Frage: „Kann man zum Beispiel an einem Y-Chromosom den Zugang zum Priesteramt festmachen, indem man das mit dem Willen Jesu begründet?“ (Bischof Franz-Josef Overbeck)
Ein erster Einwand
Wenn Bischof Overbeck das Mann- und Frausein lediglich auf das Vorhandensein (oder Fehlen) von Genmaterial reduziert, erscheint eine Zuordnung von männlichen und weiblichen Identitäten immer absurd. Vielmehr ist diese Reduktion des Menschen auf eine genetische Manifestation absurd: Der Mensch ist auch als Mann und Frau viel mehr als nur seine Erbsubstanz.
Als Zweites eine Erklärung
Tatsächlich ist der Mensch als Mann und Frau mehr als seine Gene. Selbst die Genetik erkennt, dass zur Ausprägung der Geschlechter nicht nur das X- und Y-Chromosom, sondern ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher weiterer Faktoren nötig ist (s. „Adams Apfel und Evas Erbe“ von Prof. Dr. Axel Meyer). Die geschlechtliche Ausprägung wirkt sich nicht nur auf körperliche, sondern darüberhinaus auch auf die charakterliche, geistige und soziale Dimension der Person aus. Dabei gibt es nicht etwa weibliche und männliche Eigenschaften, sondern Eigenschaften und Ausstattung einer Person erhalten durch das Geschlecht eine jeweils andere Ausrichtung – vor allem im Beziehungsgeschehen zwischen den Geschlechtern.
Da die sakramentale Übertragung des Weihepriestertums den Menschen in das Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch hineinnimmt (und ihm eben keine neue personalen Eigenschaften verleiht!), ist die Geschlechtlichkeit erster Anknüpfungspunkt für die Weihevollmacht. Denn der Priester vermittelt kraft des Priestertums Jesu Christi in dem Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch – in beide Richtungen. Er befähigt die Getauften im Allgemeinen Priestertum wiederum selbst zu Vermittlung: Vor allem in der Verwirklichung von Beziehungen und Beziehungsgeschehen.
Jesus wird sich kaum in seiner Predigt auf das Vorhandensein bestimmter Chromosomen bezogen haben, aber sehr wohl auf das Mann- und Frausein der Menschen (Mt 19,4f; Lk 16,18; Mk 10,2.6; auch: 1 Kor 7,3; 1 Kor 11,3ff; Eph 5,23). Dies wird besonders deutlich, wenn Jesus in Fortsetzung der ältesten jüdischen Traditionen vom Gottesbund als Ehebund spricht und sich selbst mit dem Bräutigam identifiziert, der seine Braut heiligen, heimführen und im himmlischen Hochzeitsmahl ehelichen will. Jesus hat also sehr wohl die Geschlechtlichkeit im Blick gehabt; sowohl seine eigene, die der Apostel und der zum sakramentalem Dienst Berufenen. Denn gerade weil die Erlösung in der Gottesbeziehung Wirklichkeit wird, hat das Geschlecht Jesu heilsgeschichtliche Bedeutung und setzt sich fort in der Berufung der Weihepriester, die an Seinem Priestertum Anteil haben.
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