»Die katholische Kirche besitzt unermessliche Reichtümer!«

Man hört es – immer wieder – und glaubt es dann irgendwann selbst: «Die katholische Kirche ist insgesamt milliardenschwer – wahrscheinlich sogar im Besitz mehrerer Billionen.» – «Der Vatikan könnte den Hunger der Welt mit einem Bruchteil dieses Reichtums stillen.»

Tatsächlich sind die Besitztümer der Bistümer, Pfarreien und Klöster weltweit zusammengenommen unermesslich. Abgesehen von den Immobilien, die sich weltweit im Besitz der Kirche befinden, gehören ihr auch Vermögenswerte, die bislang noch keiner auch nur annähernd geschätzt hat. Es liegt nahe, die katholische Kirche mit einer Weltmarke (wie z.B. Apple oder Coca-Cola) zu vergleichen und angesichts ihres sozialen Anspruchs und der gepredigten Nächstenliebe zu erwarten, dass sie diese Vermögenswerte für das Wohl der Menschen einsetzt.

So plausibel, wie das klingt: Es ist nicht richtig.

Der Denkfehler: Es gibt nicht «die» katholische Kirche

Die katholische Kirche ist kein Firmenkonsortium; die Teilkirchen, Ordensgemeinschaften und Institutionen sind rechtlich und finanziell eigenständig. Tatsächlich gibt es zwar eine ausgeklügelte Hierarchie in theologischen und geistlichen Bereichen (z. B. was Bischofsernennungen durch den Papst oder Wahlen von Vorstehern der Ordensgemeinschaften angeht), die Organisationseinheiten der Kirche (Bistümer, Pfarreien, Klöster und auch viele Vereine und Einrichtungen wie z. B. Krankenhäuser oder Schulen) sind aber rechtlich und finanziell unabhängig. Das kennen wir vielleicht auch aus Firmen-Konsortien, die über Tochterfirmen und gegenseitige Beteiligungen miteinander verbunden, aber dennoch rechtlich eigenständig sind.

In der katholischen Kirche gibt es aber auch keine rechtlichen oder finanziellen Querverbindungen: Der Vatikan hat keinen Zugriff auf die Finanzen der 5000 Bistümer, die Bistümer haben keine Möglichkeit, sich in die Finanzen der Ordensgemeinschaften oder Klöster einzumischen, und in weiten Teilen der Welt sind auch die Pfarreien rechtlich und finanziell eigenständig.

Zweiter Denkfehler: Besitz ist nicht Einkommen

Ein großer Besitz bedeutet nicht gleichzeitig auch ein hohes Einkommen, für historische Kirchen und Klostergebäude gilt sogar das Gegenteil: Sie verursachen enorme Kosten, die (im Gegensatz zu Schlössern, Opernhäusern oder Palästen) nicht durch Eintritte finanziert werden können. Kirchliche Kunst war immer eine Kunst vom und für das Volk; der Prunk der Schlösser z. B. in Versailles blieb dagegen dem Volk vorenthalten.

Dritter Denkfehler: Nur wer etwas hat, kann auch helfen

Entscheidend ist nicht, wieviel jemand besitzt, sondern was mit dem Besitz geschieht. So ist das Rote Kreuz nicht deswegen schon verwerflich, weil es über Immobilien und Vermögenswerte in Milliardenhöhe verfügt. Immerhin braucht eine effektive Hilfe weltweit eine Ausrüstung, gelagerte Hilfsgüter, eine Infrastruktur in Form von Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen und eine Anzahl von fest angestellten Mitarbeitern. Ob die katholische Kirche als »reich« eingeschätzt werden sollte, orientiert sich also nicht an der Größe des Besitzes, sondern an dessen Verwendung.

Vierter Denkfehler: Deutschland ist nicht die Welt

Die Vermögenswerte der Kirche sind sehr ungleich verteilt. — So gilt die deutsche Kirche als eine der reichsten Kirchen weltweit. Obwohl: Genau genommen gibt es die deutsche Kirche nicht, sie besteht vielmehr aus 27 selbstständigen Diözesen (die finanziell tatsächlich fast alle sehr gut aufgestellt sind. mit wenigen Ausnahmen). In den meisten Ländern dieser Welt jedoch (nicht nur in der »Dritten Welt«, sondern z.B. auch in Frankreich) ist die Kirche arm und hat gerade das Nötigste, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen und zahlreiche Hilfsprojekte aufrechtzuerhalten. Für den Erhalt historischer Gebäude ist sie oftmals auf Unterstützung von nichtkirchlichen Einrichtungen angewiesen.

Das, was allgemein als wohltätig angesehen wird, schließt das Kerngeschäft der Kirche nicht mit ein.

Vor allem: Der Mensch lebt nicht vom Geld allein

In einem Film aus den 60-er Jahren (dem ein Roman aus den 50-er Jahren zugrunde liegt) mit dem Titel »In den Schuhen des Fischers« verkauft ein modern eingestellter Papst den Petersdom, den Vatikan und alle weiteren Besitztümer, um mit der Abwendung einer Hungersnot in China einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Das klingt gut — ist aber zunächst aus einem einfachen Grund unrealistisch: Es wird sich schwerlich ein Käufer für Immobilien finden, die kein Geld einbringen, sondern nur verschlingen. Aber auch aus einem anderen Grund ist dieses Szenario unglaubwürdig: Die Gottesdienstgebäude der katholischen Kirche dienen ja einem Zweck – den Gottesdiensten! Entweder ein potentieller Käufer müsse der Kirche das Feiern von Gottesdiensten auch weiterhin zusichern (womit sich eine anderweitige Nutzung z. B. als Filmstudio oder Freizeitpark verbietet), oder die Kirche müsste das erworbene Geld für neue Gottesdienstgebäude ausgeben – was das Problem nur verlagert.

Denn das eigentlich Problem der Kritiker ist, dass sie nur in dem sozialen Engagement der Kirche einen Nutzen sehen; nicht aber in der Feier von Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Der geistliche Trost, die Feier der Verherrlichung Gottes und die Hebung des menschlichen Geistes sind in ihren Augen vermutlich sinnlose Ziele, die keinen Euro wert sind.

Das sieht die Kirche naturgemäß anders, und so hat auch ein Heiliger Franziskus, der als Vorbild der Armut gilt, seinen Brüdern aufgetragen, in jedem Ort, an den sie kommen, zunächst für eine angemessene Ausstattung der Gottesdienste zu sorgen — und sich erst dann um die Armen zu kümmern. Denn das Wichtigste, was den Armen geschenkt werden kann, sei die Vermittlung der Gnade. Dass sich letztlich beide Aufgaben der Kirche einander nicht ausschließen, sondern gegenseitig ergänzen, zeigt die lebendige Geschichte der Kirche in den Missionsländern dieser Welt. Wer aber an keinen Gott glaubt, wird auch keinen Sinn in würdigen Gottesdiensten und ihrer Ausstattung sehen.

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Schlagwörter: , , Last modified: 6. Mai 2020