von Helmut Michels, Ibbenbüren

Eine gute Möglichkeit, mystagogisch in die Heilige Messe einzuführen (zu erklären und gleichzeitig zu erfahren), bietet sich, wenn die Feier der Messe durch einen Sprecher kommentiert wird. Hier finden sich beispielhafte Kommentare für den dritten Teil der Messe: Von der Gabenbereitung bis zur Wandlung

Gabenbereitung: Zubereitung des Opfers

Opferung: Das Herbeibringen unserer Geschenke

In der frühen Kirche brachten die Gottesdienstbesucher ihre Gaben noch selbst zum Altar. Das waren meist Sachspenden, ein Korb voller Früchte vielleicht, aber auch Geld, das für die Armen der Gemeinde bestimmt war.

Auch diese konkrete Handlung und dieser konkrete Gegenstand des Opfers wurden im Laufe der Liturgiegeschichte symbolisch gestaltet: nun trägt ein Ministrant oder ein Vertreter der Gemeinde die Hostienschale zum Altar; und wir geben mit der Kollekte eine Gabe für einen bestimmten Zweck. Mit ihr sprechen wir gleichsam ein Bittgebet: Gott, ich selbst biete mich Dir an als Geschenk, mit allem, was ich habe. Denn alles verdanke ich Dir allein, und gläubig will ich an Deinem heiligen Fest teilnehmen. Wenn meine Gabe nun vor Dich und Deinen Altar niedergelegt wird, bitte, nimm sie an, wie Du Christi Kreuzesopfer angenommen hast!

Zurüsten des Altars/Inzensieren: Unser Angebot an Gott

Den Kelch mit Korporale und Tuch sowie Wein und Wasser bringen die Messdiener. Der Priester nimmt zunächst das Brot, preist Gott als Schöpfer der Welt und bietet es ihm als Opfer an, damit es uns zur wahren Lebensspeise, zum Brot des Lebens werde.

Nichts im Gottesdienst – keine Handlung, kein Gegenstand – ist ohne Bedeutung. Besonders bedeutungsvoll aber ist es, wenn nun Wein und Wasser vermischt werden. Blut und Wasser flossen am Kreuz aus Christi Seitenwunde. Wie das Wasser in den Wein übergeht, das Geringe in das Kostbare, so werden wir in der Eucharistiefeier eins mit unserem Retter. Der Wein symbolisiert aber auch unser Opfer, den Ertrag der menschlichen Arbeit, die Gott gefallen möge. Und schließlich: Wie Wein und Wasser sich zu etwas Neuem und Höherem verbinden, so war Jesus Gott und Mensch zugleich. An den Gott, der ganz Mensch geworden ist, erinnert die Vermischung also auch.

Nur im feierlichen Hochamt wird nun der Altar beräuchert. Mit dem Weihrauch beten wir Gott an, wir erweisen ihm die Ehre. Kreuz und Altar, dann auch der Priester als Diener und Stellvertreter Christi werden beräuchert, schließlich die Gemeinde. Die Verbeugung des Diakons oder Messdieners beantworten wir, indem wir uns ebenfalls verneigen. Wir nehmen die Ehre an, erwidern sie und bedanken uns.

Händewaschung

Wenn in der alten Kirche der Priester die Sachspenden entgegengenommen hatte, Äpfel vielleicht oder einen Sack Getreide, musste er natürlich seine Hände mit Wasser reinigen. Aber auch das Waschen der Hände ist schon früh im übertragenen Sinne gedeutet worden. Indem der Priester leise spricht: „Herr, wasche ab meine Schuld, von meinen Sünden mach mich rein!“, erinnert er mit der Geste des Pilatus an einen vorchristlichen Brauch.

Zusammen mit uns, nämlich in den Worten „Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen, damit wir dich mit ihm verehren, zum Segen und Nutzen für uns und für seine ganze heilige Kirche“, zusammen mit uns also bittet der Priester erneut, dass Gott unsere Opfergaben annehme.

Er empfiehlt sie, indem er die Arme ausbreitet, ein uralter Gebetsgestus, der zugleich zeigt, wie Jesus am Kreuz die Arme ausgebreitet hat und wie Gott uns mit offenen Armen empfängt. Es ist eben hier und jetzt der gekreuzigte und auferstandene Christus gegenwärtig. Christus ist und handelt mitten unter uns.

Hochgebet: Der Höhepunkt der Messe

Sursum corda: Aufgepasst!

Durch das Sursum corda beginnt die Präfation, die Einleitung des eucharistischen Hochgebetes. In ihm loben wir den unendlich erhabenen Gott und danken ihm.

Das „Sursum corda“ – „Empor die Herzen!“ oder „Erhebt die Herzen!“ – fordert zu Aufmerksamkeit und konzentriertem Gebet auf. Zu diesem Gebet, zu diesem Lob und Dank, sollen wir uns frei erheben und zusammen mit den Engeln singen.

Sanctus/Orgel: das „himmlische Fortissimo der Freude“

Nach dem Sanctus endet die Präfation, die das eucharistische Hochgebet einleitet. Im Sanctus sehen wir wie Stephanus für einen Augenblick den Himmel offen. Zusammen mit den sechsflügeligen Engeln, den Seraphim, die Gott auf seinem Thron ganz nahe sind und ihn als Wächter umschweben, zusammen mit den Seraphim dürfen wir jubeln und singen.

Unser „Dreimal Heilig“ lobt und preist Gott als den Herrn der ganzen Schöpfung, als den Herrn der Herren. Es reißt unsere Messe in den himmlischen Gottesdienst empor (Ratzinger) und endet mit den Worten, mit denen die Jünger am Palmsonntag den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem begleitet haben. Das „Hochgelobt, der da kommt im Namen des Herrn“ greift einen Psalm auf. Die Ankunft Jesu erzwingt das Bekenntnis: Er ist der Messias. Wenn wir es nicht rufen, werden die Steine schreien. Ähnliche Loblieder hatte auch der Kaiser gehört, wenn er – als Welterlöser gefeiert – in eine Stadt einzog.

Kein Wunder also, dass es der lateinischen Kirche im 9. Jh. einfiel, zum allerersten Mal beim Sanctus die Orgel zu spielen, die in Byzanz nur bei hohen Staatsakten und zu Ehren des Kaisers erklang. Und es ist kein Wunder, dass gerade diese Anbetung Gottes in der Kirchenmusik besonders oft vertont worden ist.

Wandlung: der Höhepunkt

Vor unseren Augen wandelt Gott Brot und Wein in Jesu Leib und Blut. Im Kern des Gottesdienstes zeugt der Priester mit den Worten Christi dafür, dass Christus wirklich und wahrhaftig mitten unter uns ist: Das ist mein Leib! Wir sehen eben nicht nur Symbole von Christi Gegenwart – das auch und zunächst; und wir veranstalten nicht nur eine Erinnerungsfeier an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern – das auch und weiterhin; sondern: wir feiern diese Messe mit Christus selbst. Ihn zeigt der Priester, indem er die Hostie und den Kelch hoch erhebt und so die Jesu Gegenwart verkündet. Er selbst bietet sich Gott so als Opfer an. Folglich sprechen wir auch Christus selbst an: Dass du tatsächlich gestorben bist, Christus, glauben wir, und deine Auferstehung werden wir so lange begeistert loben, bis du wiederkommst mit all deiner Macht am letzten Tag!

Das Knien: der Höhepunkt der Messe – und wie wir ihn würdigen

Überdeutlich ist die Wandlung als Kern der Eucharistiefeier hervorgehoben: durch das Schellen oder das Anschlagen einer Glocke und die doppelte Kniebeuge des Priesters.

Wie verhalten wir uns angemessen? Sollen wir in diesem Augenblick stehen oder knien? Dem mündigen Menschen scheint das Knien fremd, und das Stehen beim Gebet galt schon früh als Symbol von Auferstehung und österlicher Freude. Auch spricht der lateinische Text während der ersten Gedächtnisse von „allen Umstehenden“. Und die heidnische Antike kannte nur den Gebetsgestus im Stehen, mit dem Knien zeigte der ängstlich um Schutz Flehende seine unbedingte Unterwerfung. Ähnlich das Alte Testament: Wer betet, steht vor Gott, schaut nach oben, breitet die Hände aus oder erhebt sie, verneigt sich. Die unmittelbare Gegenwart Gottes aber zwingt auf die Erde. Abraham wirft sich gar nieder „auf sein Gesicht“, nicht zuletzt kniet Christus selbst: bei seinem Gebet im Garten Getsemaneh.

Dass Christus wirklich vor uns steht, entscheidet also die Frage: wie anders als im Knien könnten wir auf sein Erscheinen reagieren? Was niemandem zukommt, ihm kommt es zu! Durch Knien ihn anzubeten, scheint nicht Entwürdigung und knechtischer Dienst, sondern Demut, Ehrung, ja ein Vorrecht, ein Privileg gegenüber dem einzigen Mächtigen, der seine Macht nicht missbraucht und bei dem Allmacht und Freiheit keine Widersprüche sind. Gott so zu ehren und zu preisen, ist nichts als die sachgemäße Erkenntnis der wahren Größe von Mensch und Gott. Einzig er, Christus, nicht die Gemeinde oder eine Gruppe, einzig er, nicht der Einzelne oder seine Befindlichkeit, steht im Mittelpunkt des Gottesdienstes.

Gedächtnisse: die Gegenwart der Vergangenheit

Die Wandlung, selbst ein Erinnern an Tod und Auferstehung des Herrn, ist umrahmt von Gedächtnissen. Als eine Glaubensgemeinschaft, in der sich Gott den Menschen zeigt, ist das Christentum wie das Judentum wesentlich eine Gedächtnisreligion, in der man an die vergangenen Heilstaten Gottes denkt und sie sich durch die Erinnerung in die Gegenwart transportiert. Wir denken an die Kirche, wir denken an die Lebenden, wir denken an unsere Toten. Und in der Erinnerung an sie alle sind wir wahrhaft katholisch, danken wir Gott und bitten ihn um einen Anteil an Christus jetzt und im ewigen Leben.

Mit einem feierlichen Lobpreis Gottes schließt das Hochgebet ab. Indem das nun verwandelte Brot und der nun verwandelte Wein erhoben werden, bezeichnet der Priester Christus als den entscheidenden Mittler zwischen Gott und den Menschen. An kaum einer Stelle ist unser Amen, unser „Das ist wirklich wahr!“, wichtiger als jetzt.

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Schlagwörter: , , , , Last modified: 21. November 2020