Alles ändert sich, und zwar, wie es scheint, immer schneller. Jüngeren Menschen geht manches nicht schnell genug, ältere haben den Eindruck, heute sei es schon wieder anders als gestern.
Veränderung gehört zum Leben, genauso ist es aber auch mit der Gewöhnung. Man gewöhnt sich schnell an das Angenehme, Komfortable, Bequeme. Ein Auto ohne Klimaanlage? Ein Telefon in einem Häuschen, zu dem man auch noch hinlaufen muss? Warten auf die Zeitung und auf Post? An die Veränderungen, die unser Leben leichter machen (vermutlich oder geglaubt) kann man sich schnell gewöhnen.
Auch im kirchlichen Leben haben wir uns an manchen Service gewöhnt. Bischof Hengsbach, der frühere Hirte von Essen, fand es wichtig, in jedem Ortsteil eine Kirche zu haben, so dass die Leute keine langen Wege hatten. Das war durchaus sinnvoll, denn erstens hatten viele Menschen kein Auto, zweitens fanden es viele Katholiken (und wahrscheinlich auch Evangelische) toll, ihre eigene Kirche zu bauen und dabei mithelfen zu dürfen, und drittens gab es viele Priester, die man als Pfarrer einsetzen konnte.
Jetzt haben zwar ganz viele Leute ein Auto (dass das stimmt, kann man auf der Autobahnbrücke der A 3 bei Oberhausen jeden Tag sehen), aber sie wollen damit nicht unbedingt zur Kirche fahren, sondern eher zur Arbeit, in den Urlaub oder am 1. November (Allerheiligen) nach Holland, um dort ein Einkaufserlebnis zu haben.
Hinzu kommt noch, dass nicht mehr alle Geld spenden wollen, um den Kirchbau zu erhalten und zu pflegen. Und schließlich wollen auch nicht mehr so viele junge Männer wie früher ihren Dienst als Priester in einer unschicken Kirche tun, vielleicht auch, weil sie glauben, gleich fällt der Strom aus (alte Leitungen) oder die Heizung (Öl!?) oder sogar der ganze Kirchturm stürzt ein, wie einmal vor Jahren in Goch (Niederrhein) geschehen.
Wie soll es da weitergehen? Darüberhaben sich schon seit einiger Zeit Scharen von Pastoralplanern, Zukunftsforschern, Trendologen, Astrologen, Kommissionen, bischöfliche Beauftragte und weitere wichtige und kundige Personen viel nachgedacht und sich den Kopf zerbrochen. Nach langem Forschen und Grübeln haben sie herausgefunden: Es bleibt nichts, wie es ist! Und: Es geht bergab! Darauf wären wir allein gar nicht gekommen, deswegen ist das Geld für diese Untersuchungen gut angelegt! Und: Alles wird irgendwie schwierig! – Je nach Auftrag werden dann Prognosen für die kommenden 5 oder 10 oder 30 oder 160 Jahre angestellt, alle mit dem gleichen niederschmetternden Ergebnis: Bald ist alles (oder doch das Meiste) zu Ende! Geld ist alle – Personal ist alle – und die meisten sind dann sowieso aus der Kirche ausgetreten. Was tun?
Wenn wir uns jetzt schon daran gewöhnen,
wird es später, wenn es eintrifft,
nicht mehr so schlimm.
Wir wissen dann ja schon, wie es geht.
Der gute Rat der Experten lautet: am besten sich schon jetzt daran gewöhnen! Keine Priester mehr: aber das können auch andere! Ein Crashkurs Predigt wird genügen! Kein Geld mehr: Statt in der Kirche versammeln wir uns jetzt bei Familie Müller.
Ein Rat, der doch irgendwie einleuchtet: Wenn wir uns jetzt schon daran gewöhnen, wird es später, wenn es eintrifft, nicht mehr so schlimm. Wir wissen dann ja schon, wie es geht.
Sollten wir diese wesentliche Erkenntnis nicht konsequenter umsetzen? Freund Hermann-Dieter geht bald in Rente und überlegt, wie es gesundheitlich weitergeht. Unser Rat: Jetzt schon mit dem Rollator üben! Damit er sich daran gewöhnt! – Ein junges Paar aus dem Nachbarort ist fest überzeugt, dass die Zukunft der Menschheit auf einem anderen Planeten sein wird. Deswegen haben sie sich fleißig Aktien bei Elon (Sie wissen schon: Musk) gekauft und joggen einmal in der Woche mit Sauerstoffausrüstung. Wer weiß, ob die Luft da oben so gut sein wird wie hier! Und Dorothee, unsere Nachbarin, hat gehört, dass Bargeld bald abgeschafft wird und alles nur noch bargeldlos abgewickelt wird. Wirkonntensie leicht davon überzeugen, dass es doch das Beste ist, alles restliche Bargeld gleich uns zu geben und sich schon daran zu gewöhnen, nur noch mit Gesichts- oder Fingererkennung, Smartphone oder gar nicht mehr zu bezahlen. Demnächst wird sie uns berichten, welche Erfahrungen sie gemacht hat.
Man sieht: Gewöhnung, rechtzeitig eingeübt, bereitet auf das Leben oder auf das Leben nach dem Leben vor. Sollte es wirklich auch so in der Kirche sein? Dass wir uns schon jetzt daran gewöhnen, was in einigen Jahren auf jeden Fall nicht sein wird? Denn immer hat man die Erfahrung gemacht: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen (Mark Twain). Und: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt (alte Volksweisheit).
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