Besuch waren. Die Nachbarn sind auch Kirche!).

Der Dienst der Leitung

Aber, so werden bestimmt einige einwenden: Der Pfarrer ist doch dazu verpflichtet, die Gemeinde zu leiten? Also doch! Er ist der Chef.
Nun, darauf ist zweierlei zu antworten: Zum einen leitet der Pfarrer die Gemeinde nicht wie ein Bischof. Er hat also keine Befugnisse, jemand Befehle zu erteilen oder ihn aus der Gemeinde hinauszuwerfen. (Manche Priester tun beides trotzdem, aber das sind dann keine guten Gemeindeleiter.)
Zum anderen ist das Amt der Leitung nur eines von drei Ämtern (die im Kirchenrecht festgeschrieben sind): Der Bischof hat das dreifache Amt der Verkündigung, der Heiligung und der Leitung inne – und gibt es in abgeschwächter Form als Aufgabe an die Priester.

a. Verkündigung

Der Bischof und der Priester sind dazu berufen, das Evangelium zu verkünden. Aber vor allem an die Getauften und Gefirmten, nicht an die Welt. Die Getauften sind berufen, das Evangelium der Welt zu verkünden. Sie verkünden nämlich der Welt das Evangelium viel punktgenauer, wenn sie es so tun, wie sie es für richtig halten. Der Priester erklärt den Getauften das Evangelium, den Glauben und die Moral (das ist seine Aufgabe), damit diese es dann so weitergeben können. Die Getauften können nicht über den Inhalt des Glaubens entscheiden; aber das können die Priester und Bischöfe auch nicht. Aber die Getauften sind frei in der Art und Weise, wie sie verkünden – z. B. womit sie anfangen, was sie betonen und welche Beispiele sie wählen. Das können die auch viel besser entscheiden, immerhin leben sie in der Welt, wirken in ihr und sind ihr vielfältig verbunden. Dabei hilft ihnen der Heilige Geist in ihrer eigene Verbindung zu Gott und im Wissen darüber, wie es in der Welt zugeht.

b. Heiligung

Der Dienst der Heiligung geschieht in der Spendung der Sakramente. Das will ich hier nicht näher ausführen – zu allen Sakramenten haben wir oft mehr als eine eigene Katechese geschrieben.
Man kann bemängeln, dass die Sakramente nur von Priestern (oder Bischöfen) gespendet werden dürfen; weshalb das doch auch wieder eine Benachteiligung der Getauften sei. Aber erstens gilt, dass der Priester eben genau dafür da ist: Zum Dienst an den Getauften. Das ist eben seine Aufgabe, nicht die Aufgabe aller Getauften.

Und zweitens gibt es zwei wichtige Ausnahmen. Die Taufe kann (im Notfall) nämlich auch von einem Getauften, der nicht Priester ist, gespendet werden. Was eine vernünftige Konsequenz der Regel ist, dass die Priester zum Dienst an den Getauften zuständig sind, alle aber zum Dienst an den Nicht-Getauften. Taufen kann also jeder, nach der Taufe ist für alle anderen Sakramente der Priester zuständig.

Die andere wichtige Ausnahme von der «Nur-Priester-spenden-Sakramente- Regel» ist das Ehesakrament. Das spenden sich die Eheleute nämlich gegenseitig, der Priester (oder Diakon, Bischof oder Papst) ist nur qualifizierter Zeuge. Die Gründung einer Familie durch die Schließung des Ehebundes ist nämlich Aufgabe der Laien, nicht der Priester. Und da haben die Priester auch nicht reinzureden: Sie nehmen das Eheversprechen nur entgegen und bestätigen es.

c. Leitung

Besonders interessant ist es nun, sich die Aufgabe der «Leitung» anzuschauen. Denn alles, was ich bisher gesagt habe, wäre ruck-zuck unwirksam, wenn der Priester glaubt, mit der Leitung müsse er nun doch wieder klar regeln, wer was in seiner Gemeinde tun darf. Oder, noch schlimmer: Wer was in der Gemeinde tun muss.

Nein, die Leitung der Gemeinde beschränkt sich wirklich erst einmal nur auf das Gemeindeleben – und bezieht sich nicht auf das Leben der Getauften im Ganzen. Aber auch in der Gemeinde ist es die Aufgabe des Priesters (und des Bischofs), vor allem zu verhindern, dass sich die Getauften gegenseitig behindern, exkommunizieren und ihre Kraft beim Streit über den Glauben verausgaben. Sie dienen also der Freiheit der Getauften, für sie halten die Gemeindeleiter den Raum möglichst groß und offen.

Vielleicht hilft hier ein Beispiel. Vielleicht aus dem Sport: Wie ist es im Fußball?

Wie beim Fußball

Im Fußball gibt es nämlich zwei Arten von Leitung: Die Leitung, die ein Trainer in einer Mannschaft übernimmt. Und die Leitung des Spiels durch den Schiedsrichter. Ganz klar: Der Pfarrer hat als Leiter der Gemeinde nur die Rolle des Schiedsrichters – nicht die des Trainers!

Mit anderen Worten: Wer wo und wie zu spielen hat, entscheidet der Trainer. Trainer aber kann jeder werden, der dazu in der Lage ist: Weil er kompetent ist, kommunikativ, begeisterungsfähig und erfahren. Das ist keine Aufgabe, die an ein Amt gebunden ist. Auch nicht im übertragenen Sinne an das Priesteramt.
Nein, das Amt des Priesters ist mit der Leitung durch den Schiedsrichter zu vergleichen: Der hat klare Befugnisse – durch sein Amt. Weil er ernannt wurde und diese Aufgabe übernommen hat. Nicht unbedingt, weil er dazu kompetent ist (wobei die, die Schiedsrichter ernennen, schon darauf achten sollten, dass die Schiedsrichterkandidaten geeignet erscheinen).

Schiedsrichter brauchen nicht die Eigenschaften eines Trainers; im Notfall reicht es, wenn sie wenigstens die Regeln kennen, auch wenn sie sonst keine Ahnung von Taktik und Personenführung haben. Ein Schiedsrichter kann den Spielern keine taktischen Anweisung geben: «Jetzt spielt mal schneller! Nicht so lahm! Mehr nach vorne! Hinten dicht machen! Jetzt mal nicht so stürmisch!» und so weiter. Aber ein Schiedsrichter muss schon einschreiten, wenn jemand eine Regeln verletzt hat und andere behindert. Aber dazu muss er offiziell beauftragt sein. (Ein Spiel, bei dem jeder Zuschauer auch Schiedsrichter ist, wird nicht funktionieren.)

Wenn wir im Bild des Fußballspiels bleiben wollen, dann besteht die Aufgabe der Verkündigung, die Priester und Bischof haben, vor allem in der Erinnerung an den Sinn des Spiels, dessen Regeln und der alten Spielweisheiten. Aus den konkreten Überlegungen zur Mannschaftsaufstellung hält sich der Schiedsrichter tunlichst heraus. Die Verkündigung umfasst eben vor allem die Erinnerung an den göttlichen Heilsplan, das Wachhalten der biblischen Aussagen und eben nicht aus konkreten Anweisungen zu Weltgestaltung.
Und, zum Dritten: Der sakramentale Dienst des Amtes ist Heiligung – im Fußball durch die medizinische Abteilung des Veranstalters.

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