Als Papst Benedikt 2007 die Alte Messe (oft «Tridentinische Messe» genannt) wieder grundlegend erlaubte, führte er für die nun bestehenden zwei Formen der Eucharistie zwei neue Bezeichnungen ein, die deren zukünftigen Stellenwert gut beschreiben: Die «außerordentliche Form des römischen Ritus» (für die Alte Messe) und die «ordentliche Form des römischen Ritus» (für die Neue Messe). Sie stehen seitdem gleichberechtigt nebeneinander, auch wenn der Neue Ritus eben die ordentliche, das heißt gemeinhin übliche Form der Eucharistiefeier ist.

Dennoch verstummen die Diskussionen um die Berechtigung des einen oder anderen Ritus nicht – und geraten gelegentlich in ein regelrechtes Gezänke. Zusätzlich zeigt sich bei vielen Diskutierenden in mancher Hinsicht eine verblüffende Uninformiertheit. Auch, was den Neuen Ritus angeht.
Die ordentliche und außerordentliche Form des römischen Ritus unterscheidet sich in vielen Details und zum Teil unterschiedlichen Strukturen, Formulierungen und Akzentsetzungen. Verblüffender Weise liegt der Unterschied aber nicht in den beiden Merkmalen, die allgemein genannt werden: Beide Formen des Messritus können auf Latein gefeiert werden – und beiden Formen liegt als grundlegende Ausrichtung (auch des Priester) eine Feier Richtung Osten zugrunde (ad orientes). Auch die Art des Kommunionempfanges und die Frage nach der Kommunionbank haben nichts mit der Wahl des Ritus zu tun.

  • Die Alte Messe war auf Latein – sogar die Lesungen und die Gebete. Damit wurde das Volk ausgegrenzt: Nun, das Volk wurde nicht durch die lateinische Sprache ausgegrenzt, sondern aufgrund der schlichten Tatsache, dass es in den meisten Kirchen im Mittelalter und nach dem Konzil von Trient keine Mikrofone gab. Das Volk konnte also gar nicht verstehen, was der Priester sprach – ganz gleich, welche Sprache er wählte. Die Predigt dagegen war durchaus in der Volkssprache und wurde von einer eigens konstruierten akustischen Vorrichtung aus gehalten: Der Kanzel (mit erhöhter Position in der Kirchenmitte und Schalldeckel).
    Die eigentliche Revolution der Liturgie war nicht die Einführung der Volkssprache, sondern die Anschaffung eines Mikrofons.
  • Früher hat der Priester die Messe allein feiern können: Falsch, das Gegenteil ist der Fall. Während bis zum Konzil ein Priester unmöglich die Hl. Messe ohne einen Messdiener feiern konnte, besteht seit dem Konzil die Möglichkeit, dass der Priester nun die Messe ganz allein feiert – selbst ohne Beteiligung eines Messdieners.

Nebenbei: Eine solche Messe als „Privatmesse“ zu bezeichnen, ist eine unangemessene Reduzierung: Der Priester feiert die Messe immer für das Volk, mit und für die Kirche und Gemeinde. Und eben nicht „für sich, privat“.

  • Das Volk war früher zur Untätigkeit verurteilt, während der Priester alleine betete: Tatsächlich führt eher das ständige Reden im Gottesdienst zum Verstummen der persönlichen Gebete. Wenn der Priester die Gemeinde zum Gebet einlädt, sollte er auch dafür Raum lassen und selbst schweigen. Insofern wurde vor der Liturgiereform das Volk zwar nicht an den Gebeten des Priesters beteiligt, war dafür aber zum eigenen Gebet eingeladen. Die Alte Messe baut auf die Frömmigkeit der Teilnehmer – die Neue Messe hilft dagegen eher denen, die darin nicht so sicher sind.
  • Die Kommunionbank: Es ist eine gewisse Ironie der Geschichte, dass gerade die Vertreter einer Mahltheologie die Kommunionbänke aus der Kirche haben entfernt lassen; wobei doch das gemeinsame Hinzutreten an die Kommunionbank – gelegentlich noch mit weißen Tüchern festlich gedeckt – der traditionelle Mahl-Ritus auch in der außerordentlichen Form der Liturgie war. Hier hat sich das verlorene Verständnis der alten Liturgie nicht nur in unerquicklichen Diskussionen, sondern in handfeste Aufräumaktionen in den unseren Kirchen entladen. – Warum ausgerechnet das aussagekräftigste Mahl-Symbol (der gedeckte Tisch) entfernt und das gemeinsame Mahl durch Schlangestehen und Einzelkommunion ersetzt wurde, entzieht sich jeder Vernunft.
  • Knien an der Kommunion: Vielleicht wurde die Kommunionbank entfernt, weil es sie dazu einlud, die Kommunion kniend zu empfangen. Dabei gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen dem sogenannten Kommunionsdialog («Der Leib Christi. – Amen.») und dem Knien: Beide sind Ausdruck von Anbetung, die dem Empfang des Leibes Christi vorausgeht. Dieser kurze Moment der Anbetung ist das Vorbild für jede eucharistische Anbetung, die nichts anderes will, als diesen Moment auszugestalten. Daher ist es durchaus sinnvoll, beim Kommunionempfang zu knien – bei der Anbetung tun wir es ja schließlich auch.
  • Hand- und Mundkommunion: Nicht zuletzt wird mit dem außerordentlichen Ritus die Mundkommunion und mit dem ordentlichen Ritus die Handkommunion verbunden. So schreibt etwa »katholisch.de»:

«Wie der Gebrauch der lateinischen Sprache wird auch die Praxis der Mundkommunion heute vor allem mit der sogenannten tridentinischen Liturgie verbunden. Wenn der Priester die Hostie direkt auf die Zunge eines knienden Kommunikanten legt, ohne dass dieser sie selbst mit der Hand berührt, dann ist das in den Augen vieler ein Relikt vergangener Tage, Sache allein von Traditionalisten. Tatsächlich jedoch ist die Mundkommunion seitens der Kirche – wie auch Latein als Liturgiesprache – nie abgeschafft worden. Offiziell ist sie bis heute sogar der Normalfall.»

  • Auf der anderen Seite ist aber auch die Verteufelung der Handkommunion dringend abzulehnen. Die Handkommunion ist kein Sakrileg und keine Entehrung, wenn sie in Würde und Ehrfurcht geschieht – und mit Respekt vor eventuell an der Hand haftenden Partikel. Es gibt gute Gründe für den einzelnen Gläubigen, sich für die Hand- oder die Mundkommunion zu entscheiden. Diese Gründe mögen so klar sein, dass derjenige sich nicht vorstellen kann, von dieser Praxis abzuweichen. Aber es ist sachlich falsch (und unkatholisch), die jeweils andere Praxis als «vorkonziliar» oder «sakrilegisch» zu bezeichnen.

Abschließend zitiert «katholisch.de» Papst Benedikt:

«Doch ist nun eine der beiden Formen des Kommunionempfangs tatsächlich „würdiger“ als die andere? Hierauf hat der damalige Kardinal Joseph Ratzinger in seinem Buch „Gott ist uns nah – Eucharistie, Mitte des Lebens“ so geantwortet: „Zunächst möchte ich sagen, dass beide Haltungen möglich sind und alle Priester darum bitten, die Toleranz zu üben, die eines jeden Entscheidung anerkennt“, schreibt Ratzinger hier. Man wisse, dass bis zum 9. Jahrhundert die Kommunion stehend in die Hand empfangen worden sei. Insofern „müssen wir doch auch sagen, dass unmöglich die Kirche 900 Jahre lang unwürdig die Eucharistie gefeiert haben kann“. Gleichwohl habe die jüngere Mundkommunion „durchaus als Ausdruck der Ehrfurcht ihr Recht und ihre guten Gründe“, so Ratzinger.
Es sei also falsch, betont Ratzinger, um diese oder jene äußere Haltung zu streiten. Entscheidend sei vielmehr die rechte innere Haltung der Gläubigen, „die Ehrfurcht des Herzens“ – und um diese müsse die Kirche, wie zu allen Zeiten, auch künftig ringen.»

  • Der neue Ritus wird dem Volk zugewandt gefeiert: Das ist so formuliert falsch. Auch, wenn es zahlreiche Empfehlungen verschiedener Bischofskonferenzen für eine Zelebration dem Volke zugewandt gibt, geht das momentan in Deutschland gültige Messbuch noch von einer Zelebration ad orientem aus.

Nebenbei: Die weithin übliche Bezeichnung «mit dem Rücken zum Volk» reduziert diese Zelebrationsrichtung schon auf eine Abwendung des Priester vom Volk, dem der «Rücken zugekehrt wird». Korrekter wäre die Bezeichnung «mit dem Gesicht zum Herrn». Oder eben die Fachausdrücke versus populum oder versus dominum. Oder, noch korrekter: ad orientem – nach Osten, zum Sonnenaufgang.

  • Das überrascht, liegt aber wohl daran, dass selbst offizielle Internetportale der katholischen Kirche solche Behauptungen erheben.

    Als Begründung für dieses Gerücht wird die liturgische Anordnung zum Altar zitiert, in der es vom Altar heißt, dass er «frei steht, damit man ihn ohne Schwierigkeiten umschreiten, und an ihm, der Gemeinde zugewandt, die Messe feiern kann» (AEM 262). Daraus eine Verordnung der Zelebrationsrichtung herauszulesen, ist allerdings übergriffig: Man kann (und darf) nicht von einem können auf ein sollen oder gar ein müssen schließen.

    Hin zu kommt, dass an vielen anderen Stellen des (neuen!) Messbuches klar andere Anweisungen stehen. Zum Beispiel heißt es zu den Wandlungsworten: «Der Priester verneigt sich – außer, wenn er dem Volk zugewandt ist». (Die Ausnahme ist also die Feier «dem Volk zugewandt», der Normalfall die Richtung «ad orientes».) Auch an zahlreichen anderen Stellen (zum Beispiel in der Karfreitagsliturgie) heißt es mehrfach: «Der Priester wendet sich dem Volk zu», im Wechsel mit: «Der Priester wendet sich dem Altar zu». Altar und Volk sind also (im aktuellen Messbuch) zwei verschiedene Richtungen, auch im ordentlichen Ritus nach dem II. Vatikanischem Konzil.

    Wohlgemerkt: Ich plädiere nicht für eine grundsätzliche Änderungen der Zelebrationsrichtung, sondern für eine größere Freiheit und Toleranz: Die Wahl der Zelebrationsrichtung hat nichts mit der Frage nach ordentlichem oder außerordentlichem Ritus zu tun.
  • Hochaltar, Zelebrationsalter, Volksaltar, Altartisch: Diese Begriffe sind keine offiziellen Bezeichnungen der Liturgie – weder vor, noch nach dem Konzil. Der geweihte Altar, an dem die Messe gefeiert wird, ist der altare maius – der Hauptaltar, oder, wenn man so will, der „Hochaltar“. Der im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehende Altar ist also auch dann der Hochaltar, wenn er freistehend, umschreitbar und dem Volke zugewandt ist.

Weitere Artikel zur Eucharistie

Weitere Artikel zu den Sakramenten

Neueste Artikel

Schlagwörter: , , , , Last modified: 14. Mai 2020