Wer die Weihnachtsgeschichte unvoreingenommen liest, noch nicht weiß, wie es weitergeht, der könnte nach dem heutigen Evangelium denken: «Puh – es ist noch einmal gut gegangen«! Trotz der abenteuerlichen Umstände hat Maria ihr Kind glücklich zur Welt gebracht. Auch wenn vieles der dramatischen Bedingungen in der heiligen Nacht vermeidbar gewesen wäre – es ist nicht zum Schlimmsten gekommen. Es ist noch einmal gut gegangen. Bei der Ankunft der Weisen heißt es sogar schon, dass sie Maria und das Kind im Haus aufgesucht haben – offensichtlich sind Josef und Maria doch fündig geworden. Acht Tage nach der Geburt wird Jesus beschnitten, und damit scheint dann endlich alles wieder in Ordnung zu sein.
Liebe Schwestern und Brüder, so wie Maria mit ihrem Sohn im Arm sich damals wohl gefragt hat, was die Zukunft wohl bringen wird, fragen wir uns zu Beginn des Neuen Jahres ebenfalls: Was bringt uns das neue Jahr? Wie wird es werden? Was hält es für uns bereit?
Was würden wir, an der Stelle Mariens, von der Zukunft erhoffen? Was erhoffen wir uns selbst vom kommenden Jahr? Ein glückliches Leben, möglichst lange und gut gesichert?
Wir wünschen uns nur das allerbeste – und dass wir vom Schlimmsten verschont bleiben. Aber die viel interessantere Frage ist: Was ist denn wirklich das Schlimmste? Und was das Beste?
Blicken wir noch einmal auf Maria. Wir wissen, wie ihr Leben weitergegangen ist. Haben sich ihre Hoffnungen erfüllt? Wenig später wird ihr im Tempel prophezeit, dass ihr das Schwert des Leidens durch die Seele gehen wird. Herodes beginnt zu wüten und begeht den schrecklichen Kindermord. Und schließlich, nach Ablehnung, Enttäuschung, Qualen und Spott stirbt ihr Sohn am Kreuz. Sind die Hoffnungen Mariens gescheitert? Ist das, was Maria passierte, das Schlimmste?
Wer auf das letzte Jahr zurückschaut – ich will hier gar keine aktuellen Ereignisse nennen, denn die Erkenntnis gilt für jedes Jahr – weiß, wie zerbrechlich diese Welt weiterhin ist. Nicht nur, dass wir durch rücksichtslosen Raubbau an der Natur viele Unglücksfälle selbst verschulden. Es gibt auch immer noch die Katastrophen, die aus heiteren Himmel zuschlagen und die von keinem Menschen verschuldet sind.
Wir können hoffen, davon verschont zu bleiben. Aber realistisch ist das nicht. Wir müssen akzeptieren, dass keiner von uns vom Leid verschont bleiben wird. Wir leben nicht ewig, und es ist keineswegs ein unchristlicher Gedanken – auch nicht trübsinnig oder morbide – wenn wir ins Auge fassen, dass das kommende Jahr vielleicht unser letztes Jahr sein könnte. Das Leben ist endlich, und es gehört zum Glauben dazu, dass wir jederzeit bereit sind, vor Gott zu treten.
Das größte Unglück ist und bleibt nicht der Tod, nicht die Katastrophe, nicht der Verlust von Gesundheit oder Wohlstand. Das größte Unglück ist die Frage, die heute morgen in der Bildzeitung stand: «Lieber Gott: Wo bist Du?»
Das größte Unglück ist es, den Glauben zu verlieren. Gott zu verlieren. Dem Leid, das unausweichlich kommen wird, nicht mit Hoffnung begegnen zu können.
In diesem Sinne war Maria Optimist: Sie wusste, nichts wird sie von der Liebe ihres Sohnes trennen können. In diesem Sinne sind wir Christen Optimisten: Wir wissen, dass Vieles auf uns zukommt; viel Gutes, aber auch viel Schweres. Aber was auch immer da kommen mag: Wir vertrauen auf Gott. Er ist mein Helfer. Er mein Retter.
Ich habe (vor-)gestern noch einen Mann in Kevelaer getroffen, der mir sein Leid geklagt hatte: Es hätte so fest an Gott geglaubt; aber jetzt sei seine Frau schwer erkrankt – was hätte der Glauben ihm also genützt? – Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid – er hat ja nicht einmal seinen einzigen Sohn davor bewahrt. Er bewahrt uns vor einem viel schlimmeren Schicksal: Vor dem Verlust SEINER Liebe.
Wir wissen, was Paulus erkannt hat: Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.
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