oder: War Jesus nur zufällig ein Mann? – Worum es bei der Menschwerung Gottes wirklich geht.
In der Frage nach der Priesterweihe der Frau wird häufig das Argument genannt, dass Jesus ja ein Mann war und deshalb auch nur (oder zumindest am angemessensten) von einem Mann (sakramental) vergegenwärtigt werden kann.
Dem halten andere entgegen, dass Jesus nur in zweiter Linie Mann war – so, wie er auch eine Körpergröße von 1,83 m hatte und einer semitischen Ethnie angehörte. «Gott wollte vor allem Mensch werden!» heißt es. «Dass er zudem auch Mann, Semit und schwarzhaarig war, ist nicht von theologischer Bedeutung.» Jesu Mannsein wäre demnach nur historisch gesehen praktischer. Mehr nicht.
Die gleiche Würde aller Menschen
Die Annahme, die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht sei nicht von Bedeutung für die Christen, die ihm nachfolgen, scheint recht einleuchtend zu sein. Um Jesus nachzufolgen, muss ich nicht meine Haare färben oder Aramäisch sprechen. Jesus hätte sehr wohl auch eine andere Erscheinungsform für seine Menschwerdung wählen können. Eine rote Haarfarbe ist mit der Göttlichkeit Jesu genauso zu vereinbaren wie eine andere Körpergröße oder ein anderes Geschlecht.
Jeder Mensch hat eine gleiche Würde, die in seiner Gottfähigkeit und Gottebenbildlichkeit liegt. Das gilt für jeden Mann, für jede Frau. Für jeden Menschen. Im Hinblick auf diese gleiche Würde gibt es «nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.» (Brief des Apostels Paulus an die Galater, Kapitel 3, Vers 28. Ähnliches finden wir in Röm 10,12; 1 Kor 12,13; Kol 3,11.)
An der gleichen, unverlierbaren Würde eines jeden Menschen ändert auch nichts die unterschiedliche Ausstattung der Menschen, nicht deren Körpergröße, -form oder Hautfarbe, auch nicht deren unterschiedlichen Fähigkeiten, Talente und Begabungen. Noch nicht einmal die verschiedene moralische Lebensweise spielt dabei eine Rolle.
Der «Stand-Alone»-Mensch
Allerdings dürfen wir die Menschwerdung nicht für sich isoliert betrachten.
Gott wurde nicht Mensch, weil er einfach mal seine Erscheinungsform ändern wollte – und so zum Beispiel den Menschen näher wäre. Das ist theologischer Unfug: Gott ist all seinen Geschöpfen deshalb unendlich nahe, weil er Gott ist. Diese Nähe lässt sich nicht vergrößern. Auch nicht durch eine Inkarnation (also Verbindung mit einer menschlichen Leib-Seele-Einheit).
Nein, Gott wurde nicht Mensch, um uns in einer Stand-Alone-Version des Menschen einfach nur seine Existenz vor Augen zu halten. Der tiefere Grund seiner Menschwerdung ist die Erneuerung der Beziehung zwischen Menschen und Gott.
Und in dieser Hinsicht ist die Wahl des Geschlechtes des menschgewordenen Gottes wieder von theologischer Bedeutung. Es gibt nämlich keine exklusiv weibliche und männliche Charakter-Eigenschaften, die die Geschlechter definieren, sondern die Eigenschaften und die Ausstattung einer Person erhält durch das Geschlecht eine jeweils andere Prägung – im Hinblick auf das Beziehungsgeschehen zwischen Mann und Frau.
«Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können» ist also kein theologisch relevanter Buchtitel. Mann und Frau heben sich dadurch von einander ab, dass sie die gleichen Fähigkeiten in unterschiedlicher Weise in eine Beziehung einbringen. Letztlich begründet die sexuelle Prägung des Menschen seine unterschiedlichen Haltung in der Beziehung zu anderen Menschen.
Gottes Plan
Gott will den Menschen zurück in die Heilsgemeinschaft mit Ihm selbst zurückholen. Und das geschieht dadurch, dass er in Beziehung zum Menschen tritt. Die Menschwerdung Gottes ist also ein Bestandteil eines größeren Planes, nicht der Plan selbst. Bei einem Stand-Alone-Gott ist sein Geschlecht nicht wesentlich. Bei einem Gott, der in Beziehung zu einem Geschöpf treten will, das die intensivsten Beziehungen nur in sexueller Polarität kennt, spielt dagegen die Wahl seines Geschlechts eine mindestens genauso große Rolle wie die Entscheidung, überhaupt Mensch zu werden.
Der Unterschied zwischen Mann und Frau
Der entscheidende Unterschied zwischen Mann und Frau liegt in ihrer Seele begründet. Aber eben nicht im übertragenen Sinn von «Seele», wie er in der Psychologie oder Psychiatrie verwendet wird. Sondern im metaphysischen Sinne von «Seele». Der christlichen Grundüberzeugung nach hat jeder Mensch eine unsterbliche, geistige, individuelle Seele. Real-existierend. Und eben in zwei grundverschiedenen Ausführungen: als Mann und als Frau.
Der Philosoph würde dazu sagen: Mann und Frau sind «ontologisch verschieden», wobei «ontologisch» nichts anderes meint als «das Wesen betreffend». Wenn wir unseren Leib im Tod hinter uns lassen und uns als pure Seelen im Jenseits wiederfinden, werden wir uns immer noch als Mann und Frau erkennen.
Das Entscheidende ist: Diesen «ontologischen», wesenhaften und metaphysischen Unterschied können wir nicht in Eigenschaften auflösen! Er ist der Grund für die geschlechtliche Polarität, die sogar gleichartigen Eigenschaften jeweils ein eigenes Gepräge – je nach Geschlecht.
Das ist für viele ein absolut neuer Gedanke. Ein Game-Changer. Und gleichzeitig kaum verstehbar: Ein Unterschied, der nicht in einzelne Eigenschaften (oder Parameter) zerlegt und definiert werden kann? – Ja, genau.
Vielleicht könnte man zumindest die Polarität der Geschlechter, die den Eigenschaften zugrunde liegen, näher fassen? Zum Beispiel, dass die Frau eher die Beziehung auf Augenhöhe heben möchte, während die Männer gerne auch hierarchisch denken? Von einer solchen Festlegung möchte ich als Theologe Abstand nehmen. Vielleicht können das Soziologen oder Anthropologen besser als ich, vielleicht auch Biologen und Mediziner. Vielleicht ist das aber auch gar nicht möglich.
Egal, wie das Ergebnis aussieht: Gott hat für sein Verhältnis in der Rettung des Menschen den männlichen Pol in der Beziehung bevorzugt – ganz gleich, wie wir ihn beschreiben würden.
Jesus wurde ein Mann, als er Mensch wurde. Und offenbart damit etwas von seinem Wesen und Seiner Beziehung zu uns, das wir zu entdecken aufgerufen sind.
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