Während sich zwei Lager in der Kirche munter befehden, gibt es – gottseidank – auch Christen, die sich selber keiner dieser Parteien zurechnen, sondern sogar bemüht sind, Brücken zu bauen – oder zumindest Skizzen zu entwerfen, wie solche Brücken aussehen könnten.
Ich freue mich ausdrücklich über diese unabhängigen Geister, die sich nicht vereinnahmen lassen. Gerade deshalb ist es wichtig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und nachzufragen, ob diese die Situation in der Kirche zutreffend beschreiben.

Mehr Anbetung – oder mehr Synodalität?

So ist vor ein paar Wochen in der Münsteraner Kirchenzeitung eine persönliche Meinungsäußerung veröffentlicht worden, die zu lesen sich lohnt – und die ich hier gerne noch etwas vertiefen möchte.
In dieser persönliche Stellungnahme werden die beiden populären Richtungen (sicher gibt es noch mehr als nur diese zwei – und von diesen beiden sicher auch zahlreiche Untergruppen, aber in der öffentlichen Wahrnehmung gibt es vor allem diese beiden) als gegensätzliche Wege aus der Kirchenkrise beschrieben: Die einen sehen in der Krise vor allem eine Krise des Glaubens, eine Gotteskrise und empfehlen mehr Anbetung, Vermittlung von Glaubenswissen, Evangelisierung, Frömmigkeit und Besinnung auf althergebrachte liturgische Formen. Die anderen sehen in der Krise der Kirche vor allem ein Mangel an Modernität – vor allem in den Strukturen, der Entscheidungsfindung, der Beteiligung an Entscheidungen und Form der Kirche, die mehr Vielfalt, Beteiligung und weniger Amt braucht.

Der Verfasser des Gastkommentars, den ich im Übrigen sehr schätze, sieht die beiden Positionen so weit auseinander, dass er keinen Möglichkeit mehr für einen Kompromiss oder eine Einigung erkennen kann. Und an dieser Stelle möchte ich ihm – ungern – widersprechen.

Ich sehe durchaus einen Weg, diese Positionen wieder zusammenzubringen.

Denn wenn man ein wenig tiefer schaut, sind sowohl die Bewahrer als auch die Forschen von einer gemeinsamen Motivation geleitet. Ich unterstelle nämlich allen Vertretern der unterschiedlichen Lagern die wohlbegründete Absicht, nicht die «Kirche zu retten» (wie ein Unternehmen, das in die roten Zahlen geraten ist), sondern im Sinne Jesu den Menschen eine frohe Botschaft zu verkünden und ihnen dadurch Wege zu ihrem ganz persönlichen Glück zu öffnen. Ich weiß es zumindest von mir, der ich mich wohl eher zu den «Bewahrern« zähle, dass die Rettung der Kirche aus der momentanen Krise nicht mein Anliegen ist, sondern das Glück und das Heil eines jeder einzelne Menschen, dem ich begegne. Und, das gebietet die Liebe: Gleiches nehme ich dann auch von denen an, die «im anderen Lager» stehen. Wir haben also ein identisches Ziel.

Natürlich gibt es auch diejenigen, die das Heil und das Glück des Menschen gar nicht in Gefahr sehen – oder dieses grundsätzlich jedem Menschen selbst überlassen. Manche wollen auch Gott in dieser Hinsicht nicht ins Handwerk fuschen. Solche Streiter für eine erneuerte Kirche – ganz unabhängig von der Zuwendung zum Menschen – mag es theoretisch geben. Mir sind solche Vertreter allerdings noch nicht begegnet. Dagegen wird eine solche Position oft und gerne den Vertretern des jeweils anderen Lager unterstellt.

Es mag auf den ersten Blick nur eine andere Beschreibung des gleichen Problems sein: Dann wollen die beiden Lager eben nicht die Kirche retten, sondern die Menschen in Kirche und Welt – der Streit bleibt aber doch der gleiche, oder?

Nun – es gibt kein endgültiges Handbuch zur Rettung einer Kirche in der heutigen Zeit. Wenn es also nur um diese Frage ginge, wären die Lager tatsächlich unversöhnlich, weil die Antwort nirgendwo hinterlegt ist. Die Forschen und die Bewahrer wären auf «Versuch und Irrtum» angewiesen – verweigern sich aber wechselseitig den ihrer jeweiligen Meinung nach aussichtslosen Versuchen am lebenden Objekt der Kirche.

Aber wenn es gar nicht um die Rettung der Kirche, sondern um das Glück des Menschen und die Fülle des Lebens geht, stehen wir eben nicht auf argumentativ verlorenem Posten. Dann geht es letztlich um eine klar umgrenzbare erkenntnistheoretische Frage: Worin liegt das Glück des Menschen?

Aber wenn es gar nicht um die Rettung der Kirche, sondern um das Glück des Menschen und die Fülle des Lebens geht, stehen wir eben nicht auf argumentativ verlorenem Posten.

Klar: Wiederum gibt es darauf zwei gegensätzliche Antworten, die den kirchlichen Strömungen der Gegenwart entsprechen. Da gibt es diejenigen, die das Glück des Menschen vor allem in seiner Freiheit sehen: Die Freiheit, das eigene Sein selbst zu bestimmen, zu gestalten und die eigenen Werte zu leben.

Ich will diese Position nicht weiter ausführen – denn das ist nicht meine. Es fällt mir schwer, sie so darzustellen, dass nicht schon Kritik daran mitschwingt. Vielleicht findet sich ja jemand, der seine Forderungen zur Erneuerung der Kirche in seinem Glücksbegriff des Menschen begründet und besser zu formulieren weiß, als ich es kann.

Und dann gibt es diejenigen, die das Glück des Menschen in seiner Beziehungsfähigkeit sehen – einer Beziehungsfähigkeit Gott und den Menschen gegenüber. Nicht in der falschen Absolutsetzung der Freiheit des Menschen – sondern in seiner Fähigkeit sich zu binden. Gott und andere Menschen gelten zu lassen heißt immer auch, ein Stück seiner Freiheit durch eine hingebende Beziehung in Glück verwandeln zu lassen.
Man merkt: Das ist meine Position. Die kann ich gut beschreiben, vertreten und illustrieren. Das will ich an dieser Stelle aber nicht weiter tun – die ganze Homepage der Karl-Leisner-Jugend und von gut-katholisch.de hat kein anderes Ziel.

Mit dem Autor des eingangs erwähnten Artikels stimme ich voll und ganz überein, dass ein Dialog zwischen den Bewahrern und Forschen nur gelingen kann, wenn die Protagonisten bereit sind, aufeinander zuzugehen, zuzuhören, persönliche Ressentiments abklingen zu lassen und umzukehren.

Hinzufügen möchte ich allerdings, dass es eine klare Hoffnung auf Verständigung gibt. Denn es geht nicht um das Überleben einer soziologisch zu beschreibenden Institution – da kann kaum einer Verlässliches beisteuern, sondern nur Meinungen haben. Nein: Es geht um die naheliegende, beantwortbare Frage, für die jeder Mensch mit seinen Lebenserfahrungen und vor allem jeder in einer (Gottes-)Beziehung Lebender Erhellendes beitragen kann: Um die Frage nach dem tiefsten und erfüllendsten Glück des Menschen.

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Schlagwörter: , Last modified: 17. August 2020