Was in unserer Kirche fehlt, ist das Vertrauen jedes einzelnen Kirchenmitgliedes in Gottes Gegenwart. Dass er wirkt, auch in dieser Welt. Auch in meinem Leben! Oder, treffender formuliert: Was zunehmend fehlt, sind Menschen, die das glauben und die schlicht durch dieses Vertrauen auf Seine Nähe Gott erfahrbar machen: in ihrem Leben, Beten, Glauben und Feiern. Uns fehlen keineswegs Wunder und Zeichen – davon ist die Welt und die Kirche immer noch voll. Aber es fehlen Menschen, die auf Wunder vertrauen und die Zeichen sehen!
Worte sind genug gewechselt
Wer «Verkündigung des Glaubens» hört, denkt vielleicht als erstes an die Predigt; als zweites eventuell an Katechesen und Religionsunterricht und fürchtet als drittes, es sei so eine Art Tür-zu-Tür-Dienst wie bei den Zeugen Jehovas gemeint.
Aber das hieße Verkündigung auf die rein verbale Form zu reduzieren. Glaubensweitergabe ist aber viel mehr; sie geschieht sowohl in der eigenen Familie (Kinder lernen durch Nachahmen), im Bekannten- und Freundeskreis (da sind es die Entscheidungen, die wir treffen und die von unseren Prioritäten erzählen, bis hin zur Entscheidung, sonntags zur Kirche zu gehen) als auch in einer Öffentlichkeit, die mich nicht kennt, aber beachtet – wenn ich zum Beispiel im Restaurant vor dem Essen bete oder mich vor einem Heiligen- und Gottesbild in der Öffentlichkeit kurz verneige
Wer glaubt, Verkündigung sei nur das, was von der Kanzel herab geschieht, hat ein sehr armes Bild von der Weitergabe des Glaubens. Dass solche Menschen meinen, Frauen hätten in der Kirche nichts zu sagen, nur weil sie den Predigtdienst nicht versehen, ist dann eine logische Konsequenz aus dieser falschen Sicht
Habe ich vorhin gesagt, Glaubensweitergabe ist viel mehr als nur die Predigt und Wortverkündigung? Nun, das soll eben nicht bedeuten, dass Glaubensweitergabe noch mehr Schulung, Ausbildung, Mut und Gelegenheit braucht, als diejenigen haben, die amtlich predigen. Im Gegenteil: Glaubensweitergabe geschieht schon vorher und in viel kleineren und einfacheren Schritten. Seien wir mal ehrlich: In unserer Zeit hören ja nur diejenigen eine Predigt, die sowieso schon glauben. Die anderen kommen erst gar nicht – und wenn sie schon da sind, hören sie vielleicht nicht hin. So kann sich natürlich keiner bekehren (außer vielleicht diejenigen, die rein zufällig in eine Predigt geraten, weil sie eigentlich das Parkhaus gesucht und den Eingang verwechselt haben).
Die Verkündigung außerhalb von Predigt, Katechese und Religionsunterricht war immer schon weitaus wichtiger, aber heute gewinnt sie noch mehr an Bedeutung: denn die Besucher (und Hörer) von Gottesdienst und Predigt werden auch innerhalb der Kirche immer weniger
Wenn Laien sich beschweren, weil sie behaupten, ohne die Erlaubnis zur Predigt in der Messe wäre ihnen jede Möglichkeit der Verkündigung genommen, frage ich mich angesichts der leeren Bänke in der Kirche: Was nutzt eine Predigtvollmacht, wenn es keine Zuhörer mehr gibt? Ein guter Familienvater (oder eine ebensolche Mutter) hat mit ihrem Glaubenszeugnis zuhause unter Umständen mehr und aufmerksamere Zuhörer als der Pfarrer in der Kirche
Vor allem aber haben viele Menschen schlicht keine Fragen mehr – zu Gott, zum Glaube, zur Kirche und zum Leben. Je mehr das Wissen schwindet, umso mehr auch Fragen, die damit verbunden sind. Wer überhaupt nichts mehr weiß, hat auch keine Wissenslücken mehr. Es interessiert ihn einfach nicht mehr
Allergien und Unverträglichkeiten
Noch wichtiger aber ist die Verkündigung durch den gelebten Glauben aller Getauften, weil eine «Allergie» immer mehr um sich greift: Die Allergie gegen die Kirche. (Hans Urs von Balthasar nannte sie mal den «Antirömischen Affekt»). Diese zeigt sich in drei Stufen: Zuerst ist man nur allergisch gegen die Kirche selbst; dann auch über jede Rede (oder Information), die sich auf die Kirche bezieht, und schließlich reagieren Menschen auch schon auf die allergisch, die von der Kirche erzählen.
Das ist die Crux der Priester, Bischöfe und Päpste: Wir kommen gar nicht wirklich an die «Ränder der Kirche», weil wir dort mit allergischen Reaktionen rechnen müssen, die ein Zuhören unmöglich machen.
Für die Laien ist das aber kein Problem, solange sie nicht direkt von Gott berichten und den Verkündigungston des Pfarrer nachahmen. Mit anderen Worten: Dort ist nicht gefragt, was für die meisten Laien sowieso nicht ihre Stärke ist: die Predigt. Dort ist vielmehr gefragt, was sie am besten können: Ihrem eigenen Glauben und ihren Überzeugungen folgen.
Rede nicht ungefragt – aber lebe so, dass man dich fragt…
Ich weiß immer noch nicht, woher diese Spruch kommt: «Rede nicht ungefragt über deinen Glauben, aber lebe so, dass man dich fragt!» Ich bin kein so großer Freund dieser Weisheit. Denn das klingt so, als wenn das gelebte Zeugnis des Glaubens nur eine Art Trick ist, um irgendwann mit den Leuten ins Gespräch zu kommen – und dann endlich antworten geben zu können. Davon abgesehen bin ich der Meinung, dass man durchaus auch mal ungefragt über das reden darf, was mir wichtig ist – manche fragen nicht, weil sie sich nicht trauen.
Aber richtig ist: Das gelebte Zeugnis des Glaubens ist schlicht der Glaube selbst. Den wir einfach leben – ob öffentlich, privat, ob im Verborgenen oder unter den Augen anderer. Es sollte uns schlicht egal sein, ob und wie viele Zuschauer es gibt, wenn ich bei McDonalds mein Tischgebet spreche. Ich sollte dort meine Gewohnheit, zu beten, nicht ablegen – aber auch nicht ausdrücklich demonstrieren,sondern einfach tun, was ich für richtig halte, weil es meinem Glauben entspricht.
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