Verstand – Liebe ist nicht bloß Gefühl

Nicht wenige Menschen denken, dass diejenigen, die sich verlieben, eine Liebesbeziehung eingehen oder einer Religion angehören, das nicht mit ihrem Verstand tun. Liebe und Religion seien vollkommen irrational – sagen einige. So, als wären wir nur ein willenloser Spielball von Gefühlen, Hormonen und religiöser Erziehung.

Auf die Frage, was man tun muss, um das ewige Leben zu erlangen, antwortet (im Lukasevangelium) ein Gesetzeslehrer, indem er aus dem Alten Testament zitiert: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.« – Von Hormonen ist dort verblüffenderweise gar nicht die Rede. Liebe ist tatsächlich weniger ein Gefühl, sondern eine Entscheidung. Nur der liebt wirklich, der sich frei dazu entschließt!

Klug handeln, klar erkennen, verantwortungsvoll entscheiden – das sind keine Einschränkungen der Liebe und unserer Beziehungen, sondern deren Voraussetzungen. Nur wer bei klarem Verstand ist, kann auch wirklich und wahrhaftig lieben. Das heißt nicht, dass wir nun nur aus kühler Berechnung Beziehungen knüpfen; sondern dass wir auch den Verstand in den Dienst der Liebe stellen.

Viele Menschen leiden in ihrer Beziehungsunfähigkeit daran, dass sie aufgrund ihrer ständige wechselnden Emotionen keinen Grund zur Treue sehen. Was ihnen fehlt, will Gott uns in der Firmung schenken: Die Freude, auch unsere Gedanken und unseren Verstand in unsere Liebesentscheidungen einzubeziehen.

Weisheit – Einfühlungsvermögen gewinnen

Großväter spielen in Kinderfilmen die gleiche Rolle wie die erfahrenen Richter in Gerichtsfilmen: Sie sind lebenserfahren, ehrlich, unbestechlich – und weise. Sie wissen Bescheid: Nicht etwa, weil sie klüger als andere sind, sondern weil sie sich in die Lage des anderen hineinversetzen können und in ihrem langen Leben schon einige Erfahrungen in solchen Lebenslagen gewonnen haben. Weisheit ist eine Eigenschaft, die viele Beziehungen retten könnte. Mancher gewinnt sie auf hartem Wege durch – mitunter leider auch schmerzliche – Erfahrungen. Besser wäre es, als junger Mensch an der Weisheit der Alten teilhaben zu können. Oder, noch besser: An der Weisheit Gottes. Wenn einer weiß, was im anderen vorgeht, dann Er.

Rat – Wissen, was zu tun ist

Es ist interessant, dass selbst die größten Nobelpreisträger in ihrem Leben nicht unbedingt die erfolgreichsten, geschweige denn glücklichsten Menschen sind. Und selbst in offensichtlich böswilligen politischen Systemen sind es manchmal sogar zuletzt die Wissenschaftler, die verstehen, dass sie Handlanger des Bösen waren. Dann ist guter Rat teuer.
»Rat« ist nicht nur Weisheit, Verstand und Wissenschaft zusammen. »Rat« ist das Wissen um das, was zu tun ist. Der Entschluss, das Gute zu lieben und das Böse zu meiden, gut und richtig – theoretisch. In der Praxis ist es jedoch nicht immer leicht, den rechten Weg vom Weg des Unheils zu unterscheiden. Darf ich in bestimmten Situationen lügen? In großer Not einer Abtreibung zustimmen? Muss ich ein Geheimnis bewahren, selbst wenn es andere ins Unglück stürzt? Soll ich meinen Freunden gegenüber solidarisch sein – oder ihren Drogenkonsum anzeigen?

Viele Fragen stellen sich, deren Antwort gelegentlich schwer fällt – aber an denen nicht selten das Gelingen oder Misslingen meiner Beziehungen hängt. In solchen Situationen sehnt sich auch der Intelligenteste nach einem guten Berater, um den rechten Weg vom falschen zu unterscheiden. Der beste Berater ist Gott selbst – und seine diplomatische Vertretung in meinem eigenen Gewissen ist der Heilige Geist.

Stärke – Mut, das Richtige zu tun

Es gibt nicht nur die Gabe, die richtige Vorgehensweise zu erkennen, sondern auch den Mut, das Richtige zu tun (oder auch das Falsche zu lassen – was oft noch viel schwerer ist). Stark zu sein heißt, konsequent in Freundschaft mit Gott, dem Nächsten und seiner eigenen Natur zu leben. Der Geist des Menschen hat zunächst die Möglichkeit, das Gute als erstrebenswert zu erkennen. Der vom Heiligen Geist geheilte menschliche Geist hat außerdem die Fähigkeit, das Gute gegen alle Widerstände auch zu ergreifen. Jede Liebes- beziehung braucht gelegentlich Heldenmut; ganz besonders in den ganz kleinen und einfachen Gesten. Gut, dass es Gott gibt, der ein Meister der kleinen und großen Taten ist.

Erkenntnis – Die Wirklichkeit annehmen

Erkenntnis ist die schlichte Gabe, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Natürlich hat jeder seine eigene Brille auf, die ihm vor allem das zeigt, was er gerne hätte. Der Materialist z.B. sieht überall Hinweise auf rein natürliche Erklärungsmechanismen, der Wirtschafts- wissenschaftler findet immer wieder volkswirtschaftliche Kräfte am Werk, der Wundergläubige erkennt in allem Unerklärliches. Was aber ist wirklich?
Die Fähigkeit, auch dann die Wirklichkeit zu akzeptieren, zu ihr Ja zu sagen, wenn sie nicht meinen Wünschen entspricht – in Freundschaft mit der Realität zu leben – ist eine Gabe des Geistes. Der Verliebte sieht in einer scheinbar gewöhnlichen Person das Unwiderstehliche, Einmalige und Großartige – wie Gott.

Frömmigkeit – Der Liebe Ausdruck verleihen

»Frömmigkeit« klingt heutzutage nicht gut – es riecht nach Weihrauch und alten Gebetbüchern, wenn von Frömmigkeit die Rede ist. In jeder Liebesbeziehung bedarf es aber genau dieser Fähigkeit, der Liebe Ausdruck zu verleihen – mit großen Gesten, poetischen Worten und der Treue im Kleinen. Frömmigkeit ist mehr als nur eine romantische Ader zu haben: Um wie Romeo unter dem Balkon von Julia Liebeslieder zu singen, bedarf es auch des Mutes, einer Begabung zum Sologesang und einer gewissen Textsicherheit. Frömmigkeit ist die Zusammenfassung all unsere individuellen Fähigkeiten, um sie – indem wir unsere Liebe ausdrücken – in den größten Dienst zu stellen.

Frömmigkeit bedeutet also nicht, besonders viele Kniebeugen zu machen oder lateinische Gebete aufsagen zu können, sondern Gott zu lieben, wie er ist – und es Ihm auf die schönste und beste Art und Weise zu zeigen, die Dir möglich ist.

Gottesfurcht – Respekt haben

Mit Furcht (Gottesfurcht) ist nicht etwa Angst gemeint – Furcht ist das alte deutsche Wort für Respekt und Anerkennung. Dazu gehört selbstverständlich der Respekt vor dem Geliebten – aber eben auch die Anerkennung, dass ich, wenn ich geliebt werde, diese Liebe nicht verdient habe und nicht einklagen kann. »Ehrfurcht« vor der Liebe des Anderen ist aber nicht ein ständiges Zittern um dessen Gunst, sondern eine permanente Freude über das ungeschuldete Geschenk seiner Liebe. Eine echte Liebesbeziehung »hat« man also nicht irgendwann; eine wahre Liebe respektiert die Freiheit aller in dieser Beziehung – auch die Freiheit für Überraschungen.

Überraschungen? Ja: Zur Gottesfurcht gehört nämlich auch die Einsicht, nicht selbst Gott zu sein und Gott niemals ganz zu verstehen. Anzuerkennen, dass wir Geschöpfe sind und eben keine Götter, ist der Anfang der Freundschaft mit sich selbst. Die eigenen Grenzen anzunehmen und Gott als Gott anerkennen – das ist wahre Liebe und Bejahung der eigenen Existenz. Nur so kannst Du als Mensch auch dem anderen in Liebe begegnen: Weil Du weißt, dass Du Fehler hast, kannst Du verzeihen und um Verzeihung bitten. Letztlich kommt alles seelische Leid – alle Sünde – aus der Unzufriedenheit des Menschen, nicht Gott zu sein – und sich an seine Stelle zu setzen.

Weiter im Firmkurs mit Teil 7 (von 7)

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Schlagwörter: , , Last modified: 22. Mai 2020