Die Taufe – Ein Handeln Gottes

Angesichts unserer Berufung zu erfüllten Beziehungen (Tauferklärung Teil 1) und unseres Zustandes der teilweisen Beziehungsunfähigkeit (Tauferklärung Teil 2) brauchen wir also die aktive Hilfe Gottes: Seine göttliche Intervention. Dafür hat die Theologie einen einfachen Begriff geprägt: Die Gnade. Das, was Gott tut (zusätzlich zu den menschlichen Zeichen und Vorbereitungen), ist sein gnadenhaftes Wirken.

Leider kommt dieser zentrale Begriff in der heutigen Theologie und Pastoral viel zu kurz. Warum? – Vermutlich, weil er nicht in unser Weltbild passt; vielleicht auch, weil wir Angst haben, dann zu Marionetten zu werden; eventuell weil der Mensch dann sagen kann: „Okay, Gott, dann mach mal!“ und sich gemütlich zurücklehnt; vielleicht aber auch, weil wir inzwischen glauben, auch ohne Gott und sein gnädiges Eingreifen auszukommen.

Der Mensch bedarf der Gnade Gottes – ohne Gottes Wirken gibt es kein Heil. Die Hoffnung, der Mensch könne sich am eignen Schopf aus der Sünde herausziehen und so gerechtfertigt vor Gott stehen, ist schon früh in der Kirche als „Pelagianismus“ verurteilt worden – eine Irrlehre, die in der Unmenschlichkeit endet.

Wer im Pelagianismus den hohen moralischen Anforderungen nicht genügt, bedarf keiner Vergebung (wie im rechtgläubigen Christentum), sondern einer Tracht Prügel, damit er sich noch mehr anstrengt. Entschuldigungen für Versagen gibt es nicht, denn es ist die Grundauffassung des Pelagianismus, dass jeder Mensch aus eigener Kraft heilig werden kann – wem es nicht gelingt, ist selber schuld.
Das ist unmenschlich. Wir brauchen nicht lange zu überlegen, um Personen zu finden, die in Situationen hineingeraten sind, aus denen sie sich eben nicht mehr aus eigener Kraft befreien können. Anstatt ihnen zu helfen, macht der Pelagianer ihnen noch Vorwürfe.

Manche meinen, der Pelagianismus greife heutzutage wieder um sich – bei den ganzen moralischen Imperativen in unseren Gottesdiensten ein nahe liegender Verdacht. Deshalb ist die Betonung der Gnade in der Taufe (in allen Sakramenten – ja, im ganzen Leben eines Christen) eine Christenpflicht.

«Der Mensch kommt nicht als Kind Gottes auf die Welt – er wird es»

Zu bestreiten, dass alle Menschen Kinder Gottes sind, ist nicht populär – das klingt ein wenig nach arroganter Selbstüberhebung der Christen und wird als Diskriminierung Andersgläubiger abgelehnt. Die Gegenbehauptung klingt allerdings sehr viel angenehmer: Alle Menschen seien Gottes geliebte Kinder – und zwar von Geburt an.

Wenn aber alle Menschen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Beziehung zu Gott, als Gotteskinder verstanden werden, so erübrigt sich nicht nur die Taufe als sakramentales Geschehen, in dem Gott uns als seine Kinder annimmt. Es entspricht auch nicht dem Selbstverständnis anderer Religionen, die z.T. die Vaterschaft Gottes (als viel zu menschlich gedacht) ausdrücklich ablehnen oder ein so persönliches Verhältnis zum Allherrscher gar nicht wünschen.
Aber abgesehen davon: Es entspricht auch nicht der Wirklichkeit. Alle Menschen sind Geschöpfe Gottes, Meisterwerke, geliebte „Krone der Schöpfung“ – was auch immer. Aber Sohn oder Tochter Gottes? Auf diese Idee käme kein Mensch von sich aus.

Der biblische Befund spricht da eine andere Sprache: Im Johannesprolog heißt es: «Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben.» (Joh 1, 12) Und im Römerbrief schreibt Paulus: «Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.» (Röm 8,15.16) «Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.» (1 Joh 3,1)

Tilgung der Erbsünde: Annahme der Erlösung

Nun hat Gott uns in seinem Erlösungsgeschehen einen Freiraum geschaffen, einen Gnadenraum, in dem der Mensch durch sein Wirken befreit werden kann von der Last dieser Sucht. Diese Versöhnung von Gott und Mensch geschieht zuallererst in Jesus. Durch seine Menschwerdung hat er den Anfang gemacht und durch seinen Tod und seine Auferstehung den Menschen wieder mit Gott versöhnt.

Warum es dieser Erlösungstat bedurfte, um die Beziehungsstörung zwischen Gott und Mensch zu beheben, wird auf der Seite der Karl-Leisner-Jugend in einer eigenen Katechese dargestellt.

In Jesus erscheint nun auf der Erde der „neue Adam“, weil Jesus so war, wie der Mensch ganz am Anfang von Gott gedacht war und sogar noch wunderbarer; denn Jesus war nicht nur Mensch, sondern auch Sohn.
Gott – d.h. der Vater, Jesus und der Hl. Geist – waren nun der Meinung, dass eigentlich alle Menschen so sein sollten wie Jesus: nicht nur ein Mensch mit Leib und Seele sein, sondern in einer Liebesbeziehung mit Gott verbunden.

Nachdem Jesus dreißig Jahre wie jeder Mensch gelebt hat, hat er sich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens taufen lassen. Als Jesus getauft wurde, kam eine Stimme aus dem Himmel (vom Vater) und eine Taube schwebte über Jesus (als Zeichen des Heiligen Geistes), und die Stimme sagte: „Das ist mein geliebter Sohn“.

Jesus hat sich taufen lassen, weil er wollte, dass die Menschen seinem Beispiel folgen. Bis heute sind alle Christen davon überzeugt, dass sie in dem Moment, in dem sie sich taufen lassen, wie Jesus werden – sie haben einen Leib, eine Seele und bekommen zusätzlich eine wunderbare Verbindung zu Gott geschenkt. Die Christen nennen diese Verbindung zu Gott manchmal „ewiges Leben“.

Nur kurz zur Erinnerung: Natürlich werden wir nicht genauso wie Jesus: Jesus war schon immer Gott und wurde dann Mensch. Wir waren von Anfang an Mensch und bleiben es auch. Zusätzlich zu unserem Menschsein erfahren wir aber eine Gnade, die unbeschreiblich ist: Wir werden durch die Taufe in die dreifaltige Gemeinschaft aufgenommen.

Das bedeutet: Wir haben ein neues Leben begonnen. In uns hat jetzt Gott so eine ähnliche Rolle wie in Jesus.

Wir werden wie Jesus

In der Taufe wird unsere Gottesbeziehung wiederhergestellt – nicht nur so, wie zu Adams Zeiten, sondern wie bei Jesus: Gott sieht in uns seinen Sohn; Er erhebt uns zu seinen Kindern.
Aber mit der Wiederherstellung der gestörten Gottesbeziehung ist – wir erinnern uns – nur eine Folge der Sünde getilgt. Was ist mit der Begierlichkeit? Der „Konkupiszenz“? Und den anderen Folgen der Sünde?

Zur Erinnerung: …der Dieb traut sich selber nicht mehr wirklich Gutes zu; er schämt sich und lügt eventuell, um seine Tat zu verschleiern; er hat anstelle von Vertrauen zum Bestohlenen nun Angst vor Rache und Vergeltung, und schließlich wird er sein Heil auch in Zukunft leichter im Diebstahl suchen – „Es war ja ganz einfach!“.

Nun – die Taufe ist der Beginn des Weges, auf dem wir uns von diesen Folgen der Sünde frei machen lassen. Wir üben uns ein in die neue Beziehung, die wir als Gotteskinder haben und vertrauen darauf, dass dadurch die alten Folgen der gestörten Gottesbeziehung immer weniger Einfluss auf uns und unser Leben ausüben.

Wenn wir die Begierlichkeit als Unordnung im Menschen ansehen, so stellt Gott in uns durch seine Gnade die Ordnung nicht einfach so -zack- wieder her. Vielmehr sagt er uns Seine fest Gnade zu; wir müssen aber lernen, auch danach zu leben, diese Ordnung zuzulassen, zu respektieren, in Handlungen zu überführen und somit in uns zu bekräftigen.

Gott wirkt wie ein Magnet, der Eisenspäne ordnet – mit dem Unterschied, dass wir Menschen frei entscheiden, wieviel neue Ordnung wir unseren „inneren Eisenspänen“ erlauben wollen. Gnade wirkt immer nur in Freiheit!
Wenn wir aber Gottes wirkmächtige, „magnetische“ Gnade zulassen, werden wir mit all unseren Begabungen, Fähigkeiten und Verstandeskräften in der Taufe (aber auch in der Beichte) wieder auf Gott als den uneingeschränkt Guten ausgerichtet. Wir sind wieder in der Lage, das Gute zu erkennen, wir werden durch das Gnadengeschenk befähigt, das Gute auch zu wollen und zu tun; und vor allem, uns wird Freude und Lust am Guten geschenkt. Fast wie im Paradies? Nein – noch viel schöner!

Gott liebt uns – und deshalb ist jede Gnade Gottes immer nur ein Geschenk, das soviel bewirkt, wie wir annehmen. Denn der, der liebt, zwingt niemanden. Die Taufe ist also nur der Anfang eines Weges – damit beginnt das Leben voller Abenteuer und Herausforderungen.

Taufe, Firmung, Eucharistie – und die Beichte

Deshalb, weil die Taufe der Beginn einer Gottesbeziehung ist, beschränkt sich das Wirken der Gnade Gottes nicht auf diesen einen Moment, sondern setzt sich in den anderen Sakramenten fort:
Durch die Taufe nehmen wir die neue Gottesbeziehung, die uns durch die Erlösung angeboten wird, an. In der Firmung bekommen wir die Kraft, diese Gottesbeziehung nicht zu verstecken, sondern vor der ganzen Welt unseren Glauben und Gottes Gnade zu bezeugen. Und durch die Kommunion öffnen wir uns immer wieder (und hoffentlich immer mehr) der Gnade, ernähren das uns geschenkte neue Leben und vertiefen unsere Beziehung zu Gott – oder besser: Wir lassen es zu, dass Gott seine Beziehung zu uns immer tiefer in unserem Leben ausprägt.
Diese drei Sakramente – Taufe, Firmung und Eucharistie – sind die sogenannten Initiationssakramente, die uns in die Gottesbeziehung hineinführen.
Zu diesem christlichen Leben aus den Sakramenten gehört auch die Beichte, die nichts weniger ist als eine „Zweite Taufe“ (so Johannes Paul II.) oder eine sakramentale Tauferneuerung.

Wiederholung nicht möglich – Beichten erwünscht

Wenn im Sakrament der Taufe der Mensch die Erlösung frei annimmt, dann kann er sie auch wieder verlieren. Muss sich ein Mensch, der dann nach einer längeren, gottlosen Zeit wieder neu anfangen will, nicht ein zweites Mal taufen lassen?

Nein – Taufe und Firmung kann jeder Mensch nur ein einziges Mal empfangen. Nicht etwa, weil er keine zweite Chance erhält, falls er wankelmütig sein sollte, sondern, weil Gott seine Zusage der Erlösung nicht erneuern muss, denn Er ist eben nicht wankelmütig. Seine Zusage in der Taufe nimmt er nicht zurück; den Bund, den er mit dem Täufling schließt, hebt er nicht auf – auch wenn der Christ zwischenzeitlich „keinen Gebrauch von der Gnade Gottes macht“.
Es kann aber sein, dass diese Phase des „ruhenden Bundes“ etwas turbulenter wird und der Getaufte seinen Taufbund regelrecht aufkündigt („schwere Sünde“ nennen wir dieses Verhalten). In dieser Situation ist es nicht mit einer bloßen Erneuerung des Taufbundes von Seiten des Menschen aus getan – es bedarf schon einer sakramentalen Vergebung durch Gott.
Aber die geschieht in einem eigenen Sakrament – der Beichte. Denn die Beichte bedarf schon einer gewissen Vorbereitung und ist auch an Voraussetzungen geknüpft ist, kein Problem für den getauften Christen, denn er kann ja auf die Gnade Gottes vertrauen, die in ihm wirkt.

Fazit

Falls Du bis hier den roten Faden im Gedankengang verloren hast, nochmal die Hauptthesen im Überblick:

  • Der Mensch hat durch die Ursünde, die erste Sünde des neugeschaffenen Menschen, die Ausrichtung auf Gott verloren.
  • Damit hat er auch das unmittelbare Verhältnis zu Gott verloren und ist zum Sklaven (zum Unfreien) geworden, da er sich selbst der Sklaverei der Sünde unterworfen hat.
  • Der Mensch kann nicht aus eigener Kraft zu seinem ursprünglichen, gottgewollten Zustand zurückkehren. Dazu bedarf er notwendig der Hilfe Gottes.
  • Erst in der Erlösungstat Jesu (=Ursakrament) ist uns die Möglichkeit gegeben, wieder zu Gottes Kindern zu werden. Dieser Gnade der unmittelbaren Gottesbeziehung werden wir in der Kirche (=Grundsakrament) teilhaftig. In den Gnadenraum der Kirche gelangen wir durch die Taufe (=Eingangssakrament)

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Schlagwörter: , Last modified: 20. November 2020