Als ich Student in Augsburg war, starb der Gründer des Opus Dei, José Maria Escriva de Balaguer. Wenig später baten die Mitglieder des Opus Dei, Wunderberichte und Gebetserhörungen zu melden – damit ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren eingeleitet werden könne. Ein Studienfreund von mir, Otto-Michael Schneider, schrieb auch sofort. Er berichtete dort, dass er jedes mal, wenn er von Augsburg nach München fuhr, den Verstorbenen Spanier um seine Mithilfe bei der Suche nach einem Parkplatz angerufen hätte – und immer auf Anhieb einen freien Platz gefunden hätte. „Wer die Parkplatzsituation in München kennt“, so schloss sein Bericht, der auch tatsächlich abgedruckt wurde, „kann nicht umhin, darin ein echtes Wunder zu sehen.“
Seitdem ist der Heilige José-Maria (denn inzwischen ist er tatsächlich schon heilig gesprochen worden – aber nicht aufgrund des Parkplatz-Wunders) mein ständiger Wegbegleiter in fremden Städten, wenn es darum geht, mein Auto zu parken. Vor allem in italienischen Städten ist er wunderbar effektiv: Sowohl mitten in der Innenstadt von Turin, von Bologna oder Mailand habe ich – nach einem kurzen Gebet zu ihm – sofort einen freien Platz gefunden – und das in Turin sogar während einer Demonstration zur Hauptverkehrszeit – direkt vor einem Hotel.
Vielleicht liegt es daran, dass dieser Heilige einen solch langen Namen hat, den sich kaum jemand merken kann (ich wiederhole zum Mitschreiben: „José-Maria Escriva-de-Balaguer“), dass nicht schon längst jeder bei der Suche nach einem Parkplatz ihn um seine Fürsprache bittet.
Vielleicht liegt es aber auch an unserer verlorengegangenen Beziehung zu den Heiligen und unserm mangelnden Vertrauen in ihre Wirksamkeit. Wir leben nur noch sehr unbewusst in der „Gemeinschaft der Heiligen“, wie wir sie gleich im Glaubensbekenntnis wieder bekennen. Unsere Kinder kennen kaum noch ihre Namenspatrone, feiern ihren Namenstag nicht mehr (vermutlich, weil sie den Termin nicht kennen) und verzichten gerne auf deren Hilfe und Fürsprache. Während unsere Vorfahren noch genau wussten, welcher Heilige bei welcher Gelegenheit die besten Beziehungen hat, kennen wir vielleicht noch den Heiligen Antonius, der uns beim Suchen von Schlüsseln hilft, und den Heiligen Florian, der für die Feuerwehr zuständig ist.
Die vielen Nothelfer (es sind weitaus mehr als 14) sind heute arbeitslos. Der Himmel wird nicht mehr eingespannt, wenn wir Sorgen haben, und wenn wir beten, dann beten wir allein – ohne die heiligen Fürsprecher. Unser Alltag wird zunehmend gottferner.
Natürlich steckt in der Anrufung der Heiligen auch ein ganzes Stück Volksglauben – manchmal nahe am Heidentum. Aber wir haben die Heiligen ja nicht entfernt, weil unsere Gottesbeziehung enger geworden ist. Vielmehr sind wir sosehr belastet mit allem Möglichen, dass wir kaum noch Zeit finden – kaum noch für Gott, schon gar nicht mehr für die Heiligen. Dabei wäre eine gesunde Heiligenverehrung keine Zeitverschwendung, sondern ein Zeitgewinn: Wieviel Zeit verbringen im Beten ungeübte Menschen mit der Parkplatzsuche, während ich in der Zeit in Ruhe einen Rosenkranz beten kann? Wieviel Zeit verbringen Menschen mit der Suche nach einem Schlüssel oder den Fahrzeugpapieren, während glaubende Menschen schon längst das Te Deum singen – und trotzdem noch Zeit übrig haben.
Liebe Schwestern und Brüder: Testen Sie die Heiligen; leben Sie mit den Heiligen und ihren Fähigkeiten. Die wollen beschäftigt sein! Und uns bleibt viel Stress erspart, wenn wir einiges von dem, was uns so beschäftigt, an diese großartige Gemeinschaft abgeben.
Und wenn Sie dann jemand fragt, woher sie all diese Ruhe und die viele Zeit nehmen, dann lächeln Sie weise und sagen: „Tja, man muss eben Beziehungen haben.“
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