Kirchenkrise? Gotteskrise!
Es mag für viele offensichtlich sein, wenn wir behaupten, dass die momentane Kirchenkrise in Wirklichkeit eine Glaubens- oder gar Gotteskrise darstellt. Manche widersprechen dem aber energisch und verweisen darauf, dass die angebliche Rückständigkeit der Kirche Ursache für den Rückgang des Glaubens, der Gottesbeziehung und des persönlichen Gebetes ist. Wer also diese Kirchenkrise behebe, lasse die Menschen wieder in Scharen in die Kirche strömen.
Dass das eine Illusion ist, dürfte vielen inzwischen klar sein – und dennoch wird diese Ursache-Wirkung-Behauptung immer wieder beschworen: Die Kirchenkrise ist die Ursache für die Glaubenskrise. Wenn die Kirche moderner wäre, würden auch wieder mehr Menschen glauben.
Mittlerweile währt diese Krise lang genug, um mit ein wenig geschichtlichem Wissen festzustellen, dass die Krise der Kirche nicht Ursache, sondern Symptom einer tieferliegenden Krise ist: Des mangelnden Glaubens an einen persönlichen Gott, einen handelnden Gott, einen gütigen und tatkräftig wirkenden Vater seiner Kinder, den wahrhaftig göttlichen Jesus Christus – und des fehlenden Glaubens an die wirksame Anwesenheit des Heiligen Geistes in Kirche, Sakrament und allen Getauften.
Nun klingt das so, als wenn ich das Problem dramatisiere. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wenn es tatsächlich eine Strukturkrise wäre, dann könnten «wir einfachen Normalkatholiken» nicht viel tun. Außer vielleicht ein paar Plakate hochhalten, Petitionen unterschreiben und Kirchenstreiks anzetteln. Denn eine Strukturkrise kann nur von «denen da oben» gelöst werden. Das ist das Problem des «Populismus von unten»: Als passives und machtloses Volk kann man nicht anderes als Schimpfen – und das tun dann diese populistischen Trolls gerne und intensiv. Selbst können (und wollen) sie ja nichts tun.
Wenn ich aber davon überzeugt bin, dass die Krise eine Glaubenskrise ist – dann kann ich etwas ändern! Dann ist jeder von uns gefragt, jeder kann etwas tun und beitragen. Dann gibt es keine Entschuldigung für Passivität und Populismus. Dann kann sich zeigen, dass die Kirche eine wahrhaft demokratische «Graswurzelbewegung» ist.
Graswurzelbewegung (grassroots movement) ist ein Begriff, der aus dem Englischen stammt und meint, dass eine Bewegung nicht von oben verordnet, sondern durch die Basis begonnen und getragen wird. Das Schöne daran, Teil eines solchen grassroots movement – einer Graswurzelbewegung zu sein, ist, dass jeder Einzelne nichts anderes zu tun braucht als zu wachsen – wie ein Grashalm.
Es ist also so, wie Jesus gesagt hat: «Meine Last ist leicht, und mein Joch drückt nicht!». Wir verändern die Welt, indem wir einfach an Gott glauben. Das verlangt von uns keine großen Opfer. Zumindest keine zusätzlichen Opfer «zur Rettung der Kirche!» – sondern nur die Anstrengung, die es braucht, wenn man seinen eigenen Glauben ernst nimmt und lebt.
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