Es gibt immer noch das Gerücht, dass religiöse Menschen nur einer Phantasie nachlaufen – während WIssenschaftler (allen voran die Naturwissenschaftler) die reale Welt beschreiben. Das wird häufig schon allein mit einem Verweis auf das Wort «Glauben» belegt. Denn Glauben heißt doch, etwas nicht zu wissen, oder?

Nein, so einfach ist es nicht. Es stimmt – manchmal wird das Begriff «glauben» im Sinne von «vermuten» gebraucht, oder gleichbedeutend mit »nicht sicher erwarten«, »die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nicht einschätzen können«. Aber was wissen wir denn schon wirklich?

Der naturwissenschaftliche Glaube

Wissenschaftler sprechen von einer Theorie, die unabhängige Daten in einen Sinnzusammenhang stellen, als von einer glaubwürdigen oder unglaubwürdigen Hypothese. Wissenschaftlicher Glaube bedeutet inhaltlich, eine Theorie als plausibel, einleuchtend und naheliegend erachten. Wirklich sicher sind diese Theorien nicht – sie gelten so lange, bis sie widerlegt sind oder durch eine neue, umfassendere Theorie ersetzt werden.

Definitionen

Letztlich kann nicht als gewusst bezeichnet werden, was wir lediglich als Definition akzeptieren. Ob »Belgien« existiert oder nicht, ist keine Frage der Beobachtung – in der Natur finden wir keine Ländergrenzen; Staaten werden festgelegt und benannt. Die Frage nach der Existenz einer Definition ist die Frage danach, ob diese Definition anerkannt ist. So gilt, dass jedwede weitere reine Etikettierung, bspw. in der Biologie oder Chemie, weder eine Frage das Glaubens noch eine Frage des Wissens ist – sondern seine Legitimation durch Übereinstimmung in der Begriffsbildung erhält.

Fremde Berichte

Außerdem bedeutet »Glauben«, dass ich dem Bericht eines anderen einen Wahrheitsgehalt zuerkenne. Das gilt für den privaten Bereich genauso wie für die Wissenschaften – Forschern und ihren Berichten wird geglaubt; ein Einstein ist nicht selbst in den Urwald gezogen um eine Sonnenfinsternis zu beobachten, er vertraute aber den Angaben und Berichten.

Fazit: Was weiß ich denn überhaupt?

Was wissen wir denn dann? Was ist wirklich sicher? Bedenken wir das gerade Gesagte, dann scheiden alle diese Weisen des Glaubens für etwas «sicher Gewusstes» aus. Aber dann bleibt nichts mehr übrig, dass uns absolut sicher sein kann!
Es kann ja nur das als gewusst bezeichnet werden, was ich aus eigener Anschauung erfahren habe, selbst erlebt oder gesehen, selbst vermessen oder gespürt, durch Experiment oder Beobachtung eigens überprüft hat. Allen anderen, die eine solche Erfahrung unmittelbar nicht gemacht haben, bleibt nur der Glaube, dass unser Bericht darüber gewissenhaft ist. Wir wissen außerdem rein logische Folgerungen aus hypothetischen Annahmen (zum Beispiel in der Mathematik), leisten aber damit keine Wirklichkeitsbeschreibung und verbleiben im Raum der Hypothese.

Wenn wir so streng vorgehen, dann verkehrt sich der Begriff »Wissen« in das Gegenteil: Im allgemeinen wurde der Begriff »Wissen über die Welt« gerade für Objektivität, Allgemeinverbindlichkeit und grundsätzliche Anerkennung verwendet. Nach unseren Überlegungen ist Wissen (als das, was ich selbst erlebt und gesehen habe) nichts anderes als rein subjektives Erkennen (zudem behaftet mit dem Makel der möglichen Sinnestäuschung, fehlerhaften Erinnerung und interessengeleiteten Interpretation).

Glauben und Wissen sind verwandte Begriffe

Somit ist der Schluss erlaubt, dass es Wissen in seiner alltäglichen Verwendung als untrügliches Erkennen nicht gibt; Wissen ist vielmehr ein Erkennen, genauso wie der Glaube (in seinen unterschiedlichen Bedeutungen) und die Anwendung von Definitionen.
Wissen und Glauben unterscheiden sich also nicht in einem absoluten, gegensätzlichen Sinne; vielmehr bezeichnen wir Erkenntnisse mit einer höheren Verlässlichkeit und allgemeineren Akzeptanz als gewusste Sachverhalte, dagegen sprechen wir von Glauben, wenn es sich um unsichere Erkenntnisse oder um persönliche, nicht objektivierbare Entscheidungen handelt.

Das wirft natürlich unsere ganze Mauer über den Haufen, die wir aus Scheinargumenten aufgebaut haben: »Ich will mit Dir nicht über Glaubensfragen diskutieren, das sind doch sowieso nur Vermutungen.« – Das geht nicht mehr, denn sogar die Behauptung, dass morgen die Sonne aufgehen wird, ist nur eine Vermutung (nichts, was in der Zukunft liegt, kennen wir aus eigener Anschauung, schon gar nicht den zukünftigen Zustand unseres Sonnensystems). Die einzige Frage ist, wie sicher unsere Vermutungen sind.

Um die Frage zu klären, wie sicher die Behauptung »Es gibt Gott« ist, müssen wir allerdings nachdenken. Der Glaube an die Existenz Gottes ist vor allem eine Frage der Vernunft.

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Schlagwörter: , , Last modified: 6. Mai 2020