An Ostern – genauer gesagt am frühen Ostersonntag – feiern wir die Auferstehung Jesu.
Aus glaubhaften biblischen Quellen wissen wir sehr viel über die Zeit unmittelbar vor der Auferstehung; angefangen beim Palmsonntag, die ganze Karwoche hindurch. Und von Donnerstagabend bis zum Karfreitag sogar bis ins kleinste Detail protokolliert.
Umso überraschender ist es, dass wir vom Augenblick der Auferstehung Jesu keinen einzigen Bericht haben, noch nicht einmal eine Andeutung für das Geschehen.
Niemand hat die Auferstehung gesehen…
Wer sich also das Auferstehungsgeschehen bildlich vor Augen halten möchte, braucht seiner Fantasie keine Grenzen zu setzen. Von einem kosmischen Geschehen bishin zum leisen Übergang ist alles denkbar. Und so haben die Künstler aller Epochen die Auferstehung Jesu sehr unterschiedlich ausgemalt. Keine einzige Version davon ist verbürgt.
Selbst die uns so vertrauten biblischen Zeitgenossen Jesu – die Apostel, Maria Magdalena oder die anderen Frauen, die Jesus nachfolgten – waren keine Augenzeugen der Auferstehung. Das hebt unseren heutigen Glauben mit ihrem Glauben auf eine ähnliche Stufe: Wenn es auch damals keine Beobachter des Auferstehungsmomentes gab, sind wir also so gesehen nicht im Nachteil. Auch wir glauben denen, die ihren Glauben durch die Begegnung mit dem Auferstandenen empfangen haben.
…auch die Soldaten am Grab nicht
Eigentlich waren die Soldaten am Grab Jesu gerade deshalb dorthin abgeordnet worden, um Auferstehungsberichte als geplante Fälschung zu entlarven. Ausgerechnet diese neutralen Beobachter sind «mental» im Moment der Auferstehung nicht anwesend – man sagt, sie seien eingeschlafen. Zumindest in dieser Hinsicht bleiben sie aber auch ehrlich: Sie haben einfach gar nichts mitbekommen und treten also auch nicht als Zeugen gegen die Auferstehung auf.
Das leere Grab – und die Frauen
Seit ungefähr 100 Jahren – also seit der Mitte des 20. Jahrhunderts – diskutieren Theologen darüber, ob das Grab Jesu theologisch notwendig leer gewesen sein muss. Vielleicht war Jesus ja mit einem neuem Leib ausgestattet worden? Oder Jesus erschien den Jüngern nur als Vision? Eine Erscheinung, so wie heute auch von Marienerscheinungen berichtet wird?
Nun – wenn sich die Theologie an den biblischen Berichten orientiert, bleibt für solche Spekulationen nicht viel Raum: Die erste handfeste Erfahrung der Jünger ist die Entdeckung des leeren Grabes.
Das erscheint uns vor allem deshalb als historisch verbürgt, weil es Frauen waren, die es entdeckten. Frauen als erste Zeugen der Auferstehung Jesu waren in der damaligen Zeit aber die schlechteste Idee, auf die ein Fälscher der Auferstehungsberichte hätte kommen können. Denn Frauen waren vor Gericht nicht als Zeugen zugelassen – es sei denn, ein Mann bestätigte die Erzählung. Dass in den biblischen Berichten nun ausgerechnet Frauen das leere Grab entdecken und von Engeln berichten, kann nur eines bedeuten: Dass es genauso war.
Das leere Grab ist nur ein Zeichen
Das leere Grab als solches ist kein Beweis für die Auferstehung. Deshalb standen ja auch Soldaten vor der Grabhöhle (um eine korrekte Deutung des leeren Grabes nach einem eventuellem Diebstahl der Leiche zu sichern und das Gerücht einer Auferstehung zu unterbinden), und so kam ja auch Maria Magdalena zuerst gar nicht auf den Gedanken, dass hier etwas Übernatürliches geschehen sein muss – sondern sie glaubte, man habe den Leichnam Jesu weggenommen und eventuell an eine andere Stelle gelegt.
Deshalb bedurfte es auch Engel, die am und im Grab erscheinen, und die den fassungslosen Jüngerinnen und Jüngern die korrekte Deutung der Entdeckungen nahebringen. Allerdings wird auch den Engeln die Frohe Botschaft nicht sofort geglaubt.
Die Tücher im Grab
Warum Johannes, der Apostel und spätere Evangelist, so großen Wert darauf legt, dass er im Grab die Leichentücher Jesu gesehen habe – sorgfältig zusammengelegt und ordentlich platziert – wissen wir nicht. Es liegt schon nahe, dass das Leinentuch (heute als das Grabtuch von Turin bekannt) und der Gesichtsschleier (inzwischen in Manopello wiederentdeckt) bereits in der frühen christlichen Gemeinde als Reliquien und sprechende Zeugen aufbewahrt und in Ehren gehalten wurde.
Die Begegnungen mit dem Auferstandenen
Weder die Tücher noch das leere Grab als solches beweisen wirklich etwas, und auch die Engel werden eher beiläufig erwähnt und hinterlassen nicht sofort einen nachhaltigen Glauben. Der eigentliche Auferstehungsbeweis erfolgt durch Jesus selbst, der den Frauen, den Jüngern und Aposteln erscheint. Und selbst diese Begegnungen brauchen Zeit, bis Maria von Magdala, die Emmaus-Jünger und auch die Apostel die volle Bedeutung der neuen Realität begreifen: Jesus ist nicht mehr tot, er steht lebendig vor ihnen!
Von wegen: Wunschdenken der Jünger
Umso seltsamer erscheint es, wenn Kritiker heute behaupten, die Auferstehung Jesu sei dem Wunschdenken der Apostel und Anhänger Jesu entsprungen. Dann wären sie wohl nicht so begriffsstutzig gewesen. – Noch wichtiger aber ist: Wer so etwas wie einen neu belebten Anführer der Christen erfindet, der wird sich nicht auf das Glatteis der leiblichen Auferstehung begeben. Denn dieser Gedanken ist sogar für uns heute noch zu abstrus. Und für die Juden zudem entgegengesetzt der Erwartung, dass eine Auferstehung erst am Ende der Zeiten geschehe (und dann natürlich für alle Juden!). Außerdem wäre die Erfindung einer leiblichen Auferstehung viel zu leicht zu widerlegen: Man braucht nur die Leiche Jesu zu präsentieren, und der Glaube wäre hinfällig gewesen (und für ganz Hintertriebene hätte es noch nicht einmal die echte Leiche sein müssen).
Auch hier gilt: Das, was die Evangelien uns erzählen, ist so schlecht erfunden: Das muss wirklich passiert sein.
Die leibliche Auferstehung
Der entscheidende Clou, das theologisch Neue (und bis heute schwer zu Glaubende) ist dabei die leibliche Auferstehung. Wie auch damals war eine geisterhafte Erscheinung von Verstorbenen schon vorstellbar. Aber eine leibliche Begegnung? Mit jemanden, dessen Seele sich bereits vom Leib getrennt hat (was wir als «Tod» bezeichnen), war ein gemeinsames Essen (zum Beispiel) nicht vorstellbar. Aber genau das tut Jesus, als er seinen ungläubigen Jüngern das Wesen des christlichen Auferstehungsglauben vorstellt:
Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an, und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.
Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben. Da sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen. (Lukas 24,36-43)
Der ungläubige Thomas
Genau das spricht auch der Apostel Thomas aus, der bei der ersten Begegnung der Apostel mit Jesus nicht anwesend war. «Ein Vision? Einverstanden. Aber eine leibliche Begegnung? Da müsste ich schon meine Finger in seine Wunden legen, um das zu glauben!» Nun, wir kennen die Geschichte: Jesus bietet dem Thomas genau dieses an. Dann erst versteht Thomas, wie leibfreundlich, ja: leibverliebt Gott und somit auch der christliche Glaube ist.
Oder, um es mit den Worten zu sagen, die ich meinen Schülern anbiete: Mit einem Gespenst im Tor kann man kein Fußballspiel gewinnen. Die Bälle würde doch glatt durch ihn durch gehen! Aber mit dem auferstandenen Jesus hätte jede Mannschaft einen ernstzunehmenden Torwart in ihren Reihen gehabt.
Maria Magdalena am Grab
Und doch war dieser neue Leib Jesu verändert. Nicht nur die Emmausjünger, sondern auch die größte Vertraute Jesus – Maria von Magdala – erkennt Jesus auf den ersten Blick nicht. Erst, als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht («Maria!»), zerbricht in ihr jede Trauer. Als sie ihn offensichtlich umarmen möchte, sagt Jesus: «Berühre mich nicht! Denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen!» – Was sich zuerst wie eine unverständliche Zurückweisung anhört («Noli me tangere! – Berühre mich nicht!»), ist tatsächlich eine Verheißung. Denn in der himmlischen Herrlichkeit werden wir uns in den Armen liegen («Wenn ich zum Vater hinaufgegangen bin!»). Wir werden – wie Maria Magdalena – Jesus umarmen. Und alle anderen ebenso, die dort bei ihm sind.
Ein Leib mit Update
Dieser neue Leib Jesu ist mit dem alten identisch: Das Grab war leer und der Auferstehungsleib trug die Spuren der Kreuzigung. Auch unser Leib wird wohl Spuren unserer irdischen Geschichte tragen. Und doch ist dieser Leib eine neue Wirklichkeit, die durch verschlossene Türen gehen, fünfhundert Menschen an verschiedenen Orten zugleich erscheinen konnte und somit ganz und gar dem Willen der Seele gehorchte. Was genau das für uns bedeuten wird, wissen wir noch nicht. Es gibt aber allen Grund, sich darauf zu freuen.
Vierzig Tage Formung der Kirche
Vierzig Tage ist Jesus leiblich der jungen Kirche (nicht nur den Aposteln!) erschienen. Was genau er dort gelehrt, gepredigt und gewirkt hat, wissen wir nicht. Aber es wird wohl alles das gewesen sein, was die Kirche nach seiner Himmelfahrt und dem Pfingstereignis benötigte, um ihre Mission bis auf den heutigen Tag zu erfüllen.
Jesus bleibt leibhaft gegenwärtig
Vierzig Tage nach seiner Auferstehung feiert die Kirche das Fest «Christi Himmelfahrt». Während er den Blicken der Menschen entzogen wird, bleibt er dennoch in seiner Kirche anwesend. Nein: Nicht nur als Geist, als Erinnerung oder als Stimme in den Herzen der Menschen, sondern immer noch leibhaft und real. Aber zugleich verborgen: In den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie und den gewandelten Gaben von Brot und Wein. Das aber ist eine weitere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll.
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