Wenn wir in der Hl. Schrift vom Gericht über die Verstorbenen hören und uns darüber Gedanken machen, so geraten wir sehr schnell in ein Dilemma: Auf der einen Seite spielt es auch für Gott eine entscheidende Rolle, wie wir hier auf Erden leben. Auf der anderen Seite scheint uns aber der Gedanke eines richtenden Gottes, der uns unsere guten und schlechten Taten vorhält, als ein sehr kümmerliches Bild von Gott.
Aber das Bild des Gerichtes nach unserem Tod ist ein so klarer Bestandteil der Frohen Botschaft, dass wir ihn wohl nicht wegdiskutieren können. Der Gedanke, dass es vollkommen egal ist, was wir hier tun und wie wir leben, wir kommen sowieso in den Himmel – der Gedanke entspräche ja auch nicht dem guten Gott, an den wir glauben.
Denn das würde bedeuten, dass Gott uns nicht ernst nehmen würde. Dass die Entscheidungen, die wir hier auf Erde treffen – manchmal sehr mühsam und verbunden mit großen Opfern – ohne jeden Belang sind.
Jeder, der sich entschließt, mit diesem Gott nichts zu tun haben zu wollen, würde am Ende seines Lebens seiner Freiheit beraubt und zur Liebe gezwungen. Seine Entscheidung gegen Gott wäre dann vollkommen belanglos.
Aber das wirft – gerade am heutigen Tag – die Frage auf, was denn mit unseren Verstorbenen ist. Und – mindestens genauso drängend – was wird mit uns einmal sein? Denn das ist ja wohl auch klar: Wir haben keinen Buchhalter-Gott, der alles, was wir tun, schön aufschreibt und nachher zusammenrechnet, ob wir uns wohl den Himmel verdient haben – oder nicht.
Vielleicht hilft uns dabei ein Gedanke weiter, der bei den alten Mönchsvätern, vor allem beim Heiligen Benedikt, ein entscheidende Bedeutung gehabt hat: Das Leben ist ein großes Einüben. Hier auf Erden üben wir uns, dereinst zu unserem Gott das große «JA» zu sprechen. So wie Jesus, nachdem Petrus ihn dreimal verleugnet hat, ihn dreimal fragt: Liebst Du mich? – so wird er auch uns fragen, ob wir ihn lieben. Und das was zählt, ist nur, ob wir dann aus ganzem Herzen das JA zu Gott, so wie er ist, auch wirklich sprechen können.
Dieses endgültige JA beginnt mit dem JA, dass wir in der Taufe sprechen. Aber es muss sich in unserem Leben immer wieder neu bewähren.
Können wir zu einem Gott, der unserem ärgsten Feind schon längst verziehen hat, während wir immer noch auf Rache sinnen, von ganzem Herzen JA sagen?
Können wir zu Gott denn JA sagen, wenn wir hier auf Erden all den Menschen, die uns nicht in den Kram passen, ein NEIN entgegenhalten?
Können wir aus ganzem Herzen JA zu Gott sagen, wenn wir hier auf Erden mit seiner Kirche nichts tun haben wollen? Wenn uns jeder Gottesdienst, der ja nichts anderes ist als eine gefeierte Zustimmung zu ihm, schon zu viel und zu lästig ist?
Können wir aus ganzem Herzen zu Gott JA sagen, so, wie er ist, wenn wir hier auf Erden schon unseren eigenen Glauben zurechtzimmern, uns Gott so basteln, wie wir ihn gerne hätten – egal was uns die Bibel oder die Kirche sagt?
Glauben Sie mir: Gott hat uns all unsere Halbheiten längst verziehen. Er trägt uns nichts nach, er hält uns keinen Sündenkatalog vor. Vor ihm brauchen wir keine Angst zu haben, er will nichts weniger, als ein strafender Gott zu sein. Deshalb können wir Allerseelen, dass Gedenken an alle unsere Verstorbenen auch feiern: Weil wir wissen, dass uns ein liebender Gott erwartet, wo der, der nicht glaubt, nur ein dunkles Nichts sieht.
Der, der an diesen liebenden Gott glaubt und das Leben nach dem Tode ernst nimmt, der wird auch sein Leben hier ernst nehmen – und mit der Liebe ernst machen. Wer von diesem JA Gottes zu uns beseelt ist, den kann nichts mehr trennen von der Liebe Gottes. Wer sich darum bemüht, sein eigenes JA zu Gott in diesem Leben einzuüben, den wird Gott vollenden. Der lebt ein erfüllt Leben, egal, wieviel er darin erreicht. Das ist unser Glaube, und das ist unsere großartige Hoffnung – für uns und für unsere Verstorbenen.
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