»Ich beichte Gott meine Sünden«. Das klingt ziemlich behämmert. Warum jemanden etwas sagen, was er schon weiß? Und warum reicht es nicht, sich direkt mit dem Geschädigten (z. B. meinem Nachbarn) zu versöhnen?
Wer um Verzeihung bittet, sagt: »Ich liebe Dich«
Nun, unsere Sprache hat nicht nur den Sinn, Informationen auszutauschen. Gott über irgendetwas zu informieren wäre tatsächlich überflüssig. Unsere Sprache hat noch viel mehr Bedeutungen. Die schönste davon ist es, einander seine Gefühle auszudrücken (auch, wenn der andere es schon weiß), Beziehung am Leben zu erhalten und zu kräftigen. Die schönste Form der Sprache aber ist es »Ich liebe Dich« zu sagen.
In der Beichte informierst Du Gott nicht über Deine Sünden. Sondern Du bekennst Dich zu dem, was Du getan hast – und, weil Du es ausgerechnet Gott sagt – bekennst Du Dich trotz Deiner Sünden zu Gott. Eigentlich gilt das für jede Beziehung: Wer sagen kann »Ich habe Dich nicht genug geliebt« macht damit eine der schönsten Liebeserklärungen.
Der Sänger von Pur singt zum Beispiel: »Ich habe gut und gerne fünf Kilo Übergewicht, eine krummes Ding namens Nase ziert mein Gesicht – und wie ich an eine Frau wie Dich komm, weiß ich nicht.« – Jede Liebe lebt in der Überzeugung, unverdient zu sein. Auszudrücken, dass man diese Liebe nicht verdient, ist eine Liebeserklärung – auch, wenn es wie eine Beichte klingt.
Das also ist das Sündenbekenntnis: Eine Liebeserklärung.
Wer um Verzeihung bittet, wird frei
Aber die Sprache hat noch mehr Funktionen. Wer seine Sünden bekennt und ausspricht, der gibt sie ab.
Sprache hat tatsächlich die Funktion, »etwas herauszulassen«. In einigen Therapien muss ein bestimmter Sachverhalt mehrfach ausgesprochen werden (»Lass es raus! Lass Deinen Hass, Deinen Zorn und Deine Wut los!«); in unausgesprochenen Konflikten oder verheimlichter Schuld schwelt ein Feuer, erst wenn man das Problem anspricht, löst sich der Knoten.
In Psalm 32, 2-5 heißt es: »Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt. Solang‘ ich es verschwieg, waren meine Glieder matt, den ganzen Tag musste ich stöhnen. Denn deine Hand lag schwer auf mir bei Tag und bei Nacht; meine Lebenskraft war verdorrt wie durch die Glut des Sommers.
Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen. Und du hast mir die Schuld vergeben.«
Wer um Verzeihung bittet, erkennt Gott an
«Ich bitte nur jemanden um Verzeihung, dem ich auch etwas angetan habe.» – «Warum Gott meine Sünden beichten – wenn ich doch meinen Freund beleidigt habe?» Und: «Wenn ich meinen Freund um Verzeihung gebeten habe – warum dann noch beichten gehen und es auch noch Gott sagen?»
Weil Gott auch enttäuscht ist, wenn ich meinen Freund belüge. Gott liebt ja nicht nur mich – sondern auch die Menschen, an denen ich mich versündige – und sei es nur, dass ich schlecht über andere gedacht habe.
Wenn Mama ihren beiden Söhnen aufträgt: »Seid schön artig, während ich einkaufe! Und nicht schon wieder streiten!« – und dann die beiden Kinder prompt in erbittertem Streit ausbrechen, sich versöhnen und vertragen, bevor Mama wiederkommt – werden die beiden dann nicht auch, weil sie Mama mögen, ihr ohne Not ihren Streit beichten?
Gott ist kein Polizist, der mich nur deshalb bestraft, weil ich eine Regel übertreten habe. Sondern Gott ist der Schöpfer aller Menschen und der Vater aller Christen, der auch mitleidet, wenn ich meinen Mitgeschöpfen Leid antue.
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