Die erhoffte Wiederkehr des Übernatürlichen
Im Studium wurde ich immer wieder davor gewarnt, den Sakramenten oder dem Gebet zu viel eigene Wirkmacht zuzusprechen. «Das ist magisches Denken!» Und mit dem Versuch, nicht ins Magische zu verfallen, wurde irgendwann überhaupt nicht mehr von der Wirksamkeit Gottes in Sakrament, Gebet und Kirche geredet. Ich sage heute: Wir brauchen wieder mehr davon!
Geben wir der Welt wieder ihren alten Glanz zurück; sprechen wir vom Wunderbaren wie von einem guten Freund, mit dem wir ständig rechnen; entdecken wir neu den geheimnisvollen Charakter von Liebe und Freundschaft; geben wir der Tier- und Pflanzenwelt wieder ihren Zauber zurück; erzählen wir von den Heiligenlegenden nicht wie von Märchen, sondern wie von vergessenen Wahrheiten. Überlassen wir die geheimnisvolle Welt hinter dieser Welt nicht dem Kino, sondern feiern wir auf diese Weise unsere Gottesdienste.
Einige meiner Schüler antworteten auf die Frage, wie Gottesdienste gestaltet werden sollten, mit überraschenden Wünschen: «Mehr Gold und Blumen!» – «Mehr Weihrauch!» – « Mehr Musik, Sänger und Chöre!» – «Große Chöre, beruhigende Musik, mitreißender Gesang!»
Ich möchte den Begriff «magisch» wieder häufiger in den Mund nehmen – auch wenn er missverständlich und deshalb gefährlich ist. Klar, es gibt präzisere und weniger missverständliche Begriffe: Mysterium, Wirkmacht, Zauber, das Übernatürliche… und noch andere. Ich möchte unter diese Begriffe aber auch immer wieder das Wort «Magie» mischen, denn genau davor schrecken viele Theologen immer wieder reflexartig zurück:
Vor der Fernsehübertragung des außerordentlichen «Urbi et Orbi»-Segens in der Corona-Epidemie erzählt die Reporterin, dass diese Zeremonie aus der Sicht des Papstes nicht nur ein Symbol sei, sondern mehr. Wirksamer. «Also Magie?» fragte der Moderator. «Nein, natürlich nicht, aber doch mehr als ein Zeichen.» druckste die Reporterin herum. Ich hätte sehenden Auges gesagt: «Ja, klar, so was ähnliches wie Magie!«
In einigen Filmen wird in einem guten Sinne von der Magie erzählt, die früher die Welt erfüllt hat und heute verloren gegangen ist (so in «Onward», «Wide Awake», im Roman «Dodo» oder in den Romanen von David Gemmell). Ein bisschen – so sagen die Autoren – sei sie noch in der Welt spürbar. Der Begriff «Magie» ist im Deutschen zwar weniger positiv besetzt, als im Englischem, wo er sinngemäß auch mit «geheimnisvoll», «wunderbar», «mirakulös» und «verzaubernd» übersetzt werden kann. Aber er drückt zumindest die Anwesenheit einer größeren Wirklichkeit aus.
Ablehnen möchte ich ganz klar jede Form von «echter Magie» – den Glauben an verborgene Mächte in dieser Welt, die durch Zauberformeln und Rituale freigesetzt werden. Was ich in unserem modernen Glauben vermisse, ist gerade das Über- und Außerweltliche, das nicht von ungefähr, sondern von Gott kommt. Ihn allein bitten wir – und Er gewährt es uns, weil Er uns liebt. Ein riesengroßer Unterschied!
In der Sicht von außen scheint dieser Unterschied manchmal zu verschwinden. So scheint es, als wenn der feste Glaube eines Katholiken an die Fürsprache der Heiligen, an die Fahrzeugsegnung vor dem Urlaub, den Blasiussegen und den Gebrauch von Weihwasser durchaus etwas Magisches hat. Leugnen wir diese größere Wirklichkeit nicht – aber korrigieren wir das primitive magische Denken
In der Liturgie
Gerade in der Feier der Liturgie war die «Verstehbarkeit» ein universales Ausschluss-Prinzip. Wenn Erwachsene, Jugendliche oder Kinder etwas nicht verstehen konnten, musste es übersetzt, verändert oder abgeschafft werden. Was für ein Ausverkauf des Mysteriums! Gerade dadurch wurden unsere Feiern so sehr «entmystifiziert», dass jeder Walt-Disney-Film mehr Tiefe vermittelte als unsere Gottesdienste.
Reden wir ruhig von Opferung, vom Gott im Zeichen des Brotes und vom Wunder der Wandlung. Verwenden wir Schellen, Glocken, Weihrauch, rauschende Gewänder; wissen wir vor allem aber von der universalen Faszination von Feuer und Kerzen, von Weihwasser und Asperges (Besprengung der Gemeinde). Fürbitten brauchen keine langen Worte – nach jeder Bitte ein Weihrauchkorn auf eine glühende Kohle zu legen ist viel tieferes Zeichen. Wir können für jeden Verstorbenen eine Kerze in der Messe entzünden, ein Gedenkbuch auf den Altar legen; wir können Bilder und Kreuze verhüllen und wieder enthüllen – gerade wir Katholiken schöpfen aus einem Schatz an Zeichen, der oft genug unentdeckt auf dem Dachboden der modernen Liturgie verstaubt
Im persönlichem Gebet
Leben wir im Gebet mit der größeren Wirklichkeit, den alltäglichen Wundern, die uns umgeben – und pflegen einen vertrauten, selbstverständlichen Umgang. Zum Beispiel mit unseren Schutzengeln (habe ich ihm schon einen Namen gegeben? Das sollte ich tun, dann fällt es leichter, mit ihm (oder ihr) zu sprechen). Solche Schutzengel sind ein Geschenk! Die kann ich «ausleihen» an andere Menschen, die im Moment dringendere Hilfe brauchen als ich. Ich kann sie auf Reisen schicken, um anderen Menschen (oder deren Schutzengel) Grüße zu bestellen, «gute Nacht» oder «gute Besserung» zu wünschen. Schutzengel können auch mal kleine Dienste übernehmen: mich rechtzeitig an Termine erinnern, mich morgens rechtzeitig wecken, in mir im richtigen Augenblick die nötige Aufmerksamkeit erzeugen.
Und was ist mit meinem Namenspatron? Bei Harry Potter ist der Patronus-Zauber der mächtigste Zauber zur Abwehr! Nutzen wir das Vorbild für diese Fiktion – unseren Patron im Himmel! Und manche von uns haben mehr als einen! Zudem gibt es die heiligen Nothelfer (der heilige Antonius hilft nicht nur beim Suchen von Schlüsseln, sondern vielleicht auch bei der Suche nach einem Ehepartner), der heilige Josémaria Escriva de Balaguer soll gut beim Finden von Parkplätzen sein, der lerntechnisch absolut unbegabte Josef von Cupertino ist heute der Patron aller Schüler und Studenten (und er konnte fliegen. Ehrlich!) – und sicher gibt es auch Patrone für Schnupfen und Netflix-Serien-Sucht. Gott will, dass wir beten! Und was für eine Riege von Superhelden steht uns zur Verfügung!
Habe ich Lieblingsheilige? Lese ich deren Geschichten, kenne ich ihre Wunder, Macken und Vorlieben? Lerne ich neue, auch moderne Heilige kennen? Heilige und Selige, die noch zu meiner Zeit gelebt haben? Nehme ich meine verstorbenen Großeltern, Lehrer, Priester und Päpste mit in mein Gebet und bitte sie um ihre Hilfe? Da tun sich noch ganz neue Zuständigkeiten auf!
Noch mehr Anregungen ergeben sich, wenn ich mich frage, wie ich bete. Darf man es mir ansehen? Komme ich mit oder auch ohne Kreuzzeichen aus? Bete ich auch im Restaurant? Sage ich nach dem Essen auch «Danke!» (nicht nur zum Gastgeber)?
Vertraue ich meinem Gebet? Bin ich wirklich ruhiger, weil ich meine Anliegen jetzt ja in guten Händen weiß? Kann ich diese Ruhe vermitteln, ausstrahlen und verschenken?
Das Gebet kann auch ein Geschenk sein. Für andere. Weil ich ihnen etwas Gutes tun will.
Bete ich auch als Geschenk? Für andere, weil ich ihnen etwas Gutes tun will? Wenn ich um ein Gebet ersucht werde – tue ich es dann auch? Nehme ich es als heilige Pflicht: «versprochen ist versprochen»? Bete ich nicht nur für, sondern auch anstelle derjenigen, die es nicht selbst können (oder wollen)? Zünde ich eine Kerze an, wenn andere mein Gebet brauchen (in Prüfungen, bei Operationen oder schweren Gesprächen)?
Bitte ich andere ab und zu mal um ihr Gebet? Und freue ich mich dann, wenn es zugesagt wird? Rufe ich vielleicht mal im Kloster (oder bei einem Priester) an und bitte in einem bestimmten Anliegen um deren Gebet? Du wirst dich wundern, wie beflügelnd das sein kann, wenn man sich getragen weiß!
Gibt es in meinem Haus (meiner Wohnung oder meinem Zimmer) einen «Herrgottswinkel»? Also, einen Ort für mein Gebet – mit Kreuz, Marienfigur, Blumen, Heiligenbildchen und evtl. Fotos von Verstorbenen, für die ich bete?
Gibt es in meiner Wohnung (zumindest in meinem Schlafzimmer) Weihwasser? Um den Tag mit der Erinnerung an meine Gotteskindschaft zu beginnen und zu beschließen? Kann ich damit auch meine Kinder und meinen Ehepartner segnen? Kinder lieben es – auch wenn es uns zuerst peinlich ist. Und wenn man sich das als Ehepartner angewöhnt, ist es in oder nach einem Streit kein neues, aber umso intensiveres Zeichen!
Empfehlen wir unseren Kindern das Gebet auch außerhalb der eigenen vier Wände? Zum Beispiel vor dem Unterricht, vor einer Klassenarbeit oder in Prüfungen? Auch gerne mal im Anschluss an eine Arbeit? (Wir müssen ja nicht von unseren Kindern verlangen, dass sie sich dabei zum Gespött der Klasse machen – ein stilles Gebet reicht da auch schon aus!)
In der medizinischen Wissenschaft gibt es seit einiger Zeit eine Disziplin, die «Kultur-Medizin» heißt und die sich mit der heilenden Wirkung von Musik, Literatur und auch Religion beschäftigt. Wenn diese Disziplin schon (nach eigenen Angaben wissenschaftlich erwiesen) von der spürbaren Wirkung der Kultur auf das Immunsystem spricht – vielleicht sollten wir dann öfter mal schon rein aus gesundheitlichen Gründen in den Gottesdienst gehen.
Zugegeben: Das alles ist viel, zu viel, um alles auf einmal umzusetzen. Aber weil es so viele und so unterschiedliche Möglichkeiten gibt, den übernatürlichen Glanz strahlen zu lassen, den mein Glaube schon an sich hat, dürfte wohl für jeden etwas dabei sein, oder?
Im Alltag
Im Alltag scheint ein Christ nicht besonders aufzufallen. Christen seien nicht anders, sondern genauso, wie jeder andere – nur auf eine besonders authentische Weise. Sagt man. Aber so ganz stimmt das nicht: Wir haben ein Menschenbild, das unseren Blick auf uns und andere manchmal nur in kleinen Nuancen vom gesellschaftlichen Konsens abweichen lässt. Aber diese kleinen Nuancen können große Auswirkungen haben.
So sind wir zum Beispiel davon überzeugt, dass jeder Mensch seine Würde durch seine Gottebenbildlichkeit erhält. Die besteht unter anderem darin, lieben zu können und liebenswert zu sein. Einem anderen Menschen als «absolut verdorben» anzusehen, widerspricht dieser Grundüberzeugung. Daraus ergibt sich, dass wir niemals einen Menschen abschreiben dürfen (deshalb gibt es die Gefängnisseelsorge und den priesterlichen Beistand selbst für Massenmörder). Wir sollten davon überzeugt sein, dass jeder Mensch immer noch die Möglichkeit zur Besserung, Bekehrung und Heiligkeit besitzt.
Einem Menschen die Freiheit abzusprechen, selbst wenn wir ihn dadurch in Schutz nehmen wollen, heißt, ihm die Würde abzusprechen.
Einem Menschen die Freiheit abzusprechen, selbst wenn wir ihn dadurch in Schutz nehmen wollen, heißt, ihm die Würde abzusprechen. Und die Freiheit, sich zum Guten durchzuringen und sich dem Guten zu öffnen, geht niemals ganz verloren – weil sonst ein Mensch auch seine Würde verlieren würde. Das macht schon einen Unterschied in unserer Erziehung, in unserem Strafsystem und vor allem in unserem Reden und Urteilen über andere, uns ansonsten unbekannte Straftäter.
Wir Christen sind nicht nur von der immerwährenden Fähigkeit des Menschen überzeugt, sich Gott zuzuwenden – sondern auch der Selbstwirksamkeit der Wahrheit. Wir müssen nicht solange diskutieren, bis unser «Gegner» uns zustimmt. Es reicht, wenn wir sicherstellen, dass er uns verstanden hat (das kann auch schon mühsam und langwierig sein). Danach brauchen wir nicht mehr weiter zu insistieren und können auf die natürliche Hinordnung eines jeden Menschen auf das Gute, Wahre und Schöne vertrauen. Auch wenn es dafür immer Zeit braucht – und auf unserer Seite viel Geduld. Wer so denkt und diskutiert, ist ein viel angenehmerer Zeitgenosse.
Und wenn ich der Wahrheit dann doch keine so große Strahlkraft zumesse oder ich nicht sicher bin, ob ich die Wahrheit auch wirklich treffend und überzeugend dargestellt habe: Es gibt ja auch noch Gott, der ebenfalls ein Interesse daran hat, jeden Menschen zu erleuchten. Lassen wir Ihm doch noch Platz, Wunder zu wirken!
Jeder Mensch hat immer ein gewisses Maß an Freiheit, wenn es auch noch so klein ist. Das gibt Hoffnung – lässt aber auch jedem Platz, schuldig zu werden. Erschrecken wir nicht, wenn wir im Fehlverhalten eines anderen Absicht erkennen! Erstens sind wir alle Sünder und auch fehlbar; zweitens gibt es darauf eine angemessenere Reaktion als das Erschrecken: Die Vergebung. – Machen wir uns die Vergebung zur zweiten Natur!
Achten wir aber darauf, dass eine zur Schau getragene Vergebungsbereitschaft auch arrogant sein kann: Wenn der Schüler mitten im Unterricht aufsteht und dem Lehrer mitteilt, dass er ihm seine Notengebung gerne vergibt, dann ist das nicht wirklich christlich-demütig!
Und, damit wir uns nicht selbst überfordern: Unterscheiden wir zwischen Vergebung und Versöhnung. Die Versöhnung ist die Wiederaufnahme einer Beziehung mit neu geschenktem Vertrauen, das eventuell vorher missbraucht wurde. Das können wir nicht immer – manchmal dürfen wir es nicht einmal (wenn wir zum Beispiel für andere Betroffene mitverantwortlich sind). Aber Vergebung können wir immer schenken: Nämlich auf Vergeltung und Rache verzichten, um den Schmerz der fremden Schuld selbst zu tragen.
Zum Christsein gehört deshalb auch die Fähigkeit, selbst Fehler einzugestehen. Keiner ist perfekt, warum sollte ich selbst so tun als ob? Im Grunde bewahrt uns die Fähigkeit, Fehler einzugestehen und um Verzeihung bitten zu können, oft vor größerer Schuld. Denn nach einem verzeihlichen Fehler oder einer nur allzu menschlichen Schwäche geraten so einige in größere Schuld, wenn sie ihren Fehler kaschieren, leugnen, anderen die Schuld geben oder gar die Existenz von Schuld und Sünde ganz leugnen. Wir Christen haben das nicht nötig. Wir sind da sehr viel fehlertoleranter: Mit uns und mit anderen.
Ein gläubiger Christ ist also bereit, das Leben eines jeden Menschen vom Anfang bis zum Ende zu verteidigen – auch manchmal gegen den Willen dessen, der seinem eigenen Leben ein Ende setzen willen. Und dennoch erschrickt und verzweifelt er nicht, wenn ein Leben zu Ende geht.
Der Christ schätzt den Wert eines jeden Lebens deutlich höher als jeder andere: Denn dieses Leben birgt die Möglichkeit, die Ewigkeit zu gewinnen! Gleichzeitig relativiert diese hohe Einschätzung des menschlichen Lebens in dieser Welt auch den Tod: Denn nun tritt der Mensch in das ein, was er sich im Leben von Gott wünscht. Ein gläubiger Christ ist also bereit, das Leben eines jeden Menschen vom Anfang bis zum Ende zu verteidigen – auch manchmal gegen den Willen dessen, der seinem eigenen Leben ein Ende setzen willen. Und dennoch erschrickt und verzweifelt er nicht, wenn ein Leben zu Ende geht.
Das ist das, was mich am meisten bei dem Kinofilm «Silence» von Martin Scorsese (2016) gestört hat. Christliche Missionare wagen sich in das religionsfeindliche Japan und erleben immer wieder, wie Menschen dort wegen ihres Glaubens hingerichtet werden. Aber anstatt diese Augenblicke in heiligem Schweigen, Gebet und Fürsprache zu würdigen, ist die angeblich natürliche Reaktion beim Sterben eines Menschen nur Geschrei, Verzweiflung und Nervenzusammenbruch.
Gut, ich bin jetzt nicht einer wirklichen Christenverfolgung ausgesetzt; aber in Familien, Krankenhäusern oder als Notfallseelsorger bin ich doch häufig dem Sterben und Tod begegnet – und auch der Trauer der Angehörigen. Es gibt eine sehr viel erhabenere Weise, dem Tod zu begegnen, als sich schreiend auf den Boden zu werfen.
Wir Christen leben mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit mit dem Übernatürlichen. Wir leben in einer größeren Wirklichkeit, in der es auch Raum für die Seele (nicht nur der Menschen, auch der Tiere und Pflanzen!), für Engel, für die Seelen der Verstorbenen, für Wunder und Überraschungen gibt. Deshalb halten wir die Welt auch nicht für absolut berechenbar – und schon gar nicht das Verhalten der Menschen. Wir müssen Vertrauen haben und Vertrauen schenken. Wir glauben den Menschen, was sie uns sagen, und verlangen nicht für alles einen Beweis oder ein Attest. Natürlich werden wir deshalb auch öfter getäuscht, hintergangen oder ausgenutzt. Aber wir können mit Enttäuschungen besser umgehen – ja, sie sind meistens eine gute Übung, innerlich gefestigter zu werden, großzügiger in der Vergebung, reifer in der Aufrechnung von Schuld, gelassener und toleranter. Wir können nicht nur großzügiger mit materiellen Verlusten umgehen, sondern auch mit Demütigungen. Was uns nicht umbringt, macht uns heiliger.
Gut: Das ist eine Idealvorstellung. Wir Christen sind alle (mich eingeschlossen) noch weit davon entfernt, so zu sein, wie wir sein könnten. Wie nahe ein einzelner im Vergleich mit einem anderen diesem Ideal kommt, ist auch nicht von seiner Gottesbeziehung abhängig. Aber ob ich mich diesem Ideal nähere oder es aus den Augen verliere, hängt sehr wohl davon ab, ob ich in meinem Glauben einen guten Grund und in meinem Gott einen großzügigen Helfer und einen barmherzigen Vater habe, der seine Geduld mit mir nicht verliert.
Sakramente: Treffpunkte mit Gott
Nicht zuletzt ist ein Christ mit einer echten Gottesbeziehung an den Sakramenten interessiert. Nicht, weil es Gottesdienste sind, so wie Lobpreis und Schriftstunde. Sondern weil in den Sakramenten wirklich etwas geschieht: Hilfe, Gnade, Heiligung. Ohne die Gnade durch die Sakramente wäre ein christliches Leben eine immerwährende Tortur; wir kämen nicht voran und würden den aus den Augen verlieren, um dessentwillen wir das alles tun: Gott. Sakramente zu empfangen (allen voran die Beichte und die Eucharistie), sind nicht Ausdruck unseres hochstehenden Glaubens, sondern dienen dem Erhalt einer lebendigen Gottesbeziehung mit Leib und Seele und Herz und Verstand.
Wenn mich jemand fragt (und glaubt mir, das kommt häufiger vor, als man denkt), wie er seinen Glauben intensiver und realer leben kann, wie er Gott intensiver und realer begegnen und lieben kann, ist meine Antwort immer: Gehe erst einmal regelmäßig zur Sonntagsmesse, darüber hinaus auch mal werktags. Und alle sechs Wochen zur Beichte.
Alles andere zeigt Gott dir dann schon. Darauf kannst du dich verlassen.
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