Zu jeder Beichte gehört die Vorbereitung. Ich überlege mir, was ich beichten möchte, was mich bedrückt und probiere schon einmal ein paar Formulierungen im Geiste aus. Aber bevor ich vorschnell sage: Ach, mich bedrückt kaum etwas und ich habe nichts, was mich in meinen Gedanken und nächtlichen Träumen verfolgt, probiere doch einmal die alte Kunst der Gewissenserforschung aus.
Erste Stufe: Ich wache aus der Gedankenlosigkeit auf
Wenn Du beichten möchtest, dann musst Du Dir erst einmal Gedanken machen, was Du überhaupt beichten willst. Und damit beginnt schon der erste und wichtigste Schritt zu innerer Schönheit.
Das größte Problem heutzutage ist nämlich die Gedankenlosigkeit. Nicht nur, weil wir damit großen Schaden anrichten: Weil wir unaufmerksam sind; das nötige Feingefühl vermissen lassen; weil wir nicht merken, wenn andere leiden oder unsere Hilfe gebrauchen; weil wir durch Gedankenlosigkeit die Natur zerstören oder Menschen vernichten. Auch nicht deshalb, weil wir uns damit der Höhen und Tiefen unseres Lebens berauben, weil wir gar nicht merken, wie kostbar bestimmt Augenblicke sind; weil wir die Tragik oder Schönheit der Welt, der Menschen und der Natur nicht mitbekommen. Nein, das sind nicht die schlimmsten Auswirkungen der Gedankenlosigkeit. Das Schlimmste an der Gedankenlosigkeit ist, dass wir uns damit selbst um das Glück schlechthin bringen.
Das größte Problem der Menschen zu allen Zeiten ist die eigene Schlechtigkeit (oder Sündhaftigkeit). Darunter haben die Menschen zu allen Zeit mehr gelitten als unter Hungersnöten oder Armut. In allen Religionen haben die Menschen versucht, dagegen ein Mittel zu finden: Da wird geopfert, was das Zeug hält: Erstlingsgaben, Essen, Tiere und manchmal sogar Menschen. Da wird gereinigt, gewaschen und gesäubert, vorwärts und rückwärts. Da werden Rituale erfunden, um sich von den bösen Geistern zu befreien.
Das ist der eigentlich Grund einer jeden Religion: Wir sehnen uns nach Erlösung. Nicht nach Erlösung von den Naturkatastrophen, Erlösung von den bösen Nachbarn oder von Pickeln. Die tiefste Sehnsucht ist die Erlösung von der eigenen Schlechtigkeit und Gottferne. Und das höchste Glück eines jeden Menschen ist das Bewusstsein, etwas richtig gemacht zu haben. Trotz aller widrigen Umstände gut gewesen zu sein. Oder einen Menschen gefunden zu haben, der uns gut behandelt hat.
Und die Gedankenlosigkeit bringt uns um die Erkenntnis, ob unser eigenes Handeln gut ist oder nicht. Wer sich darin abgestumpft hat, beginnt, vor sich hin zu vegetieren. Mag er auch noch so beschäftigt sein und erfolgreich – Wir verlieren das Glück, wenn wir Gut und Böse nicht mehr bemerken.
Zweite Stufe: Ich gestehe meine Sünden ein
Ich kann Dir Beispiele ohne Ende nennen, in denen das Verhalten eines Menschen an sich gar nicht so schlimm ist; aber gerade durch die Tatsache, dass derjenige überhaupt nicht merkt, was er tut, und deshalb seine Grenzen nicht kennt, wird diese Person zur Nervensäge.
Du wirst also nicht erst dadurch sympathisch, wenn Du perfekt bist (das ist keiner außer Gott, und das erwartet auch keiner von Dir – noch nicht einmal Gott). Sondern attraktiv und sympathisch wirst Du schon dadurch, dass man Dir Dein Wissen um Deine Fehler und Schwächen anmerkt. Im allgemeinen schämt sich keiner gerne (manche werden allein schon deshalb rot, weil sie sich so davor schämen, rot zu werden) – aber gerade das weckt Zuneigung und Nähe.
Das gilt auch für Gott: Er erwartet keine Perfektion. Aber er will Dich auch davor bewahren, dass Du Dich einfach mit Deinen Fehlern arrangierst und abfindest: »Ich bin nunmal so, wie ich bin … Wenn Du es nicht haben kannst, dass ich gerne lüge, dann such Dir doch eine andere Freundin.« – So wird das nicht, mein Freund.
Wenn Du wirklich Gott neu lieben möchtest, dann solltest Du ihm so sehr vertrauen, dass Du keine Ausflüchte und Beschönigungen mehr brauchst. Sag‘ Gott einfach, wie es ist: »Ich habe Mist gebaut.« – Dafür liebt Gott Dich!
Dritte Stufe: Ich nehme Hilfe an
Während Stufe eins und zwei der Gewissenserforschung noch jedem Menschen, auch den absolut unreligiösen Zeitgenossen einleuchtet und möglich ist, unterscheidet der dritte Schritt den Christen von allen anderen. Nachdem ich erstens angefangen habe, mich mit den Augen Gottes zu betrachten und ich mir zweitens meiner Fehler bewusst bin, stellt sich nun drittens die Frage: Wie kann ich mich ändern? Woher kommt mir Hilfe?
Es bietet sich natürlich zunächst an, sich in der eigenen Disziplin zu üben. Oder eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Vielleicht gibt es auch eine neuartige Therapie – so nach dem Motto »Abnehmen und schlank werden – ganz ohne hungern!« (ziemlich unglaubwürdig). Oder ich lese ein Buch »positiv denken« oder rede mir ein »Du bist o.k. – ich bin o.k.«. Vielleicht kann mir auch jemand die Karten legen und mir sagen, wie alles wieder gut wird – oder ich gebe einfach auf, lege mich ins Bett und steh nicht mehr auf. »Wer schläft, sündigt nicht.«
Der Christ hält von alledem zunächst nichts. Zunächst sucht der Christ Hilfe bei Gott. Wenn es darum geht, gesund zu werden, brauchen wir Medizin. Wenn ich ein psychisches Problem habe, eine Therapie. Wenn ich groß und stark werden will, muss ich eifrig Fruchtzwerge essen; für weiße Zähne nehme ich die entsprechende Zahnpasta. Aber um ein moralischer Mensch zu werden – ein Mensch, der gut ist? Da hilft nur einer, der selbst »der Gute« ist: Gott.
Der Christ ist kein besserer Mensch als die Nichtchristen. Der Christ wird dadurch zum Christen, dass er die Hilfe, die andere Menschen innerhalb dieser Welt suchen, von Gott erbittet.
Gut werde ich nur durch Gott. Durch sonst nichts. Das glauben wir Christen – wir sind von der homöopathischen Wirkung Gottes felsenfest überzeugt. Und deshalb gehen wir mit unseren Sünden zunächst zu Gott. (Danach kann man dann immer noch mit der Disziplin oder der Schlankheitstherapie beginnen – aber die ist dann, dank der Gnade Gottes, gar nicht mehr sooo schwer – oder vielleicht sogar nicht mehr nötig).
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