Der Ablauf der Krankensalbung
Die Feier der Krankensalbung sollte möglichst im Kreis der Angehörigen geschehen. Ich habe schon erlebt, dass die Angehörigen das Zimmer verlassen wollten, als ich von der Krankensalbung sprach – so, wie sie es gewohnt waren, wenn der Arzt seinen Koffer auspackt und zur Behandlung schreitet. Sie sollten bleiben, auch wenn es ihnen schwerfällt! Es ist nicht nur für den Kranken selbst wichtig, der Feier aktiv beizuwohnen, sondern auch sich mit denen verbunden zu wissen, die ihm im Alltag zur Seite stehen.
Die Feier der Krankensalbung kann man hier ausführlich einsehen.
a. Beichte
Falls der Krankensalbung eine sakramentale Beichte vorausgeht, sollte diese selbstverständlich mit größter Diskretion geschehen. Ist der Kranke nicht mehr in der Lage zu beichten, nimmt die Krankensalbung auch ohne Bekenntnis alle Sünden von ihm.
b. Die Feier der Krankensalbung
Die Feier der Krankensalbung ist verbunden mit einem kleinen Gottesdienst, der die klassischen Elemente (Begrüßung, Schuldbekenntnis, Lesung, Bitten, Vaterunser und Segen) enthält.
Zu Beginn werden alle Anwesenden mit dem Weihwasser besprengt und damit spürbar an ihre Taufe erinnert. (Solche spürbaren Zeichen sind gerade für Kranke wichtig, deren geistige Fähigkeiten manchmal nachlassen, aber deren Sinne geschärft sind!)
Als Lesung wird zumeist die Stelle aus dem Jakobusbrief genommen, die sich auf die Salbung des Kranken bezieht:
«Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.» (Jak 5, 14f).
Nach den Fürbitten, vor der sakramentalen Salbung, tritt noch ein sehr wichtiger und intimer Ritus hinzu: Nach einem Gebet legt der Priester dem Kranken schweigend beide Hände auf. Eine solche Handauflegung darf ruhig auch mehr als nur einen Augenblick dauern. Die Zuwendung, die der Kranke dadurch spürt, ist mehr als nur Psychologie: Der Priester ist mit dieser Geste der Nähe reales Zeichen für den Gott, der mitleidet und gleichzeitig stärkt und erhebt.
Vor der Salbung wird ein Lobpreis über das Öl gesprochen, das vom Bischof normalerweise jährlich in der Karwoche (zumeist in der Chrisammesse am Gründonnerstag) geweiht wird. Von der Bistumskirche aus wird das Öl dann in alle Gemeinden und zu allen Priestern gebracht, die es ein Jahr lang für die Krankensalbungen aufbewahren. Das Öl ist in der Regel reines Olivenöl. – Falls kein geweihtes Öl vorhanden ist, kann der Priester auch im Krankengottesdienst Olivenöl oder im Notfall auch anderes pflanzliches Öl weihen.
Die eigentliche Salbung geschieht, indem der Priester die Stirn des Kranken und die Hände (wenn möglich die Innenflächen) salbt und dabei spricht: «Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes. Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf!»
In früheren Zeiten wurden auch die Füße und zudem alle Sinnesorgane (Augenlider, Ohren, Nase, Mund) gesalbt. – In besonderen Situationen kann die Salbung aber auch auf einer anderen Stelle des Körpers erfolgen.
Nach der Salbung folgt noch ein Gebet und das Vaterunser. Wenn sich keine Kommunionfeier anschließt, folgt direkt der Krankensegen. – Die Feier der Krankensalbung kann gekürzt werden, wenn die Umstände und vor allem der Gesundheitszustand des Kranken es erfordern. Die Handauflegung und die Salbung bilden dabei den unverzichtbaren Kern der sakramentalen Handlung.
c. Die Krankenkommunion
Wenn möglich, sollte in diesem Gottesdienst auch die Spendung der Kommunion erfolgen, die dem Ritus der Haus- und Krankenkommunionen folgt. Falls der Kranke die Hostie nicht mehr schlucken kann, können unter Umständen nur kleine Teile der Hostie gereicht werden; es ist auch möglich, die Kommunion unter dem Zeichen des gewandelten Weins zu spenden.
Falls es möglich ist, kann die Feier der Krankensalbung auch in eine Eucharistiefeier (als Messfeier am Krankenbett, in der Krankenhauskapelle oder in der Kirche) eingebettet werden. Dann erfolgt die Spendung der Krankensalbung vor den Fürbitten, danach schließt sich die Eucharistiefeier an.
d. Der Krankensegen
Am Ende des Gottesdienstes steht (wie sonst auch) der Segen. Dieser Segen hat jedoch eine besondere, dreifach gestaffelte Form. Der Krankensegen kann auch einem Kranken ganz unabhängig von Salbung und Eucharistiefeier gespendet werden. Viele Priester (oder Diakone), die regelmäßig Kranke zuhause oder in den Krankenhäusern besuchen, schließen einen einfachen Besuch (ohne Krankenkommunion oder Salbung) gerne mit der Spendung des Krankensegens ab.
Wann? Wo? Wem?
Nicht zu spät
Wie schon erwähnt, sollte mit der Bitte an den Priester, zur Krankensalbung zu kommen, nicht zu lange gewartet werden. Manche Angehörigen fürchten, der Kranke könne die Salbung als eine Art «Todesritus» auffassen und nun alle Hoffnung aufgeben. Deshalb ist es auf der einen Seite wichtig, zwar die Krankensalbung anzubieten, aber eben nicht voreilig von den «Sterbesakramenten» zu sprechen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine übertriebene Scheu, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Es ist mir schon passiert, dass die Angehörigen mich baten, dem Kranken nicht zu sagen, dass es keine Hoffnung auf Heilung mehr gebe – und der Kranke mich anschließend bat, den Angehörigen nicht zu sagen, dass er längst weiß, dass er nun bald sterben wird. Ja, es ist mir noch viel häufiger vorgekommen, dass die Kranken oder Alten genau wussten, dass sie nicht mehr lange zu leben hatten, obwohl es noch keine Anzeichen für eine ernstere Krankheit gab.
Nicht ohne Grund
Anstatt mit der Krankensalbung zu lange zu warten, gibt es aber auch den umgekehrten Trend. In manchen Gemeinden ist es üblich, zu einer jährlichen Feier der Krankensalbung alle Älteren einzuladen, auch wenn sie nicht akut krank sein sollten. Ja, gelegentlich bitten mich auch gesunde und junge Menschen um die Krankensalbung, durch die sie die Befreiung von bedrängenden Krankheiten oder psychisch belastenden Phasen erhoffen.
Auch wenn die Priester niemanden abweisen sollen, der zu Recht um ein Sakrament bittet, sollen Priester hier zurückhaltend sein. Die Spendung der Krankensalbung ist schon gebunden an eine Situation, in der der «Gesundheitszustand bedrohlich angegriffen ist» (II. Vaticanum). Es wird also eine akute Krise vorausgesetzt.
Dennoch ist es möglich, die Krankensalbung nach einiger Zeit erneut zu spenden, wenn sich der Gesundheitszustand zwischenzeitlich gebessert hat und dann wieder schlechter wird.
Die Krankensalbung kann in Gottesdiensten auch mehreren Personen zugleich gespendet werden (z. B. in Krankenhäusern); nicht sinnvoll ist es jedoch, alle zu diesen Gottesdiensten einzuladen, die ein bestimmtes Alter erreicht haben, ohne dass ihr Gesundheitszustand beeinträchtigt ist. Eine Abwägung ist sicherlich nicht leicht, deshalb mag es helfen, die Formulierung des Katechismus zu erwägen: «Die Krankensalbung ist nicht nur das Sakrament derer, die sich in äußerster Lebensgefahr befinden. Daher ist der rechte Augenblick für ihren Empfang sicher schon gegeben, wenn der Gläubige beginnt, wegen Krankheit oder Altersschwäche in Lebensgefahr zu geraten» (KKK 1514)
Nur den Lebenden
Sakramente werden grundsätzlich nur den Lebenden gespendet. (Die Beerdigung ist kein Sakrament!) Manche Priester weigern sich deshalb beharrlich, einem soeben Verstorbenen noch die Krankensalbung zu spenden. Die Erfahrung der Kirche lehrt aber, dass der Todeszeitpunkt nicht so eindeutig zu bestimmen ist. Das Aussetzen von Atmung und Herzschlag sind dabei zwar eindeutige körperliche Anzeichen, aber ob der Sterbende nicht doch noch wahrnehmungsfähig ist, seelisch vielleicht noch anwesend und aufnahmefähig für Gebet und Sakrament, ist zumindest möglich.
Darauf weist nicht zuletzt die moderne Medizin hin, die klinisch Tote auch noch nach längeren Zeiträumen wiederbeleben kann. Wir müssen nicht auf die Berichte aus dem Bereich der Nahtoderfahrungen zurückgreifen – die uns ähnliches nahelegen.
Ein Priester, der um die Salbung eines soeben Verstorbenen gebeten wird, sollte mit der Spendung des Sakramentes nicht zu restriktiv sein. So gibt es die Tradition, die Spendung der Krankensalbung bis zu einer Stunde nach dem klinischen Tod als möglich und sinnvoll anzusehen.
Von wem?
Die Krankensalbung wird gültig nur vom Priester (oder Bischof) gespendet.
Noch vor einiger Zeit wurde eifrig diskutiert, ob nicht auch ehrenamtlich in der Krankenseelsorge Tätige das Sakrament der Krankensalbung spenden können. Die Befürworter einer Änderung sprachen von den gewachsenen persönlichen Beziehungen, die in einer oft über Jahre ausgeübten Seelsorge entstanden sind; auf der anderen Seite wurde das Hinzuziehen eines Priesters, der dem Kranken eher als Fremder gegenüber tritt, als unangenehm und hinderlich beschrieben.
Dagegen ist einzuwenden, dass es im Sakrament eben nicht um die Würdigung der Bemühungen anderer Menschen um den Kranken geht (dann müssten wir auch die pflegenden Angehörige und Familienmitglieder zu Spendern machen); es geht vielmehr um die sakramentale Gottesbegegnung. Da diese ein objektives Geschehen ist, ist es sogar ganz sinnvoll, einen bisher unbeteiligten Amtsträger der Kirche um die Spendung zu bitten. Das Sakrament ersetzt oder entwertet ja nicht die Anwesenheit Gottes in jeder liebevollen Zuwendung durch alle um den Kranken bemühten Menschen! Es ergänzt vielmehr das, was bisher geschah, durch eine vollmächtige Handlung der Kirche. Deshalb spricht der Apostel Jakobus von den «Ältesten der Kirche», die für die Spendung des Sakramentes gerufen werden sollen. Damit sind nach übereinstimmender Meinung der Fachleute nicht charismatisch begabte Privatpersonen, sondern Amtsträger gemeint.
In der griechischen Liturgie sollen für die Krankensalbung nach Möglichkeit sogar sieben Priester gerufen werden, weshalb das Sakrament auch «Sieben-Väter- Dienst» heißt. So wird besonders deutlich, dass es sich um einen Dienst der Kirche handelt. – Es reicht aber auch dort, wenn nur ein Priester verfügbar ist.
Der äußere Grund für die Beschränkung auf den Priester ist die Sündenvergebung, die mit dem Sakrament verbunden ist. Diese ist – wie die Beichte – dem Priester vorbehalten.
In frühchristlichen Zeiten (vom 3. bis zum 8. Jahrhundert) gab es den Brauch, die Öle zwar vom Bischof weihen zu lassen, die Salbung aber auch durch Laien zu vollziehen. Ja, manche Kranke salbten sich selbst mit dem ihnen gebrachten Öl – andere tranken es sogar. Der Theologe Chavasse meint, dass sich diese Praxis aus dem Gedanken ergab, die Krankenöle mit dem Brot und Wein der Eucharistie zu vergleichen. Man dachte, das Öl würde sakramental verwandelt und könne auch von Laien den Kranken gebracht werden; ähnlich wie ja auch die Krankenkommunion in Notfällen von beauftragten Laien den Kranken nach Hause gebracht werden kann.
Ein näheres Nachdenken der Kirche hat aber den Gedanken abgelehnt, schon in der Weihe der Öle ein sakramentales Geschehen zu sehen. (So schreibt schon Jakobus in der Heiligen Schrift, dass die Presbyter zur Salbung geholt werden sollen – und nicht etwas nur die Heiligen Öle). Zwar hat sich in einigen Kirchen der Orthodoxie der Brauch erhalten, in einem zweiten Tabernakel neben dem Leib Christi auch die Heiligen Öle aufzubewahren und zu verehren. Die Spendung der Krankensalbung aber wurde durch Konzilsbeschluss nur dem Priester zugestanden. (Siehe dazu den lesenswerten Artikel von Prof. Dr. A. Ziegenaus «Ausdehnung der Spendevollmacht der Krankensalbung?»).
Immer schon gab es (und gibt es bis heute) neben der sakramentalen Salbung der Kranken durch den Priester selbstverständlich auch eine nicht-sakramentale Salbung. Angehörige aller Religionen und Zeiten haben ihre Kranken gesalbt, dachten dabei aber vor allem an eine körperliche bzw. psychische Wirkung. Das Entscheidende des sakramentalen Geschehens ist jedoch die erwartete Wirkung: die Vermittlung des Heils. Eine körperliche Heilung ist zwar möglich und kommt vor – aber sie ist nicht die eigentliche Absicht der Sakramentenspendung. Sie kann jedoch durchaus Folge der Vermittlung von Heil und Gottesbeziehung durch das Sakrament sein.
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