Die Entdeckung der Videokonferenz
In Zeiten, in denen uns angeraten wird, auf Distanz zu gehen und gerade dadurch Nähe zu zeigen, verändert sich natürlich auch die Kommunikation. Nur Selbstgespräche zu führen, wirkt auch nicht gerade gesund, deswegen wird auch kirchlicherseits eifrig die vorhandene Technik genutzt und sogar ausgebaut, um zueinander zu kommen und sich gegenseitig zu zeigen, dass man noch existiert.
So gab es die erste Videokonferenz der leitenden Pfarrer eines nicht besonders großen Dekanates. Die Technik war installiert, der Zeitpunkt vereinbart, es konnte losgehen. Und wie nicht anders zu erwarten war, entwickelte sich dieses Ereignis zu einem Meilenstein der Kommunikationsgeschichte und zu einer Sternstunde, aus der man nur lernen kann.
Alle wurden, pünktlich auf die Minute, angewählt und erschienen nach und nach auf dem Bildschirm – alle bis auf einen. Hatte er es vergessen? Nein, er war einfach nicht zu Hause. Aber das macht doch nichts: Eine solche Konferenz geht doch auch per Handy! Nur schlecht, wenn es nicht richtig positioniert ist. So sah man erst einmal gar nichts, dann das halbe Gesicht, dann endlich – das ganze Gesicht und den Schulterbereich. Es schien kalt zu sein draußen, deswegen war der Pastor sehr warm angezogen.
Der andere eher salopp, wenn auch korrekt – wenn man ihn denn sehen könnte! Denn hinter ihm, o wunderbarer Anblick: ein großes Fenster, in das voll die Frühlingssonne hineinschien. Wie schön! Man sah also die Sonne und ahnte, da muss er doch sein! Wenn er sich so vor die Sonne schob, hatte man als staunender Betrachter eine Art Vision. So ähnlich werden es die Frauen am Ostermorgen erlebt haben: der Auferstandene im Glanz der Morgensonne. Schemenhaft, schwer zu glauben und noch schwerer zu erblicken.
Ein weiterer Pastor war passend postiert, klar zu erkennen und interessiert dabei -meistens. Zwischendurch nämlich war er mal weg. Das kann bei meiner Verwaltungsreferentin auch schon mal passieren, denn die hat zwei anstrengende Kinder (2 und 4 Jahre jung), die eine längere Zeit der Nicht-Aufmerksamkeit der Mutter nur schwer ertragen können. Also sieht man die Mutter zwischenzeitlich auch nicht, man hört aber abwechselnd tadelnde, aufmunternde und tröstende Worte.
Wir lernen daraus: zwischenzeitlich weggehen ist unter Priestern tolerabel, aber nur, wenn er alleinerziehend ist.
Apropos Nebengeräusche: die waren beim Handy-Pastor auch reichlich gegeben, nur dass er das nicht ahnte. Wie ihm das dann gesagt wurde, war er sehr erstaunt: Was moderne Elektronik so alles kann! Sogar Nebengeräusche übertragen.
Ich für meinen Teil dachte, ich habe alles richtig gemacht: Passendes Licht, im Hintergrund viele Bücher (macht einen guten Eindruck, Stichwort Bildung), sodass mein Statement das nötige Gewicht hatte. Dachte ich. Denn während ich erste Gedanken ausformuliere, klingelt nebenan mein Telefon. Laut. Immer wieder. Ich verliere den Faden. Fange an, mich zu wiederholen. Bringe den Satz nicht zu Ende. Und das Telefon hört nicht auf zu klingen. Dann hört es doch auf. Ich bin kurz vor dem Nervenzusammenbruch.
Die beste Figur machte natürlich der Dechant. Konzentriert vor seinem Gerät sitzend, verströmt sein funktionaler Kopfhörer digitale Professionalität. Wenn dann noch die Aussprache verständlich, das Bild klar und die Sätze zu Ende gesprochen sind, ohne dass jemand unterbricht, ist es eigentlich schon perfekt.
Alle freuen sich schon auf die nächste Video-Konferenz.
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