Die Zehn Gebote sind vermutlich so an die 3000 Jahre alt – und so mancher meint, dass man ihnen das Alter auch anmerkt. Was haben diese alten Vorschriften noch mit unserem modernen Leben zu tun? Zum Beispiel das Dritte Gebot: Du sollst den Sabbat halten!?
Nun: Wer auf der einen Seite vom Lebens-Burn-Out bewahrt bleiben will und auf der anderen Seite mal ein Wunder sehen möchte, der tut gut daran, sich das 3. Gebot zu Herzen zu nehmen.

Zur Einordnung eine Vorbemerkung: Das erste Gebot verbietet, die Welt zu vergöttlichen, das zweite will verhindern, Gott zu verweltlichen. Dennoch sind Gott und Welt keine Gegensätze, sondern aufeinander bezogen. Wie Schöpfer und Geschöpf. Sich an die Geschöpflichkeit zu erinnern und diese zu bewahren, ist Gegenstand des 3. Gebotes.

Das 3. Gebot im O-Ton

Exodus 20, 8-11: Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.

Das dritte Gebot: Gott und Welt sind einander ähnlich. Ahme Gott nach und lass Ihm Raum für Sein Wirken!

Die ursprüngliche Bedeutung

Viele alte Kulturen kennen einen regelmäßigen Ruhetag, der gelegentlich einen religiösen Bezug aufweist. Doch das göttliche Gebot eines Wochentages, der Arbeitsruhe für alle Mitglieder eines Haushalts gleichermaßen beinhaltet, hat keine religionshistorischen Parallelen. Der Sabbat ist also ein Kennzeichen des Judentum. Der Sabbat (das »S« wird wie ein »Sch« gesprochen), der 7. Tag der Woche, ist im Jüdischen der einzige Wochentag mit einem eigenen Namen, die anderen Tage wurden lediglich durchnummeriert. Er beginnt mit dem Einbruch der Dunkelheit am Freitagabend und endet mit dem Sonnenuntergang am Samstag. Die Aufforderung zur Einhaltung der Sabbatruhe wird mit der Ruhe Gottes begründet, der nach der Welterschaffung am letzten Tag selbst ruhte; zugleich soll die Sabbatruhe auch der Erinnerung an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei dienen.

Das Ruhegebot gilt für die ganze Natur, denn nicht nur der Mensch, sondern auch die Tiere, die Sklaven und auch die Fremden (also die Nicht-Juden), die im Land wohnen, haben sich an dieses Gebot zu halten. Damit wird nicht nur der religiöse Mensch, sondern die ganze Schöpfung zum Bild Gottes. Zudem wird dadurch auch ein sozialer Zusammenhalt geschaffen, denn das Sabbatgebot gilt für Arme, Reiche, Bauern, Sklaven und Politiker, ja selbst für den König. Die Einhaltung der Sabbatruhe wird so zu einem Handeln des ganzen Volkes – und erinnert die Juden daran, dass sie ein Volk sind.

Der «Tag der reduzierten Eingriffe»

Am Tag der »reduzierten Eingriffe in die von Gott gegebene Schöpfungsordnung« lässt der Mensch wenn möglich alles so, wie es von Gott geordnet wurde. Nicht in den Zehn Geboten, aber im sich daran anschließenden mosaischen Gesetz wird der Sabbat verpflichtend mit einem Gottesdienst geheiligt (Lev 23,3). Aber die Arbeitsbefreiung am Sabbat leitet sich nicht aus dem Gottesdienstgebot ab! Im Gegenteil: Der bereits existierende Sabbat erhält seinen zusätzliche Heiligung durch den Gottesdienst. Der Sabbat hat auch ohne Gottesdienst seinen eigenen Wert, indem er den »ewigen Bund« zwischen Gott und Israel sichtbar macht. Er dient nicht nur »zur Ehre des Herrn« (Ex 35,2), sondern auch zur Unterscheidung des erwählten Gottesvolks von anderen Völkern.

Das Bundeszeichen des Sabbats ist nicht nur ein Zeichen für andere Völker, sondern auch für Mitglieder des jüdischen Volkes selbst eine notwendige Erinnerung: »Haltet nur ja meine Sabbate! Denn das ist ein Zeichen zwischen mir und euch für alle eure [künftigen] Geschlechter, damit ihr erkennt, dass ich der Herr bin, der euch heiligt.« (Ex 31,17)

»Mehr als Israel den Sabbat bewahrt hat, hat er Israel bewahrt.«

(Achad Haam, Journalist, geb. Ascher Hirsch Ginsberg, 1856 – 1927)

Ahme Gott nach!

In der Betonung der absoluten Jenseitigkeit Gottes (im Ersten Gebot), die verbietet, irgendetwas in dieser Welt Gott gleichzusetzen, und noch nicht einmal ein Abbild von Ihm erlaubt, kann leicht der Eindruck entstehen, Gott habe mit dieser Welt nichts zu tun – und diese Welt nichts mit Gott. Vielleicht sind beide sogar einander ausschließende Gegensätze?

Eine solche Weltsicht nennen wir »Dualismus«; sie findet sich schon in der Antike in der sogenannten »Gnosis«, einer in allen Religionen bekannten Bewegung gegen alles Diesseitige.

Die Antwort gibt das dritte Gebot: Wir sind keine Gegensätze zu Gott, sondern Ihm ähnlich; nicht nur im Wesen und Geist, sondern sogar in unserem Tun können wir Ihm ähneln. Wie Gott können wir diese Welt gestalten und (zumindest in einem eingeschränktem Sinne) in ihr schöpferisch sein! Und wie Gott können und dürfen wir von diesem Tun ausruhen. Ja, um das Bewusstsein der Gottebenbildlichkeit nicht zu verlieren, sollen wir es Gott gleich tun und den siebten Tag nicht der Arbeit in der Schöpfung, sondern der Freude an der Schöpfung widmen. Wie Gott selbst!

Damit ist nicht nur die Sabbatruhe ein Imitieren Gottes, sondern auch das Wirken durch die Woche ein Anteilhaben an dem Schöpfungswirken Gottes. Das ist epochal.

Lass Gott mal machen!

Die Sabbatruhe ist keine plumpe Passivität, sondern innerlich eine Herausforderung. Denn die Schöpfung nicht ständig zu verbessern heißt auch, an ihre Güte zu glauben. Am Sabbat nicht weiter zu wirken (obwohl soviel drängt und fordert: die Ernte, die Reparatur, die Forderungen der Nachbarn und das Versprechen gegenüber dem Kunden…) setzt voraus, das erste Gebot ernst zu nehmen und sein Glück nicht allein vom eigenen Wirken zu erwarten, sondern dem Gottvertrauen einen Raum zu geben.

Wir sind nicht die Herren unseres Glücks, sondern Geschöpfe eines liebenden Gottes, der sich um Seine Geschöpfe kümmert.

Wenn der Sabbat (oder für uns Christen der Sonntag) der «Tag des Herrn» ist, dann müssen wir Gott Gelegenheit geben, dass er uns Seine Nähe zeigt. «Gott mal machen lassen» ist dabei eine schöne Umschreibung von Gottvertrauen und Sich-Zurücknehmen. Lasst am Sonntag Raum für Gottes Wirken!

Der Nicht-Eingriffs-Pakt.

Das Sabbatgebot hat aber nicht nur die Aufgabe, den am Sabbat Ruhenden in seinem Gottvertrauen zu stärken und für die staunend auf ihn Schauenden aus den anderen Völkern das Gottesbild zu veranschaulichen, das ein solches Gottvertrauen überhaupt erst ermöglicht. Das Sabbatgebot dient auch demjenigen, der am Sabbat frei ist von den Auswirkungen der Alltagshektik. Die Arbeiter, Sklaven, Angestellten, ja sogar die Tiere und die ganze Natur können zu einer Ruhe kommen, die nicht nur selbst angestrebt wird, sondern auch von anderen endlich einmal zugelassen wird.

Dieses Geschenk der Sabbatruhe ist dabei nicht nur eine Phase der Wiedergewinnung von Arbeitskraft, sondern eine kleine Neuschöpfung seiner selbst durch Gott). Während die im Arbeitsprozess eingespannten in einer eingeschränkten Weise funktionieren müssen, dürfen sie am Sabbat einfach nur sein. Wozu Gott sie ja geschaffen hat: Um als Gottes Geschöpf zu existieren. (Das mag vielleicht die schönste Umschreibung von Liebe zu sein: »Ich will, dass du bist«. Der Sabbat ist die Zeit, dieses zu genießen).


Heilung durch Jesus am Sabbat – Warum macht er das?!

Beim Lesen der Wunderberichte im Neuen Testament kann man manchmal den Eindruck habe, Jesus verstehe sich als regelrechter Provokateur. Natürlich darf man am Sabbat heilen – aber muss Jesus das denn ausgerechnet an diesem Tag tun? Ginge es denn nicht weniger provokant, wenn er dazu die anderen Tage benutzt? Genauso argumentieren ja auch die Pharisäer (Lk 13,14: »Der Synagogenvorsteher aber war empört darüber, dass Jesus am Sabbat heilte, und sagte zu den Leuten: Sechs Tage sind zum Arbeiten da. Kommt also an diesen Tagen und lasst euch heilen, nicht am Sabbat!«)

Das ändert sich ein wenig dadurch, dass wir gesehen haben, dass der Sabbat nicht nur einfach ein Tag der Ruhe ist – sondern ein Tag, an dem der Mensch sein Tun zurücknimmt und die Schöpfung wieder Gott überlasst. Es ist der Tag des Herrn (lat., ital. und in vielen anderen Sprachen: »Domenica« – Herrentag), des göttlichen Wirkens. Jesus wirkt also nicht aus Provokation ausgerechnet am Sabbat, sondern weil es sein Tag ist. Die Konfrontation mit den Juden geschieht also nicht, weil es um den Sabbat geht; sondern weil die Pharisäer nicht die Göttlichkeit Jesu anerkennen wollen. (Lk 6,5: Und »Jesus fügte hinzu: Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.«; ebenso Mk 2,28 und Mt 12,8)

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Schlagwörter: , Last modified: 28. Februar 2024